Muttertag

Was für ein traumhafter Sonntag. Die Sonne schien, wie sich das an Muttertag gehört. Wir feierten ihn auf unserer neuen Lieblingsterrasse (leider nicht unsere eigene, aber wir sind dort wohlgelitten). Küchengott Holger Berens kochte eine brandneue Küche ein, und ich versuchte, mit all diesen kulinarischen Köstlichkeiten weinmäßig Schritt zu halten.

Weiß und groß

Perfekter Apero aus der Magnum der 2009 Meursault Charmes Cuvée de Bahèzre de Lanlay vom Hospice de Beaune, abgefüllt von Lucien le Moine, endlich mal wieder ein richtig großer, weißer Burgunder ohne Premox, sehr würzig, mineralisch mit feinem, nussigem Schmelz, komplex, druckvoll und lang mit einfach traumhafter Trinkigkeit - WT96. Der zweite Weiße, ebenfalls aus der Magnum, musste sich dahinter nicht verstecken. „Nigl Nagel Neu“ wirkte der 1997 Senftenberger Piri Riesling Privat von Nigl, immer noch so jugendlich, glockenklare Frucht, feiner Schmelz, Würze, cremige Textur, erstaunlicher Tiefgang und gute Säure – WT94. Beim 1999 Grünen Veltliner Vinothek von Knoll scheiden sich dann die Geister. Das ist nichts für Puristen und Trocken-Fetischisten. Hedonisten aber werden vor Freude glucksen. Was für ein irrer, verrückter Wein. Weich, sehr würzig mit salziger Mineralität, dezente Honignote, reife, gelbe Früchte, Marille, enorm kräftig und geradezu üppig mit süßem Schmelz ohne Ende, sehr kräuterig, hohe Extraktsüße und spürbare Boytritis – WT97. Etwas schlanker, ohne Boytritis der sehr kräftige, druckvolle 2000 Dürnsteiner Kellerberg Riesling Smaragd von FX Pichler mit salziger Mineralität und irrer Länge, hat sicher noch etliche Jahre Zukunft – WT96.

Feine Burgunder

Von der Farbe her schon recht reif wirkte der 1992 Gevrey Chambertin Clos St. Jacques von Armand Rousseau, reif auch erst die Nase mit etwas Herbstlaub, aber das gab sich im Glas. Unglaublich, wie sich dieser mineralische, sehr elegante Wein entwickelte und ausbaute, ein klassischer Rousseau halt – WT93. Von der gesamten Anmutung her jünger und kräftiger der 1978 Grands Echezeaux von DRC, den mir ein Weinfreund vor über 20 Jahren geschenkt hatte. Herrliche Frucht, wunderbare Struktur und Länge, so kräftig, dicht und druckvoll, aber auch mit der nötigen Eleganz – WT95.

Das Jahr der Gastgeberin

1983 ist ein großes Weinjahr, das zu Unrecht im Schatten von 1982 steht. Vier herrliche Exemplare bekamen wir im Laufe des Nachmittages in unsere Gläser. Jugendlich die Farbe des 1983 Penfolds Grange, herrliche, minzige Nase mit einem Hauch Eukalyptus, am Gaumen ein balancierter, generöser Traum, mineralisch mit Fülle, Länge, seidiger Eleganz, generöser Süße, aber auch noch guter Tanninstruktur. Einfach ein großer, kompletter Grange - WT97. Ein geradezu erotischer Traum der 1983 Mouton Rothschild, der immer mehr zulegt, mit der klassische Mouton-Mischung aus Cassis, Bleistift, Minze und Sattelleder und mit Süße, Charme und gutem Rückgrat – WT97. Immer noch ein Suchtipp. Das gilt auch für 1983 Hermitage La Chapelle, sehr würzig, kräftig, mit burgundischer Pracht und Fülle, großer Kräutergarten, viel Lakritz, gute Frucht, süßer Schmelz - WT97. Reiht sich nahtlos ein in die großen La Chapelles. Ein Riese dann der immer noch so junge, komplexe, enorm druckvolle 1983 Lafleur, der ewig am Gaumen blieb, aber viel zu kurz im Glas, ein gewaltiger Wein, so ein richtiger Petrus für Erwachsene, der jetzt immer mehr schöne Süße zeigt - 98/100.

Nicht nur für Etikettentrinker

Ist man gleich Etikettentrinker, nur weil man Le Pin und Petrus mag? Beides sind große Weine, die leider heute außerhalb dessen liegen, was ich für Weine auszugeben gedenke. Aber es gab mal andere Zeiten. Den 1994 Le Pin konnte ich vor 20 Jahren für €80 erwerben. Für den Jahrgang zeigte er sich erstaunlich schön mit süßer Frucht, reife Himbeeren, auch am Gaumen feiner, opulenter Schmelz mit nur einem Hauch von 94er Grünnoten, einfach eine wunderbar zu trinkende Weindroge – WT94. Sollte ich den jetzt auf eine Auktion geben, nur weil ein paar Bekloppte Unsummen dafür ausgeben? Niemals, zumindest nicht ohne Not. Das gilt auch für 1993 Petrus, den ich seinerzeit für €125 subskribieren konnte. Der hat sich prächtig entwickelt, immer noch so jung mit dichtem Kirschrot, superbe Struktur, konzentrierte, rotbeerige Frucht, immer noch spürbare Tannine, sehr mineralisch, aber auch viel Bitterschokolade mit zunehmend süßem Schmelz, sehr lang am Gaumen – WT96.

Mit beiden Weinen haben wir jetzt kräftig investiert, denn – so hat es Anfang der 70er der damalige DM Herausgeber Erich Bärmeier treffend formuliert – „Die beste Investition ist die Erinnerung an schöne Tage“.

Just for fun

Einfach sexy war der 2001 Ornellaia, Hedonismus pur mit reifer, süßer Frucht, mit reichlich Schmelz und Fülle, aber durchaus auch Tiefgang und Struktur – WT95. In der Liga spielte auch der grandiose 1999 Pride Mountain Claret Reserve mit seiner betörenden, kalifornischen Frucht und der dekadenten, aber nicht überladenen Süße, bleibt ewig am Gaumen – WT96. Und sprachlos machte natürlich wieder dieser unglaubliche 2000 Pavie mit seiner genialen Nase, am Gaumen ein gewaltiges Konzentrat, das trotzdem Leichtigkeit und Finesse zeigte – WT100. Das ist kein Wein, der in 10 oder 20 Jahren mal perfekt ist, der ist heute schon eine Legende und für mich die Wiedergeburt der großen Pavies aus 1928 und 1929. Und ein weiterer Riese der 1998 La Mondotte, immer noch so jung, so dicht, aber mit superber Frucht, perfekter Struktur, sehr mineralisch, erste Süße, explodiert förmlich im Glas und zeigt nach langen Jahren des Wartens endlichwas er drauf hat- WT98.

Last not least

Und dann war da noch dieser 1965 Lindemans Hunter Valley Shiraz Bin 3110, ein Lindemans Museum Release, das ich vor 20 Jahren erworben habe. Damit konnte ich zum Ende unserer Muttertagssause eine Person glücklich machen, der man diesen runden Jahrgang ebenso wenig ansah wie dem Lindemans. Der Lindemans immer noch eine sehr dichte Farbe mit kaum Alter, eingelegte Früchte, Rumtopf, ein Schuss Port, trotz kräftiger Statur auch am Gaumen erstaunlich viel Finesse, jetzt auf dem Punkt, aber sicher noch länger haltbar- WT95.