Bye Bye Rainer

Für ein paar Jahre nach China wollte sich der liebe Rainer verdrücken. Seitdem postet er auf Facebook nicht nur seine Eindrücke aus dem Reich der Mitte, sondern vor allem allerlei sonderbare Gerichte und Zutaten, bei denen sich mir armem Mitteleuropäer häufig der Magen umdreht. Was für ein Glück, dass er seine kleine Abschiedsprobe im Berens am Kai machte, und der Holger dazu extrem hochklassig, aber europäisch kochen durfte.

Mit zwei weißen Giganten ging es los. Sehr jung noch mit viel Potential der 2006 Montrachet von Bouchard. Straff und schlank mit intensiver, kalkiger Mineralität, ganz verhaltene Süße und dezente Mandelnote, da kommt noch mehr – WT94+. Erstaunlich jung wirkte auch noch der 2000 Riesling Unendlich von FX Pichler. Enorme Kraft und Statur besaß der, gute Säure, aber auch schöne Fülle. Sehr würzig mit reifer, gelber Frucht, viel Marille und feiner Kräuternote, Thymian deutlich schmeckbar, dazu kräftige Extraktsüße – WT96.

Zu Ehren eines Geburtstagskindes aus diesem Kreise (schade,. Dass heute nicht noch ein 45er und ein 47er Geburtstag hatten) kamen jetzt zwei 61er ins Glas. Von seiner besten Seite zeigte sich der hier immer noch frische 1961 Lynch Bages mit intensiver Minze und Tabak in der Nase, gute Säure und Struktur, schönes Spannungsbild, feiner Schmelz und gute Säure. Dürfte problemlos noch etliche Jahre weiter altern – WT96. Sehr reif und weich wirkte der 1961 Vieux Certan, den ich deutlich besser und weniger reif kenne, malzige Süße, Ovo Schok, baut am Gaumen etwas aus – WT94.

Ohne ernstzunehmenden Gegner konnten die beiden 86er brillieren, denn der sonst sicher unbezwingbare 1986 Mouton Rothschild hatte leider Kork. Mit dem hätte sich der 1986 Gruaud Larose ein Rennen um das straffere Tanningerüst leisten können. Ein immer noch sehr junger, strammer Brocken mit gewaltigen Tanninen, der einen sehr spannenden, aber etwas verhaltenen Ausblick auf das gibt, was da mal kommen könnte. Wenn die Frucht mitspielt, und der ebenfalls noch recht junge 1982 Gruaud nicht noch weiter zulegt, könnte das mal der beste Gruaud aller Zeiten werden – WT96+. Derzeit noch einen Tickdrüber aus der besten Flasche, die ich von diesem Wein je hatte der überraschend starke, noch sehr jung wirkende und tanningeprägte 1986 Dominus. Baute unglaublich im Glas aus, da kam immer mehr präzise, dunkle Frucht, Minze und auch etwas Eukalyptus. Einfach ein genialer Pauillac mit (noch dezenter) kalifornischer Frucht – WT97.

Mutig war Rainer beim nächsten Flight. Mörderpotential hat 1991 Heitz Martha´s Vineyard, der sich wie einige, andere Jahrgänge dieses Weines um die Nachfolge des legendären 74ers bewirbt. Genial die Nase, viel Minze, Cola, derzeit (noch) wenig Eukalyptus, strammes Tanningerüst, enormer Druck und Zukunft ohne Ende – WT97+. Klar könnte der, wenn er das Tempo durchhält, in 10 Jahren dem Wein im anderen Glas mal das Wasser reichen. Aber heute noch nicht, denn der 2000 Pavie zeigt sie nicht erst heute, diese Perfektion. Das ist einfach die Kraft und die Herrlichkeit. So ein Gigant mit einfach geiler, fast kalifornisch anmutender Frucht, mit genialer Struktur, unglaublichem, aromatischem Druck und ewiger Länge. Aber ein Bolide? Nein, dafür ist er bei aller Kraft und Konzentration zu stimmig und zeigt sogar eine Menge Eleganz – WT100.

Groß war 1996 in Bordeaux speziell im Medoc. Und von dort präsentierte uns Rainer jetzt drei formidable Weine. Unter Wert verkaufte sich wie schon häufiger in letzter Zeit der 1996 Leoville las Cases. Ein kräftiger, kerniger Wein mit dichter, dunkler Frucht, stabilem Tanningerüst und viel Druck, der aber längst nicht alles zeigt – WT96+. Ich kenne diesen Wein sehr gut aus der frühen Fruchphase, wo er sich mehrfach nahe der Perfektion zeigte. Da lass ich mal meine eigene OHK weiter zu und warte auf noch bessere Zeiten. Was dann kam, war ein Mouton mit der Struktur eines Latour. Ein gewaltiger Wein, dieser 1996 Mouton Rothschild, nicht so sexy, wie ich Mouton kenne, ohne die typische Röstaromatik, statt Cassis viel dunkle Frucht, tiefe Mineralität und unbändige Kraft – WT97. Ein beeindruckender wein. Ich bin gespannt was da mal draus wird. Sehr überrascht war ich von 1996 Pichon Baron, der nur durch eine Verwechslung statt der in 1996 großen Comtesse in diesen Flight gelangt war. Wie gut! Den hatte ich schon 8 Jahre nicht mehr im Glas, und in der Zwischenzeit hat sich wohl eine Menge getan. Jetzt vereinte er die Struktur eines großen Baron mit dem Charme und der hedonistischen Frucht einer großen Comtesse. Was für eine geniale Kombination, großartige Frucht, geniale Struktur und soviel Schmelz – WT97.

Als vorläufiger Abschluss kam dann noch einer meiner Lieblings-Moutons ins Glas, der 1983 Mouton Rothschild. Das ist einfach ein immer noch so jugendlich-frischer, erotischer Traum-Mouton, so sexy und charming mit wunderbarer Cassisfrucht, Leder, Minze und Bleistift, große Freude im Glas – WT97. Darauf folgte dann noch ein rassiger, komplexer, mineralischer, immer noch so frischer 1996 Billecart Salmon Grande Cuvée Brut – WT94.

Vorläufiger Abschluss deshalb, weil die kleine Herrenrunde dann zur dicken Zigarre noch einem Prümchen frönten. Da lag ich dann schon längst tief schlummernd ohne Rauchschwaden im Bett und träumte von Rainers Rückkehrprobe in ein paar Jahren. Zu der gibt es dann hoffentlich wieder Holgers grandiose Küche und nicht „Best of China“.