Große Weine aus kleinen Flaschen

Seit ein paar Jahren mache ich diese Probe im kleineren Kreise, große Weine aus kleinen Flaschen. Erstaunt bin ich dabei immer wieder über das Alterungspotential der halben Flaschen. In diesem Jahr habe ich die Weine zu spannenden Zweierduellen zusammengefasst.

Als Solist und Apero gab es bei herrlichem, abendlichem Terrassenwetter erstmal eine 1994 Brauneberger Juffer Sonnenuhr Auslese #20 von Fritz Haag. Die war jetzt nach 20 Jahren immer noch frisch wie Morgentau und klar wie ein Gebirgsbach, gute Säure, feines Süße-/Säurespiel, einfach die Leichtigkeit des Seins – WT93.

Etwas seltsam der 1999 Fieuzal Blanc, der wie eine Backstube duftete, aber auch etwas oxidativ und sehr reif war. Den kenne ich deutlich besser. Aus dieser Flasche wirkte er eher wie altes Burgund – WT87. Da war der sehr feine 2007 Fieuzal Blanc schon ein anderes Kaliber, frisch, sehr fein mit spielerischer Eleganz, weiße Früchte, gute Säure – WT92. Und da unsere Damen noch auf einem weiteren Weißwein bestanden, kam danach noch ein großartiger 2009 Monteverro Chardonnay ins Glas, der sich mal wieder als sehr druckvoller, komplexer, mineralischer Weltklasse-Chardonnay präsentierte – WT96.

Sehr gespannt war ich auf die erste rote Paarung. Schlichtweg genial der 1948 Latour mit sehr guter Struktur, völlig Altersfrei, enorme Kraft, Mineralität und Länge, muss sich hinter keinem anderen Latour der 40er verstecken, baut enorm im Glas aus und entwickelt erste, feine Süße im langen Abgang. Ja, das war ein richtig großer Latour und gleichzeitig eine gute Antwort auf die Frage, ob Weine in halben Flaschen altern können – WT97. Der 1953 Pavie Macquin aus einer deutschen Bachmann Abfüllung kam als dunkelfarbiger, fast etwas verschlossener Brocken ins Glas und wurde im Glas immer feiner, eleganter und auch fruchtiger, intensive Mineralität und eine kräftige Säure, die dem Wein Frische verlieh. Auch hier ist aus perfekten Flaschen wie dieser noch keinerlei Eile angesagt – WT95.

Würde der Talbot mit dem legendären Gruaud mithalten können? Der 1982 Gruaud Larose aus meinem sehr kühlen Keller war immer noch so unglaublich jung, leicht animalisch, sehr kräftig, ledrig und zeigte noch längst nicht alles – WT96+. Offener, etwas weiter und mit traumhafter Aromatik war der 1982 Talbot in diesem Duell der Sieger – WT97.

Der 1982 Cheval Blanc war meine bisher beste Flasche seit der damaligen Fruchtphase. Das war Cheval Blanc vom Feinste, so komplex, so druckvoll, so hoch elegant mit dieser süchtig machenden Cheval-Nase und mit verführerischer Süße am Gaumen. 1982 Cheval Blanc war in seiner Jugend mal eine 100 Punkte Legende und er ist wieder auf dem besten Wege dorthin. Hier waren wir bei WT99.. Schade, ich hätte gerne den Vergleich zu einem anderen Legenden-Kandidaten gehabt, dem 1982 Trotanoy. Der hatte eine Superfarbe, man spürte die gewaltige Substanz, aber eben auch den üblen Kork, der jeden Genuss verhinderte.

Einen in diesem Fall richtig teuren Korkton entwickelte leider auch der 1985 Petrus. Beim ersten Schluck war er noch nicht spürbar, da war ein sehr feiner, süßer Wein mit verführerischem Schmelz im Glas auf WT95 Niveau. Aber dann nahm leider das Kork-Unheil seinen Lauf. An den großartigen 1985 Lafleur hätte er aber ohnehin nicht ran gereicht. Der war rauchig, kräuterig, speckig, sehr kräftig mit gewaltigem, aromatischem Druck, aber auch mit generösem Schmelz – WT97. Beide Weine aus perfekter Lagerung und seit dem Kauf 1989 bzw. 1991 praktisch nicht mehr bewegt. Und die damaligen Preise lass ich hier besser weg. Die erzeugen nur unnötige Neidgefühle.

Doch, einen Preis muss ich einfach mal loswerden. Der 1986 Mouton Rothschild hat 1989 bei Mövenpick in der halben Flasche umgerechnet keine 30 Euro gekostet. Those were the days. Dagegen stand der damals gleich teure (oder billige) 1986 Margaux. Beides riesengroße Weine, sehr konzentriert mit superber, präziser Frucht und immer noch massiven Tanninen. Beide mit Legendenpotential, aber aus guter Lagerung noch sicher 5-10 Jahre von der Trinkreife entfernt – WT96+.

Erstaunlich danach der Vergleich zwischen 1986 Gruaud Larose und 1986 Talbot, bei dem beide Weine fast auf dem Niveau der beiden Vorgänger lagen. Der Gruaud noch ein massiver, verschlossener Klotz, der ebenfalls sicher noch 5-10 Jahre braucht, um dann auf Augenhöhe mit dem eigenen 82er zu liegen – WT95+. Der Talbot etwas offener, jetzt schon Traumstoff, zupackend, gute Frucht, leicht animalisch, ledrig, viel Zedernholz, aber am Gaumen auch erste, feine Süße – WT96. Vom Preis-/Leistungsverhältnis her derzeit der mit Abstand beste dieser vier 86er.

Als Abschluss noch ein hochinteressanter Vergleich. Der etwas offenere 1989 Montrose, nicht zu Unrecht aufgrund des Preises als 90er für Schlauer bezeichnet, war auf sehr hohem Niveau der etwas offenere Wein – WT97. Aber der 1990 Montrose, der zumindest als halbe Flasche selbst aus meinem Eiskeller wieder zur Topform findet, war diesmal der deutlich größere Wein, ein gewaltiges Konzentrat mit irrer Frucht, hoher Mineralität und unglaublicher Länge auf dem Weg zur Perfektion – WT99.