Grosse 47er Probe

Zu einer gigantischen Weinprobe hatte Robert Langer in den Königshof eingeladen. Für eine große 47er Probe hatte er über 30 Flaschen dieses legendären Jahrgangs aufgeboten. Der meisterliche Sommelier Stéphane Thuriot, die großartige Küche von Martin Fauster und der perfekte Service der Königshof-Crew schufen einen wunderbaren Rahmen für eine Probe, die sich in dieser Form wohl kaum wiederholen lässt.

1947 war ein sehr heißes Jahr, dem Jahrgang 2003 nicht unähnlich. Die Trauben kochten teilweise förmlich an den Stöcken. Doch wer es konnte, produzierte große Weine. Vor allem galt das für die Weine des rechten Ufers, St. Emilion und Pomerol. Blieb die Frage, ob solche Weine, die sich durch üppige, hedonistische Frucht, reife Tannine und weiche Säure auszeichneten, überhaupt altern können. So galt die Legende 1947 Cheval Blanc, dessen Gärung man damals nur durch Trockeneis in den Griff bekam, schon 1953 als fantastischer, aber voll reifer Wein mit wenig Zukunft. Hätte irgendjemand damals darauf gewettet, dass solch ein Wein im Alter von 70 Jahren noch trinkbar wäre? Wohl kaum.

Als einziger nicht 47er erwartete uns zum Empfang ein 1990 Krug Vintage. Ein großer, reifer, enorm tiefgründiger und komplexer, sehr weiniger Champagner – WT97. Doch da war noch eine andere Überraschung. Ein 1947 Pol Roger Cuvée de Réserve, 1981 degorgiert und am 29.Juli 1991 zur Hochzeit von Lady Diana Spencer und dem Prince of Wales gereicht. Der hatte zwar nicht die Klasse des Krug, zeigte aber noch ein erstaunliches Standvermögen. Vor allem war das „Drinking History“. Abermillionen Menschen hatten damals dieses Royal Wedding am Bildschirm verfolgt. Wir waren jetzt nachträglich quasi live dabei. Weiß der Geier, wo der Robert diese ultrarare Flasche aufgetrieben hat. Das war in jedem Fall ein einmaliges Highlight.

Mit fünf Burgundern starteten wir in die eigentliche Probe. Mit verschwenderischer, wunderbarer Süße zeigte sich der 1947 Chambolle Musigny Les Amoureuses von Faiveley. Ein eleganter, aber auch immer noch druckvoller Wein, dessen gute Säure noch eine längere Zukunft verspricht – WT96. Sehr schwierig zu Anfang der 1947 Richebourg von Marey-Liger, den man mit dieser seltsamen Mischung aus jugendlicher Kohlensäure und Oxidation im Restaurant wohl zurückgegeben hätte. Aber mit der Zeit geschah im Glas noch ein richtiges Wunder. Der Richebourg verwandelte sich total, wurde druckvoller, würziger, stimmiger und aus WT88 wurden sicher WT94. Zumindest bei denen, die das Glas nicht vorschnell geleert oder weggestellt hatten. Ein Monument der 1947 La Romanée von Liger-Belair, so elegant, fast filigran, ein großer Burgunder in totaler Balance und Harmonie, der förmlich am Gaumen schwebte – WT97. Noch so jung und kräftig die Farbe des 1947 Musigny Vieilles Vignes von Comte de Vogue, die leicht muffige Nase trübte etwas das Gesamtbild, aber am Gaumen überzeugte dieser Musigny mit großartiger Fülle, gepuffert mit guter Säure – WT95. Eher wie ein Leichtgewicht erschien zu Anfang mit heller Farbe der filigrane, aber betörende 1947 La Tache von Romanée Conti mit feiner Würze, aber auch hoher Säure – WT94.

Schwierig im ersten Bordeaux-Flight der 1947 Gruaud Larose aus einer Händlerabfüllung, oxodativ und dazu noch mit Kork, keine gute Mischung. Die sehr dichte, schon fast schwarze Farbe zeigte auch beim 1947 Léoville Poyferré, dass dieser Wein stückweit oxidiert war, sehr konzentriert, irre Säure, ging Richtung alter Balsamico und als solcher zeigte er noch eine gewisse Faszination. Ich habe ihn ausgetrunken – WT88. Wunderschön der sehr elegante, reife 1947 Calon Ségur mit generöser Süße, guter Säure und burgundischen Konturen – WT93. Straff und stramm der noch so jung erscheinende, heftige 1947 Montrose mit gutem Tannin- und Säuregerüst, der sicher noch längere Jahre vor sich hat – WT94. Weit über den Punkt der sehr reife, auch schon stückweit oxidierte 1947 Pontet Canet – WT86. 1947 war von ein paar sehr schönen Ausnahmen abgesehen halt im Medoc nicht das größte Jahr.

Deutlich besser sah es in Pessac aus. Mit enormer Kraft, Druck und Fülle beeindruckte der 1947 La Tour Haut Brion, der noch jung, aber auch etwas burschikos und hart wirkte – WT95. Ziemlich harmlos und leicht säuerlich zeigte sich der 1947 Haut Brion, der sicher besser geht – WT91. 1947 La Mission Haut Brion in einer Chateau-Abfüllung war leider mit dichter Farbe ziemlich oxidiert. Dafür brillierte der 1947 La Mission Haut Brion in einer Vandermeulen-Abfüllung um so mehr, der mit generöser Süße einfach nur wunderschön war – WT98. 1947 Marques de Riscal Reserva als Pirat in diesem Flight hatte eine sehr feine, fruchtbetonte Nase und wirkte am Gaumen eher schlank mit feiner Süße und guter, stützender Säure – WT92.

Ein Wort zwischendrin zum leidigen Thema Oxidation älterer Weine. Kork kann man leider von außen bei einem Wein nicht erkennen, Oxidation schon. Eine dichte, ins Schwarze gehende Farbe ist kein Qualitätsmerkmal, sondern ein klares Warnsignal. Einfaches Rezept: eine starke Taschenlampe hinter die Flasche halten. Sehen Sie zumindest noch einen roten Kern, sollten Sie weitgehend auf der sicheren Seite sein. Sehen Sie nichts, ist der Wein mit hoher Wahrscheinlichkeit oxidiert. Also unbedingt bei alten Flaschen vorher nachfragen, leider auch bei Auktionshäusern. Nicht alle sind so vorbildlich wie die Munich Wine Company, bei der stets die Farbe eines älteren Weines beschrieben wird..

1947 Latour Schier unglaublich dieser 1947 Mouton Rothschild aus der Magnum. Vor 10 Jahren hatte ich den das letzte Mal im Glas. Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, dass ich diesem Traumstoff noch mal begegnen würde, noch dazu in einer perfekten, absolut außerirdisch guten Magnum. Wie kann ein 70jähriger Wein noch so sexy wirken? Das kann nur Mouton, und das hier war einfach Mouton in Perfektion. So frisch, so minzig, altes Sattelleder, immer noch wunderbare Cassis Frucht, sehr kraftvoll und doch so balanciert – WT100. Überreife, pflaumige Frucht hat der 1947 Palmer aus der Magnum in der Nase, wirkt auch am Gaumen so süß, so dekadent, einfach schön – WT96. War der 1947 Margaux aus der in den 80ern neu verkorkten Chateauabfüllung korkig? René Gabriel sah das so. Für mich war dieser Wein einwandfrei mit guter Frucht, Süße, Eleganz und schöner Länge – WT96. Da legte die 1947 Margaux Vandermeulen-Abfüllung noch mal deutlich eins drauf, obwohl sie in Farbe und Anmutung deutlich reifer war als meine Flaschen mit verschwenderischer Süße, aber nicht überladen, sondern mit der Margaux-typischen, feinduftigen Eleganz – WT98.

Nicht viel los mit 1947 Vieux Chateau Certan aus einer undefinierbaren Händlerabfüllung, den ich in der Chateau-Abfüllung schon oft als strahlenden 100-Punkte-Star im Glas hatte. Muffig-stinkig die Nase, der Gaumen nicht viel besser, keine Bewertung. Bei 1947 Trotanoy aus einer belgischen Abfüllung von Lafite in Brüssel störte die kaputte Pilznase, am Gaumen war der noch sehr kräftig und maskulin, eher Pauillac als Pomerol – WT95. An den Weihnachtsmann musste glauben, wer den 1947 Lafleur Vandermeulen für echt halten wollte. Sehr süß, fast überzogen, aber die Struktur stimmte nicht, schmeckte verdammt gut, aber an der Lafleur-Mischung muss der Abfüller noch üben. Probleme hatte ich auch mit der 1947 Petrus Vandermeulen. Das war ein durchaus feiner, eleganter Wein mit schöner Süße, hatte aber mit Petrus auch als Vandermeulen nichts zu tun. Was dann als 1947 Petrus Chateauabfüllung ins Glas kam, war ein unglaublich dichtes, sehr jung wirkendes Konzentrat mit pfaumiger Frucht, dunklen Trüffeln und noch fast unbändiger Kraft. Kann ich so ebenfalls nicht nachvollziehen.

Schlichtweg sensationell der allerletzte Flight. In irgendeinem der Gabriel-Bücher gab es vor längerer Zeit mal eine Verkostungsnotiz von 1947 Cheval Blanc aus vier verschiedenen Abfüllung. Die hatte unser Gastgeber wohl nachgestellt und noch um eine perfekte Magnum aus Chateau-Beständen ergänzt. Der 1947 Cheval Blanc belgische Abfüllung aus von Calvet gelieferten Fässern war ein sehr feiner, schlanker, rotbeeriger Wein mit schöner Süße –WT96. Absolut genial der 1947 Cheval Blanc in der Vandermeulen-Abfüllung. Wärend viele der Vandermeulen-Chevals aus 47 schon etwas müde wirken, war das hier eine großartige Flasche, so frisch mit tänzelnder Eleganz – WT99. Nichts los mehr leider mit einer 1947 Cheval Blanc von Nicolas. Sehr schwer tue ich mich mit der Benotung der beiden anderen Flaschen. Warum? Absolut perfekt und authentisch war die 1947 Cheval Blanc Chateauabfüllung. Wer diesen Wein einmal im Glas hatte, vergisst ihn nie wieder. Dieses einmalige Cheval Blanc Parfüm, diese verschwenderische Fülle mit dezent portigen Noten, diese betörende Eleganz, diese unglaubliche Länge, und das alles perfekt gereift und doch noch geradezu jugendlich frisch und jugendlich wirkend. Da tanzt eine so anmutige 70jährige perfekt beim Wiener Obernball im Reigen der Debütantinnen und keiner merkt es. Die Legende lebt! Klar waren das eindeutige WT100 für eines dieser ganz großen einmaligen Erlebnisse im Leben eines Weintrinkers. Und dann kommt dieser Wein noch mal als eine schlichtweg überirdische Magnum, die noch etwas jünger wirkt und von allem noch etwas mehr hat. Perfektion++ und natürlich WT100. Und natürlich gab es aus der Magnum doppelt so viel ins Glas, weil am Tisch schon einige schwächelten, oder war es dreimal so viel? Einfach einmalig.

Eigentlich hätten wir jetzt auf dieser Wolke ins Reich der Träume schweben müssen, aber unser Gastgeber hatte noch einen süßen Schluss-Akkord vorgesehen. Noch so jung der altgoldene 1947 d´Yquem mit schon fast verhaltener, feiner Süße, Kumquats, Orangenlikör und Orangenbittermarmelade – WT96. Dicht, oxidativ und rosinig der ziemlich süße 1947 Suduiraud – WT94. Schöne Süße zeigte auch der sehr elegant und eher schlank wirkende 1947 Vouvray Le Haut Lieu Moelleux von Huet mit feiner Trockenfrucht, der hier nicht so richtig reinpasste – WT95.

Fazit dieser Probe: der liebe Robert ist ein sensationeller, sehr generöser Gastgeber, der seine intimen Weinkenntnisse perfekt in eine große Probe umgesetzt hat. Mit ihm würde ich gerne diese Probe noch mal in verkürzter Form machen, die Magnums 47 Cheval und Mouton und nur wir zwei, das wär’ s.

Was die Weine angeht, so zeigen die besten und vor allem auch bestens gelagerten 47er keinerlei Ermüdungserscheinungen und brillieren immer noch. Das werden sie wohl auch noch in 10 Jahren tun. Wer die aus bester Hand – der berühmte Keller des Opas, der damals gekauft, und perfekt gelagert hat, und dessen erben gerne Kasse machen wollen – noch kaufen kann, dem sei das fast bedenkenlos angeraten. Gewarnt wird vor Auktions- und Ebay Schnäppchen mit ungewisser Herkunft, vor Wanderpokalen mit mehreren Vorbesitzern, vor den inzwischen zahllosen Fälschungen und überhaupt vor allen Flaschen mit nicht eindeutig belegbarer Herkunft.