Herrlich war´s
Wenn ein Abend so startet, dann muss er groß werden. Einfach ein Traum dieser 1982 Dom Perignon aus der Magnum, den ich als Apero ins Glas bekam. Noch so vital und lebendig mit voll intaktem Mousseux, cremig am Gaumen mit feinem Schmelz und wunderbarer Länge, einfach das volle "Verwöhnaroma", das man von einem großen, perfekt gereiften Champagner erträumt - WT97. Ich mag ja nicht zu den größten Champagnerfreaks dieser Erde gehören. Aber wenn große Jahrgangschampagner wie dieser hier ins Reifestadium kommen und eine weinige Komplexität entwickeln, dann bin ich voll dabei.
Eingeladen war ich zu einer festlichen Probe am Vierwaldstättersee bei einem guten Schweizer Weinfreund. Hier wurden wir an diesem Abend in illustrer, spannender Runde mit großen Bordeaux ausschließlich aus Magnums verwöhnt. Da kam dann in einer Zwölferrunde richtig was ins Glas. Doch das war nicht alles. Unser großzügiger Gastgeber hatte für diesen Abend André Jäger (Ex-Fischerzunft) engagiert, einen der wohl unbestritten größten Köche der Schweiz. Der zauberte für uns ein grandioses, in der Aromatik der einzelnen Gänge perfekt auf die Weine abgestimmtes Menü, wie ich es in dieser Harmonie zwischen Wein und Speisen selten erlebt habe.
Los ging es zum ersten Gang mit einem 1990 Yquem aus der Magnum. Der war erstaunlich offen mit tiefem, brilliantem Goldgelb und zeigte schon sehr viel. Süß die Nase mit Honig, englischer Orangenbittermarmelade und Crème Brulée, am Gaumen viel Druck und Kraft, die Süße durch eine gute Säure balanciert, wunderbare Länge, baute enorm im Glas aus – WT97+. Ein großer Yquem zum jetzt und in 50 Jahren trinken.
Gleich der erste Wein war für viele unter uns der Wein des Abends, ein 1990 Haut Brion aus der Magnum. Reif wirkte da nur die Farbe. Ein sehr mineralischer, dichter, sehr konzentrierter Wein mit der typischen Cigarbox-Nase, wirkt fast etwas verschwenderisch in der Aromatik, hat am Gaumen aber viel Struktur, Kraft, Rasse und Substanz. Mit seinem gewaltigen Potential bleibt er dem großen 89er des Gutes dicht auf den Fersen – WT99. Noch so blutjung im anderen Glas der 2000 Margaux aus der Magnum. Ein gewaltiges Konzentrat mit superber, betörender Frucht, mit viel Finesse, enormem, aromatischem Druck und sicher Mörderpotential. Nur Geduld ist bei so einer perfekten Magnum noch für einige Jahre angesagt. Dann kommt auch der Samthandschuh über die Eisenfaust – WT96+.
Tief ins Eingemachte ging es danach. Im zweiten Flight des Abends standen aus Magnums die Legenden 1947 Petrus und 1947 Lafleur gegeneinander. Für einige der Teilnehmer war dieser Flight der bisherige Höhepunkt ihres Weintrinkerlebens. Sehr reif mit viel Liebstöckel danach der 1961 Petrus aus der Magnum, der mit dem deutlich kräftigeren 1961 Latour-à-Pomerol nicht mit kam.
Richtig spannend wurde es für mich, da ich diese älteren Semester schon häufiger und vor allem anders und besser getrunken habe, mit dem nächsten Flight. Zwei absolute Jahrhundertweine standen hier aus Magnums gegeneinander, 1982 Lafite Rothschild und 1982 Mouton Rothschild. Schier unglaublich dieser Lafite, der bis vor wenigen Jahren komplett verschlossen und ehrlich gesagt auch enttäuschend war. Viele in der Weinwelt hatten ihn längst abgeschrieben. Und jetzt geht dieser Gigant auf die Überholspur in einer Art und Weise, die schlichtweg atemberaubend ist. So offen wie aus dieser Magnum hier hatte ich ihn noch nie im Glas. Bei aller Eleganz, Feinheit und Mineralität eines großen, stimmigen Lafite hatte der eine derart explosive, druckvolle Aromatik, war so ätherisch mit viel Minze und auch etwas Eukalyptus, da war ich blind bei Mouton. Und warum dann „nur“ WT99+ für diesen Riesen? Weil da noch mehr kommt, nächstes Jahr, in 5 Jahren und in den Jahrzehnten danach. Das wird für Jahrzehnte ein großer, perfekter Wein sein, der die meisten von uns locker überleben wird. Der Mouton im anderen Glas war so, wie ich den Lafite aus den letzten Jahren kenne. Blutjung, sehr verhalten, ein gewaltiges, sehr mineralisches Konzentrat, das sich nur zögerlich öffnete. Aber mit was für einer Substanz, was für einem Mörderpotential! Erst dachte ich, die Weine wären falsch herum eingeschenkt. Aber Thomas Kuntz, der den Sommelierpart an diesem Abend wieder meisterlich spielte, schenkte mir beide Weine noch mal aus den Originalflaschen ein. War jetzt der Lafite der größere Wein? Zu Anfang ja. Aber im Laufe des Abends holte der Mouton immens auf. Immer mehr kamen Cassis pur, Minze, Sattelleder, der Mouton-typische Bleistift und auch ein erster Hauch von Eukalyptus. Aus meinen anfänglichen WT97+ wurde schnell mehr. Ja, dieser 82er Mouton ist der legitime Nachfolger des legendären 1945 Mouton Rothschild. Moutons damaliger Kellermeister Raoul Blondin, der beide Weine vinifizierte, hatte schon recht, als er damals sagte, dass der junge 82er aus dem Fass so roch wie seinerzeit der 45er. Zukunft ohne Ende hat dieser Wein. Was wird es für ein Fest für die Sinne sein, diese Weine die nächsten 30 Jahre und auch noch länger miteinander zu vergleichen. So man denn hat, natürlich.
Und das wurde mir beim Genuss dieser flüssigen Pretiosen wieder deutlich klar. Wir sollten uns langsam von den Uraltweinen verabschieden. Nicht, dass etwa große 45er, 28er oder gar 1900er noch immensen Spaß machen können. Aber diese Weine sind kaum noch zu finden, wenn sie denn gut erhalten und auch noch echt sein sollen. Und die aufgerufenen Preise sind inzwischen schlichtweg absurd. „Smart Money“ investiert in die modernen Klassiker, die Bordeaux aus den Goldenen 80ern, die 1982 beginnen und 1990 mit einschließen. Das zeigte auch der nächste Flight noch einmal sehr deutlich.
In Bestform zeigte sich 1982 Margaux, der in dieser Form mit dem großen 83er des Gutes locker mithalten kann. Das war Margaux in Reinkultur, diese unnachahmliche Mischung aus Eleganz und Kraft, die klassische Eisenfaust im Samthandschuh – WT99. Überragend auch der 1982 Cheval Blanc aus dieser Magnum hier, ein Traum Cheval auf dem Weg zur Perfektion mit diesem einmaligen Cheval Blanc Parfüm. Wer den hat, braucht keinen 47er mehr – WT98+, die WT100 auch hier in Sicht. In seiner Jugend galt dieser Cheval ähnlich Lafite als Riese und bekam von Parker schnell die begehrten 100 Punkte. Anfang der Neunziger war dann dieser Traum ausgeträumt. Der Cheval verschloss sich rasch und machte immer weniger Spaß. Seit ein paar Jahren kommt er jetzt immer mehr aus seinem Schneckenhaus raus und knüpft an die grandiose, jugendliche Frühform an.
Gibt es ein schöneres Nightcap als diesen oberaffengeilen 2009 La Mondotte aus der Magnum von und mit Stephan Graf Neipperg? Gut 10 Jahre zu jung (nein weder der Stephan noch ich) , aber wenn wir diesen irren Stoff jetzt nicht schon mal antrinken, wann sonst? Was für eine Kombination aus verschwenderischer, kalifornisch anmutender Frucht und den präzisen Konturen und der Struktur eines großen Bordeaux – WT97+. Sweet Dreams were for sure. Und weil es so schön war, kam danach als endgültiger Schlusspunkt noch ein 1995 Canon-la-Gaffelière aus der Magnum ins Glas, perfekt gereift, sehr elegant und stimmig – WT93.
Kurz zusammengefasst: Herrlich war´s.