Giganten aus 1959 und 1961

Zwei gigantische Jahrgänge waren das in Bordeaux. Nicht mehr so leicht zu finden sind diese Weine, vom Preis wollen wir besser nicht reden. Da war es für echte Bordeaux-Freaks eigentlich eine Pflichtveranstaltung, was Elke Drescher da im Oktober 2017 auf der Farnsburg bot. Also gleich rein in meine Verkostungsnotizen.

Bringt das Unglück, wenn gleich der erste Wein der Probe hin ist? Manchmal schon, aber nicht bei der lieben Elke. Denn wenn andere Probenveranstalter einfach nur „Schade“ sagen, hat die Elke immer noch mindestens gleichwertigen Ersatz in der Hinterhand. Schlichtweg oxidiert war der 1959 Gruaud Larose, einfach hin. Wie passiert so etwas, auch bei guter Lagerung? Ein nicht, ganz dichter Kork, der über Jahrzehnte immer wieder winzige Mengen Luft hereinlässt, ist meist die Ursache. Trotzdem ist 1959 Gruaud Larose in guten Flaschen immer noch jede Suche wert. Ein gewisses Ausfallrisiko muss man halt bei älteren Weinen in Kauf nehmen. 1961 Gruaud Larose war ganz ok und voll intakt, aber auch nicht der Überflieger, den ich kenne. Hatte gute Struktur und auch noch Kraft, entwickelte sich sehr gut im Glas. Zum Schluss reichte es noch für WT95. 1959 Ducru Beaucaillou war mit der guten 59er Säure, die diesem Wein noch Frische verlieh, und feinem Schmelz typisch für den Jahrgang. Geht besser, aber auch deutlich schlechter – WT94. Ein Prachtstück war 1961 Ducru Beaucaillou, sehr fein und elegant, so finessig und seidig am Gaumen mit feinem, süßem Schmelz, dazu ohne Alterstöne – WT96.

Sehr stimmig und groß der 1959 Latour, dicht, kraftvoll, sehr lang am Gaumen und noch Potential für Jahrzehnte. Und warum habe ich Geizkragen dem nur WT99 gegeben? Weil daneben 1961 Latour stand, dieses unglaubliche, perfekte, unsterbliche Monument, die Essenz von Cabernet mit der typischen Walnuss-Aromatik – WT100. Diesen Wein noch mal in dieser einmaligen Form erleben zu dürfen, das war schon die ganze Reise wert. Passend dazu habe ich übrigens in der Farnsburg im Zimmer Latour gewohnt. Die Frage, wovon ich dann in der Nacht geträumt habe, dürfte sich wohl erübrigen. Völlig daneben leider 1959 Mouton Rothschild, der so unglaublich groß sein kann. Stattdessen fügte Elke einen 1959 Clos l´Eglise ein, der sich noch frisch mit feiner Opulenz zeigte – WT95. Die Ehre des Namens rettete 1961 Mouton Rothschild, der sich hier auf höchstem Niveau einfach sexy und genial mit wunderbarer Frucht und Süße zeigte – WT99.

1959 Palmer zeigte sich von seiner besten Seite. Aus meiner bisher wohl besten Flasche dieses Weines war das Eleganz pur mit deutlicher, burgundischer Pracht und Fülle und feinem Schmelz. Kein Blockbuster, eher der große, filigrane Finessenmeister, einfach nur schön – WT98. Kaputt leider 1961 Palmer. Immer noch sehr schön zu trinken, aber schon erstaunlich reif der 1959 Margaux, bei dem sich selbst die sonst noch so präsente 59er Säure weitgehend verdrückt hatte – WT94.

Heftig dann dieser 1959 Figeac aus der Chateau-Abfüllung. Ja, da gibt es auch grandiose Flaschen von, insbesondere die R&U Abfüllung für die Schaffermahlzeit. Aber das hier war mal wieder grenzwertig, speziell die Nase. Lakritz in der voll geschissenen Windel, 6 Wochen getragene Wandersocken, fürchterlich. Vielleicht wäre es mit Wäscheklammer auf der Nase gegangen, denn am Gaumen war dieser Figeac besser, sehr kräftig, lakritzig mit viel Säure. Muss ich das mögen? Nein, sicher nicht. Als „ohne Nase Bewertung“ könnte man da vielleicht noch WT90 dran schreiben, aber das macht keinen Sinn. Völlig anders und deutlich besser der 1961 Figeac. Auch das jetzt nicht gerade ein Schmusewein, aber ein toller Charakterstoff mit enormer Kraft, Struktur und Rückgrat, kräuterig, lakritzig mit guter Säure und Frische – WT95. Aber Figeac hatte es in diesem Flight ohnehin nicht leicht. Gegen La Mission antreten zu müssen, das ist Höchststrafe. Beide La Missions waren wie vom anderen Stern. 1959 La Mission hatte mit altersfreier Farbe eine traumhafte, klassische Pessac Nase mit Cigarbox pur, dazu sehr feine Frucht, war so elegant und einfach stimmig – WT99. Und dieser atemberaubende, deutlich druckvollere 1961 La Mission hatte von allem einfach noch mal unfassbar mehr. Was für ein Bolide! So kraftvoll, dicht und lang mit geradezu explosiver Aromatik, natürlich mit Teer, Tabak und Cigarbox, aber auch sehr minzig und mit Eukalyptus, einfach ein immer noch so jung wirkender, perfekter Wahnsinnswein – WT100.

Perfektion kann auch der 1959 l´Eglise Clinet in der Barrière-Abfüllung. Hier war es jetzt leider die leicht oxidative Nase, die den Gesamteindruck etwas trübte. Am Gaumen war das wieder ein Pomerol Powerhouse mit irrer Kraft und Druck, immer noch mit guter Frucht und Tanninen für lange Zeit – WT96. Sehr schön präsentierte sich danach auch 1959 Cheval Blanc, von dem ich schon die unterschiedlichsten Flaschen hatte. Das hier war ein sublimer, hoch eleganter, feinduftiger, perfekt balancierter Cheval Blanc mit süßer Frucht, komplex und lang am Gaumen – WT97. Und dann setzte Elke mit dem eigentlich nicht vorgesehenen 1961 Cheval Blanc einen gewaltigen, sehr markanten Schlusspunkt. Das war schlichtweg irre, was da ins Glas kam. Blind hätte man das glatt für einen perfekt (an)gereiften 2000er halten können. Superdichte, jung wirkende Farbe, schon in der schlichtweg irren Nase mit diesem einmaligen Cheval Blanc Parfüm kommt unendliche, cremige Fülle, die sich dann am Gaumen verschwenderisch mit grandioser Länge fortsetzt. Da gibt es nur eine, mögliche Bewertung: WT100.

Als süßer Abschluss brachte dann der Hausherr der Farnsburg, Jürg Richter, noch zwei reife Sauternes. 1959 de Fargues war reif und weich mit cremiger Fülle – WT93. 1961 de Fargues war leichter, feiner, frischer mit Kumquats und Crème Brulée – WT92.