Kräftemessen Rheinhessen
Viel tut sich in Rheinhessen. In gesundem Wettbewerb zwischen den Stars der Szene und engagierten Newcomern entwickelt sich ein Rheinhessen immer mehr zu einem der Top-Gebiete trockener Rieslinge. Was lag da näher als eine Momentaufnahme in Form einer Vergleichsprobe. Das Kräftemessen Rheinhessen erfolgte in drei Disziplinen: Aulerde, Kirchspiel und Morstein, jeweils aus dem Jahrgang 2012. Organisiert hatte diese interessante Verkostung Toni Askitis, der dazu 30 engagierte Weinnasen an eine lange Tafel ins D´Vine lud.
Probiert und bewertet wurde natürlich blind, was zu einigen Überraschungen führte.
Als Apero schenkte uns Toni einen 2013 Riesling Pettenthal von Schätzel aus. Reife, aber zupackende Säure, Zitrusfrüchte, karamellisierte Ananas, intensive Mineralität, einfach Roter Hang pur – WT92. Sicher ein Name, den man sich merken muss. Und von „gegenüber“ bekam ich dann noch einen großen Schluck des fantastischen 2009 Hubacker GG von Keller, er jetzt in erster, guter Trinkphase ist, sich aber noch weiterentwickeln dürfte – WT94.
Spannend die 2012 Aulerde von Ruppert Deginther, die im ersten Flight die Messlatte setzte: Wunderbare Nase mit leichtem Spontistinker, fruchtige Fülle, feine Mineralität, kräftige Struktur und Säure – WT92. Nicht nur Sieger des Flights, sondern sicher auch einer der Preis-/Leistungssieger des Abends. Noch ein Name, den man sich merken sollte. Eher etwas einfach gestrickt der 2012 Riesling ‚S’ Aulerde vom Weingut Hirschhof – WT87. Sehr schwierig die 2012 Aulerde von Dreissigacker, mostiger, alter gärender Apfel, etwas flüchtige Säure, kein großer Genuß – WT85. Schon oft habe ich die kräftige, edelrustikale 2012 Aulerde von Groebe getrunken, die auch hier blind überzeugen konnte – WT91. Etwas plump wirkte vor allem zu Anfang die 2012 Riesling Aulerde GG von Wittmann. Sehr kräftig mit Fülle und Reife, aber auch mit störender Boytritis, die diesen Wein etwas ungelenk machte, entwickelte sich im Glas – WT89.
Kirchspiel gehört zu meinen Lieblingslagen. Bei 2012 Kirchspiel von Dreissigacker gefiel mir die sehr feine, elegante Nase, der füllige Gaumen kam da nicht mit – WT90. Noch ganz am Anfang 2012 Kirchspiel GG von Groebe mit Spontinase, am Gaumen enormes Potential zeigend, das wird mal ein großes Kirchspiel – WT92+. Das 2012 Kirschspiel vom Weingut Seehof zeigte eine schöne Nase, war aber am Gaumen etwas kurz und dürftig – WT87. Sehr zugänglich mit fruchtiger Fülle war das 2012 Kirchspiel GG von Wittmann, wirkte aber auch etwas gemacht – WT88. Ein Kirchspiel zum Verlieben war das 2012 Kirchspiel von Katharina Wechsler, so fein, so finessig, so elegant und absolut stimmig, für mich der Sieger des Flights – WT94. Ein sehr schönes, intensives und noch blutjunges Kirschspiel mit gewaltigem Potential war das 2012 Kirchspiel von Keller, da kommt noch deutlich mehr – WT93+.
Straff, füllig mit toller Frucht 2012 Morstein vom Weingut Flick – WT91. 2012 Morstein Alte Reben von Seehof war sehr fein, schlank und elegant, wirkte aber zu Anfang etwas dünn, baute im Glas aus – WT89. Habe ich diesen Sommer schon besser getrunken. Das galt auch für das schon häufiger und trotz seiner Jugend eigentlich immer mit Begeisterung getrunkene 2012 Morstein GG von Wittmann. Hier in dieser Probe kam ich damit nicht klar, schwierig die an Waldmeister Brause erinnernde Nase, der Gaumen schlank und kompakt mit hoher Säure – WT86+. Ganz anders das ebenfalls noch blutjunge 2012 Morstein GG von Keller. Da sind reichlich Frucht, Süße, Fülle und Kraft, dazu eine tolle Struktur und Potential für lange Jahre – WT93+. Zeit und Luft brauchte auch 2012 Morstein von Dreissigacker, ein sehr schlanker, eleganter, finessiger Wein mit enormem Druck – WT92+.
Und kaum war die Probe durch, sammelte Toni die Stimmzettel ein, aus denen er dann eine gemittelte Gesamtwertung erstellen wird. Natürlich gab es nach der Probe noch ein paar spannende Zugaben aus der D´Vine Karte, die deutlich zeigten, dass eine solche Momentaufnahme junger Rieslinge eben nur eine Momentaufnahme ist. Ein Prachtstück nicht nur das immer noch blutjunge, kräftige 2010 Morstein GG von Wittmann. Das geniale 2006 Kirchspiel GG von Keller zeigte, warum es lohnt, auf die großen Weine zu warten. Das war ein Riesenwein, unglaublicher, aromatischer Druck gepaart mit betörender Eleganz und sehr guter Länge, einfach ein perfekt (an)gereifter Traum – WT95.
Für meinen Teil halte ich es so, dass ich in der Gastronomie – meist notgedrungen – die jungen Jahrgänge trinke. Meine eigenen Weine fasse ich erst nach 5-10 Jahren an. So komme ich derzeit zuhause in den Genuss großartiger 2004 Rieslinge aus einem seinerzeit übersehenen Jahrgang, der sich bei den besseren Weinen heute in Topform und als bisher bester Jahrgang des neuen Jahrtausends präsentiert.