Rainers Riesen Riesling Ralley

Eine als solche deklarierte Arbeitsprobe zum Thema Trockener Riesling mit dem Schwerpunkt 2001-2006 umfasste 42 Weinen von 22 Winzern. Ich verrat es gleich vorweg. Arbeit kann auch Spaß machen.

Rieslinge sind Rainer Kalteneckers große Leidenschaft. Sie bilden auch den Schwerpunkt seines Blogs weintasting.de, auf dem sicher spätestens Ende September die Ergebnisse der 2014er GG Verkostung in Mainz stehen dürften.

Deutschland war bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein ziemlich pappsüß. Den ersten, einsamen Rufern in der Wüste folgten in den 80ern und dann vermehrt in den 90ern immer mehr engagierte Winzer, die mit trockenen Weinen aller Qualitätsstufen experimentierten. Der eigentliche Durchbruch kam dann mit der Jahrtausendwende. Maßgeblich dazu beigetragen hat die Einführung der Großen Gewächse durch den VDP. Der orientierte sich dabei am lagenorientierten Qualitätssystem des Burgund.

Das wirkliche Vorbild dürfte aber Österreich gewesen sein und dabei insbesondere die Wachau. In Österreich hatte es nach dem Glykolskandal 1985 nicht nur eines der strengsten Weingesetze der Welt gegeben, sondern auch eine gewaltige Qualitätsoffensive, gerade im Bereich der trockenen Weine. Bereits zwei Jahre vorher, 1983, war die Vinea Wachau von führenden, Wachauer Winzern gegründet worden. Deren Codex Wachau ging noch deutlich über das spätere, österreichische Weingesetz hinaus. 1986 wurde ein noch heute gültiges, dreistufiges Qualitätssystem aus Steinfeder, Federspiel und Smaragd eingeführt. Insbesondere „Smaragd“ entwickelte sich in der Folge zum Qualitätsbegriff für große, trockene Weine schlechthin. Schnell fanden diese Weine ihren Weg nicht nur auf die Weinkarten der im Rahmen des deutschen Küchenwunders durchstartenden Spitzengastronomie, sondern auch in die Keller zahlloser Weinfreunde.

In illustrer Runde aus weitgehend erfahrenen Weinnasen führte uns Rainer in 16 kleinen, themenorientierten Flights durch die Entwicklung des trockenen Rieslings.

Alle Weine – mit Ausnahme wohl der Clos St. Hunes – wurden 15 Minuten vorher dekantiert. Das ist wichtig für das Verständnis des nachfolgend Beschriebenen. Ich habe exakt das beschrieben und auch benotet, was ich vor mir im Glas hatte und nicht das, was z.B. bei deutlich längerer Dekantierzeit daraus hätte werden können. Das ist und bleibt nun mal das Dilemma solcher umfassenden Vergleichsproben. Individuell eingehen auf den jeweiligen Wein kann man als Gastgeber dabei nicht.

Aufbruch des trockenen Rieslings

Wenn man den 1988 Trimbach Clos St. Hune als „karg“ bezeichnet, mag das abwertend klingen, aber dieser Wein ist mit seiner kalkigen Mineralität, der puristischen Zitrusfrucht und der guten Säure so eine Art Archetypus eines furztrockenen Riesling. Sicher nicht Everybody´s Darling, aber jetzt guter Trinkreife – WT94.

Auch Nasen sind verschieden. Während ich mich gerade mit frischem Apfelkuchen und feinen Honignoten beschäftigte, tönte es beim 1996 Forster Kirchenstück von Bürklin-Wolf aus einer anderen Ecke „Leberwurstbrot“. Etwas stahlig und mit der massiven 96er Säure kam dieser Wein ins Glas. Der schrie förmlich nach Luft und entwickelte in der kurzen, verbliebenen Zeit im Glas eine gute Fülle und Länge. Aber da ist noch soviel Kraft, soviel Substanz, da kommt in den nächsten 10 Jahren aus guten Flaschen noch mehr – WT93+.

Viel Luft brauchte (oder hätte gebraucht) die 1997 Hochheimer Hölle Auslese trocken von Künstler, ein stoffiger, sehr mineralischer Wein, der bei aller Kraft und Fülle auch eine schöne Eleganz zeigte – WT91.

Mit deutlicher Boytritis und massiver Säure wirkte die 1998 Zeltinger Sonnenuhr Auslesetrocken** von Molitor erst etwas unharmonisch, baute aber im Glas aus und wurde spannender – WT88.

Die Anfänge der Wachau

Mit tiefem Goldgelb kam der 1986 Weißkirchen Achleiten Honifogl von der Winzergenossenschaft Wachau ins Glas, würzig-füllig die Nase, am Gaumen eher schlank und zu Anfang leichgezehrt wirkend, baute enorm im Glas aus und wurde immer druckvoller und länger am Gaumen – WT93. In einer großer Falstaff-Probe 1988 war dieser Riesling als bester von 187 Weißweinen hervorgegangen mit 18.6/20.

Der sehr mineralische, würzige 1993 Singerriedel Smaragd von Hirtzberger zeigte mit guter Säure immer noch eine erstaunliche Frische – WT93.

Heißes Jahr 2003 in Deutschland

Der 2003 Berg Schlossberg von Breuer hatte eine wunderbare Nase mit Kaffee und Kräutern. Am Gaumen wirkte er auf hohem Niveau etwas diffus und süß. Da fehlte einfach die Spannung, die er in den letzten Monaten zweimal aus großartigen Magnums (auch aus Rainers Beständen, beide Male WT94) gezeigt hatte – WT90.

Sehr trinkig zeigte sich die 2003 Hermannshöhle GG von Dönnhoff mit spannender Nase, am Gaumen etwas üppiger und fülliger mit weniger Struktur und Säure als in anderen Jahren – WT93.

Etwas dünn wirkte der 2003 Monzinger Halenberg von Emrich-Schönleber, weich, wenig Spannung, die 10g Restsüße deutlich spürbar – WT88.

Einfach Hubacker pur war der kräftige, leicht barock wirkende 2003 Hubacker von Keller mit cremiger Textur und guter Säure – WT93.

Heißes Jahr 2003 in Österreich

Nicht klar kam ich mit dem 2003 Dürnsteiner Schütt Smaragd von Knoll. Kein schlechter Wein, aber der wirkte einfach zu dick, zu mastig und zu alkoholisch und zeigte zuwenig Spannung – WT87.

Kork oder nicht war die endlose Diskussion beim 2003 Dürnsteiner Kellerberg Smaragd von F.X. Pichler. Während die Nase immer sauberer wurde, blieb doch ein Schleier über der Frucht. Schade, wäre sicher einer der besseren 2003er gewesen.

Die drei großen Forster Lagen gereift

Eigentlich war 2001 ein Riesenjahr für deutsche Rieslinge. Aber die drei großen Forster Lagen von Bürklin-Wolf zeigten sich hier in dieser Probe nicht von der allerbesten Seite. Schwierig zu Anfang die Nase des 2001 Forster Kirchenstück GC von Bürklin-Wolf mit einem deutlichen Touch Altöl, besser der fruchtige Gaumen mit Quitte pur. Gewann dramatisch im Glas mit Luft und entwickelte eine geradezu aristokratische Fülle – WT93.

Sehr hell die Farbe des 2001 Forster Pechstein GC von Bürklin-Wolf, leicht laktisch die Nase, blieb auch am Gaumen bei aller traubiger Frische und recht guter Struktur leicht laktisch – WT91.

Sehr reif wirkte zu Anfang das schon leicht oxidative 2001 Forster Jesuitengarten GC von Bürklin-Wolf mit spitze Säure und wenig Komplexität. Auch hier wirkten ein paar Minuten im Glas Wunder, der Wein baute enorm aus, immer mehr kam tropische Frucht – WT91.

Spitzenjahr 2001 Elass und Wachau

Meine bisher mit Abstand beste Zitronenlimonade war der furztrockene, sehr mineralische 2001 Cuvée Frederique Emile von Trimbach mit knackiger Säure, da ist noch langes Leben garantiert – WT94.

Etwas verloren wirkte in diesem Flight der unharmonisch wirkende 2001 Hochrain Smaragd von Hirtzberger. In der Nase Spargelpisse, am Gaumen zwar gute Fülle, aber auch eine zu spitze Säure – WT87.

Traumstoff der Boytritis-freie 2001 Loibner Berg Smaragd von F.X. Pichler mit perfekter, nobler, kühler Frucht, Röstnoten, enormem Druck und sehr guter Länge – WT96.

Die zwei großen Lagen des Elsass – 10 Jahre gereift

Noch ganz am Anfang der grandiose 2004 Clos St. Hune von Trimbach, so elegant und finessig mit puristisch schöner Frucht, reintönig, schlank im positiven Sinne mit messerscharfer Struktur, so rassig, unglaublich druckvoll und einfach stimmig -– WT96.

Im Gegensatz dazu wirkte dersüchtig machende, im positiven Sinne üppige, noch viel zu junge 2004 Rangen de Thann Clos St. Urbain von Zind-Humbrecht mit reifer, satter Frucht, enormer Fülle und leicht barocker Eleganz eher vollschlank – WT96.

Nahe Riesling 10 Jahre gereift

Absolut stimmig mit unglaublicher Brillianz und Strahlkraft die sehr mineralische 2004 Hermannshöhle GG von Dönnhoff, die sich hier mit großartiger Struktur in perfektem Trinkstadium zeigte – WT96.

Deutlich besser kenne ich das 2004 Monzinger Halenberg GG von Emrich-Schönleber. Hier versprach jetzt die einfach geile Nase deutlich mehr, als der etwas dropsige Gaumen halten konnte. Mit der Zeit glättete sich derWein im Glas und wurde kompletter und stimmiger – WT93.

Ungewöhnlich hell die Farbe des 2004 Monzinger Halenberg GG von Schäfer –Fröhlich. Wirkte am Gaumen etwas gewöhnlich und unsauber mit spitzer Säure – WT88.

In Bestzustand zeigte sich das 2004 Dorsheimer Burgberg GG vom Schlossgut Diel, immer noch so jung, sehr mineralisch mit herrlicher Frucht, kräftiger Säure, aber auch schöner Fülle und gewaltigem, aromatischem Druck – WT95.

Schieferböden nach 12 Jahren Reifeentwicklung

Gleich dreimal hatte ich den 2002 Berg Schlossberg von Breuer 2006 und 2007 auf Sylt bei Jörg Müller im Glas. Konstant habe ich ihn als Weltklasseriesling mit WT96 bewertet. Und jetzt stand dieser Wein vor mir, mineralisch, füllig mit deutlicher, etwas spitz wirkender Säure und wirkte auf hohem Niveau wie ein Schatten seiner selbst, aber nicht zu alt, sondern eher zu jung – WT92. Hatte der sich wieder verschlossen? Dem muss ich nachgehen.

Absolut stimmig mit feiner, reifer, gelber Frucht, mit Kraft, Fülle und Länge die sehr mineralische 2002 Niederhäuser Hermannshöhle Spätlese trocken von Dönnhoff – WT94.

Und wieder fiel ein Molitor-Wein aus der Reihe, die wohl noch zu junge 2002 Zeltinger Sonnenuhr Auslese trocken** von Molitor, die hier etwas aufdringlich und offensichtlich wirkte und völlig neben den Schuhen stand – WT88.

Wachau 2002 – Klassische Rieslinge mit Terroirausdruck

Sehr reif die Farbe des 2002 Dürnsteiner Steinertal Smaragd von Alzinger, in der Nase alte Karamelle, leicht oxidativ wirkend, nur die hoe Säure ist noch voll da – WT87.

Karamellig wirkte auch die gefällige, schmelzige Nase des sehr würzigen 2002 Dürnsteiner Kellerberg Smaragd von Knoll, der insgesamt einen frischeren Eindruck macht – WT91.

Noch so jung mit großartiger Struktur und Frische der sehr nachhaltige 2002 Weißkirchener Achleiten Smaragd von Prager – WT94.

Löss, Lehm und Tonschiefer nach 10 Jahren

Ziemlich daneben leider der 2005 Kallstädter Saumagen Auslese R von Koehler Rupprecht mit deutlichen Fehltönen.

Oxidiert und auf dem Weg ins Jenseits der 2005 Kastelberg le Chateau Grand Cru von Marc Kreydenweiss.

Deutlich besser mit mehr Struktur kenne ich auch die 2005 Hochheimer Hölle Goldkapsel von Künstler, die mir hier etwas zu reif und gefällig war – WT93.

Zu süß und dadurch unbalanciert wirkend der 2005 Siefersheimer Heerkretz von Wagner-Stempel – WT86.

2005 - Bilderbuchherbst in der Wachau

Eher so eine Art Winterriesling war der sehr reif und schon etwas über den Punkt wirkende 2005 Loibner Smaragd Vinothekfüllung von Knoll mit Bratapfel statt Frucht – WT89

Pech hatten wir auch mit dem 2005 Singerriedel Smaragd von Hirtzberger, der völlig fruchtfrei ins Glas kam, wohl ein schleichender Kork.

2006 - Reifepotential bei Hitze

Nicht klar kam ich persönlich mit dem 2006 Schlehdorn von Peter Jakob Kühn, der am Tisch kontrovers diskutiert wurde. Der Schlehdorn hat sicher seine Fans, und denen möchte ich ihn nicht wegtrinken.

Dicht, mineralisch, zupackend und noch sehr jung der 2006 Berg Schlossberg von Breuer, der sich über längere Zeit entwickeln wird – WT91+.

Spielerisch, elegant mit feinem Schmelz, aber auch mit guter Säure und aromatischem Druck das 2006 Kirchspiel GG von Keller – WT93.

Der 2006 Morstein GG von Wittmann hatte durchaus Fülle und Kraft, wirkte aber aus dieser Flasche deutlich weiter als vor Jahresfrist bei der großen Morstein/Morstein Probe – WT93 (damals WT96).

2006 – Die Gegensätze der Wachau

Die Gegensätze der Wachau waren im Glas leider keine, denn beide Weine schienen eher Dachbodenfunde als gut gelagerte Weine zu sein. Der 2006 Im Weingebirge vom Nicolaihof hatte zwar noch Säure, aber keine Frucht mehr und wirkte ziemlich flach – WT89. Und der 2006 Unendlich von F.X. Pichler musste irgendwann misshandelt worden sein. Anders kann ich mir nicht erklären, warum dieser sonst so stramme und durchaus faszinierende 15% Bolide schon alt und über den Punkt wirkte.