Tonis geile Weinsause

War das wieder ein geniales Weinfest, diese nachträgliche Geburtstagsverkostung von, bei und mit Antonios Askitis im D´Vine. Flippig, unkonventionell, laut, streckenweise chaotisch, aber einfach geil in spannender Runde, zu der jeder etwas im Stile einer Best Bottle beisteuerte.

Der bestens aufgelegte Toni, selbst gerade erst vom Griechenlandurlaub zurückgekehrt, begrüßte uns mit einem knackig frischen Champagner von Pol Roger aus der 6 Liter Methusalem.

Als ich eintraf, wurde schon im Stile einer Open Bar munter durcheinander verkostet. An Wein sollte es an diesem Nachmittag wahrlich nicht fehlen. Ich habe mich trotz toller Stimmung und spannender Gespräche bemüht, zumindest zu den wichtigsten Weinen ein paar Notizen zu machen. Was jetzt hier folgt, sind spontane Eindrücke und Momentaufnahmen ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Wie ein junger Non Vintage Pol Roger aus der Methusalem schmeckt (verdammt gut) muss ich hier wohl nicht näher beschreiben. Aber da gab es aus Tonis Geburtsjahr 1979 noch einen anderen, spannenden Champagner, den 1979 Pommery Brut Millesimé. Der zeigte nur in der tief goldenen Farbe Reife und war ansonsten noch so vital mit gutem Mousseux. Etwas schlanker in der Anmutung als Toni selbst (müssen wir beide dran arbeiten, lieber Toni), aber mit spannender Nase und sehr aromatischem Gaumen, reife Aprikose, Nougat, Toffee, Walnuss, Brioche und eine feine Bitternote im Abgang. Zeigte kein Alter und wirkte mit guter Säure noch so frisch und animierend – WT93.

Wir blieben in Tonis Geburtsjahr und kamen in seine Lieblingdestination, die Mosel. Schon deutlich besser hatte ich die 1979 Wehlener Sonnenuhr Auslese Goldkapsel von JJ Prüm im Glas, der ich im letzten Jahr sogar WT95 geben konnte. Aber aus dieser Flasche hier war sie sehr reif mit güldener Farbe und wirkte schon verdammt müde – WT87. Dagegen brillierte der immer noch so jung wirkende 1979 Graacher Himmelreich Kabinett JJ Prüm mit heller Farbe, frischer Frucht, geradezu unglaublicher Fülle und guter, balancierender Säure – WT93. Diese Flasche hatte bisher erst eine einzige Reise gemacht, nämlich an diesem Tag von der Mosel ins D´Vine.

Nicht aus Tonis Geburtsjahr, eher aus seiner Kindergartenzeit stammte eine 1983 Wiltinger Kupp Auslese vom Weingut Hubert Schmitz. Sehr reif die Farbe, in der Nase die ein oder andere, verhaltene Reifenote, aber am Gaumen ein feines, tolles Spiel, ein immer noch sehr animierender Riesling – WT90.

Aus der Doppelmagnum gab es das 2005 Kirchspiel GG von Keller, das mehrfach im Verlauf des Nachmittages/Abends die Runde machte. Die zunehmende Luft tat diesem Wein ausgesprochen gut. Beim ersten Schluck fand ich ihn etwas breit und reif wirkend. Doch das gab sich mit zunehmender Zeit und Luft. Das Kirchspiel legte immer mehr zu und wurde immer feiner, verspielter und finessiger. Da landete ich dann irgendwann wieder bei WT94.

Sehr spannend, vielleicht aber auch etwas unfair, der Vergleich von 2009 Halenberg GG von Emrich-Schönleber mit der 2009 Hermannshöhle GG von Dönnhoff. Beide Weine hatte ein edler Spender in der Magnum mitgebracht. Der Halenberg wirkte offen, reif, fruchtig mit feinem Schmelz und war wunderschön zu trinken – WT94. Aber die Hermannshöhle war einfach ein brillianter, mineralischer Riese, der mit sehr präziser Struktur, puristischer Frucht und toller Säure punktete – WT96. So gut hatte ich die 2009er Hermannshöhle noch nie im Glas. Kann eigentlich nur noch anders, aber nicht mehr besser werden.

Und doch fand die Hermannshöhle noch einen Gegner auf Augenhöhe. Daniel Kiowski, der von Bau zu Molitor die Seiten gewechselt hat, stellte blind einen weiteren Wein als 1tel dazu. Der wirkte furztrocken, sehr mineralisch, im positiven Sinne karg, war dabei so präsent, so dicht, so fordernd und zupackend. Ein hoch spannender Wein, diese mit nur 6g Restzucker für Molitor schon fast staubtrockene 2009 Bernkasteler Lay Auslese** - WT96. Da gab es von mir als kurzen Kommentar nur ein deutliches „haben wollen“.

Und dann ging es mit drei großen Molitor Weinen weiter. Aus der Doppelmagnum (=volle Gläser) gab es die 2010 Zeltinger Sonnenuhr Auslese** feinherb, einen fantastischen Wein mit enormer Kraft, Spannung, Länge und großartiger Struktur, der durch die massive 10er Säure trocken wirkte. Dürfte sich mindestens ein Jahrzehnt weiterentwicken und ausbauen – WT94+. Auf dem Punkt könnte jetzt die schlichtweg atemberaubende 2006 Graacher Domprobst Versteigerungs-Auslese*** feinherb sein, kräftiges Goldgelb, feine, komplexe Honignase, am Gaumen geradezu explosiv und sehr druckvoll, dabei sehr mineralisch mit irrer Länge – WT97. Da schnappt man nach jedem Schluck Luft, verdreht vor Glückseligkeit die Augen und sucht dann die Flasche, um noch einen Schluck dieses göttlichen Elixiers zu erhaschen. Chancenlos dagegen die schnell im Vergleich aus der D´Vine Karte georderte 2003 Graacher Domprobst Auslese*** feinherb. Bei aller unbestrittener Klasse blieb das im direkten Vergleich ein typischer, leicht zuckriger 2003er – WT94.

Damit landeten wir bei Bordeaux aus Tonis Geburtsjahr. In Bordeaux wurde damals die größte Ernte seit 1934 eingebracht. Masse ging noch vor Klasse. Und trotzdem gibt es dort, wo die Frucht die etwas harschen Tannine überlebt hat, einige sehr schöne Weine, die eher auf der eleganten, etwas leichtfüßigen Schiene sind. So dieser 1979 Calon Ségur, der trotz animalischer Nase und Kraft recht zugänglich wirkt mit leicht malziger Süße – WT90. Der 1979 Montrose wirkte leichter, eleganter in der Nase, war dafür aber deutlich kräftiger am Gaumen. Baute enorm im Glas aus und dürfte noch eine gute Zukunft haben – WT91. Ziemlich rabiat kam der kernige, etwas ruppige und immer noch von deutlichen Tanninen und Säure geprägte, rustikale 1979 La Lagune daher. Aber das kennen wir von La Lagune, einem richtigen Old School Bordeaux. Der braucht einfach noch ein Jahrzehnt, oder zwei – WT88+. Sehr stimmig und harmonisch zeigte sich der 1979 Pape Clement, ein feiner, eleganter Pessac, schlanker als die heutigen Boliden – WT92.

Und dann standen da auch noch zwei Bordeaux Magnums. Etwas ratlos machte mich wieder der 1986 Palmer, den ich in den letzten Jahren reifer, weiter und offener im Glas hatte. Aber wahrscheinlich hätte diese Magnum einfach nur ein paar Stunden Luft in der Karaffe sehen sollen. So zeigte er sich sehr kräftig, Zedernholz und Tabak statt Frucht, sehr tanninbetont und noch stückweit verschlossen, dabei leicht bitter – WT89+. Hätte ich lieber in 10 Jahren getrunken, denn Zukunft hat dieser Wein. Voll da, aber nicht in der Qualität großer Lynch Bages Jahrgänge zeigte sich der noch junge, aber sehr zugängliche 2003 Lynch Bages – WT92.

Blieb noch die Pinot-Abteilung. Wir starteten mit zwei 79ern. Gefällig und ganz nett, aber nicht sonderlich aufregend ohne viel Tiefgang der reife, schmeichelnde 1979 Pommard 1er Cru von Bouchard – WT90. In einer ganz anderen Liga spielte der 1979 Latricières Chambertin von Bichot. Ein großer, komplexer Burgunder mit superber Frucht, mit burgundischer Pracht und Fülle, elegant, finessig, mit viel Druck, aber auch feinem süßem Schmelz und sehr guter Länge – WT95.

Durchaus spannend war der 2012 Mayer Pinot Noir aus dem Yarra Valley in Australien. Das war klar neue Welt mit sehr süßer, offener Frucht, aber alles andere als simpel – WT91.