Grosse Aussicht - Grosse Weine

Zu einer feinen Probe hatte ein lieber Weinfeund, der selbst aus dem grandiosen 47er Jahrgang stammt, im Mai 2017 an den Vierwaldstättersee eingeladen. Was da auf dieser einmaligen Probe geboten wurde, konnte locker mit der genialen Bergkulisse mithalten.

Spektakulär nicht nur der Blick von der hoch gelegenen Terrasse über den See und die Berge, sondern auch der Apero. Ja, ich durfte 2015 einer großen Clos du Mesnil Probe mit allen Jahrgängen beiwohnen. Aber wann bekommt man solch edles Zeugs mal in gut gefülle (und mehrfach nachgefüllte) Gläser. Da schwebte ich schon auf einer Wolke der Glückseligkeit, bevor diese Probe überhaupt angefangen hatte. Der 1981KrugClos du Mesnil zeigte sich deutlich reifer mit weniger Mousseux und tieferer Farbe als 2015, war aber sehr komplex und tiefgründig, sollte wohl aus nicht absolut perfekt gelagerten Flaschen bald getrunken werden, wozu ich gerne und heftig beigetragen habe – WT94. Deutlich frischer in Farbe und Anmutung mit immer noch kräftigem Mousseux der 1982 Krug Clos du Mesnil, der enorm im Glas zulegte. Traumhafte Nase mit viel Toffee und bretonischen Salzkaramellen, auch am Gaumen so komplex mit Tiefgang und enormer Länge. So ein richtiger Champagner für Rotweintrinker – WT97.

Einen Le Montrachet trinken zu dürfen, ist immer ein Highlight. Aber gleich drei von der Sorte, das machte schon sprachlos. Zum ersten Gang unseres, von einer Schweizer Kochlegende persönlich zubereiteten Menüs, kam nicht der der ebenfalls legendäre 1947 Montrachet von Vandermeulen ins Glas. Der zeigte sich glockenklar mit enormer Kraft, feinem Karamell und dezenter Bitternot ohne jede Form von Oxidation mit beachtlicher Länge am Gaumen – WT97. Der 1998Montrachet der Domaine Leflaive war 2017 ein gut (an)gereifter, kräftiger und sehr druckvoller Riese, der nur durch leichten Kork getrübt wurde – WT96+. Sicher ein Wein mit enormem Potential, der noch zulegen wird, und bei dem das Premox Problem nicht zu befürchten ist. Der Montrachet von DRC war 2017 ein großer, kompletter Burgunder mit intensiver Mineralität, göttlichem Schmelz und traumhafter Länge, aber auch betörender Eleganz und Finesse, könnte auf extrem hohem Niveau sogar noch zulegen – WT98.

1959 Angelus gab es aus einer nicht näher zuordnen baren Händlerabfüllung. Das war einer dieser klassischen, großen Weine, von denen sich belgische Familien damals jedes Jahr „ihr Fass“ kauften und bei einem Händler ihres Vertrauens ausbauen und abfüllen ließen. Klar erkennbar auf dem Etikett am Zusatz „Mise en Bouteille par l´Acheteur“. Einer der besten 59er Angelus, die ich je im Glas hatte, würzig, kräftig, entwickelte erste, schöne Süße – WT95. Auch der 1959 l´Evangile war eine Händlerabfüllung. Sehr fein, elegant, finessig mit burgundischem Spiel und generöser Süße, reif aber nicht alt – WT95. Der 1959 Ducru Beaucaillou war eine Abfüllung des Bordelaiser Handelshauses Barrière. Diese Barrière-Abfüllungen sind sehr zuverlässig und ich ziehe sie in dieser Periode oft den Chateauabfüllungen vor. So war auch dieser Wein ohne die so oft störende, 59er Säure mit wunderbarer Frucht und tiefer Farbe geradezu jugendlich mit enormer Kraft und Länge, dabei so stimmig und elegant mit erster, feiner Süße – WT97. In dieser Form jede Suche wert und mit Potential für noch lange Jahre.

Etwas spröde wirkte der 1961 Montrose in einer Barrière-Abfüllung mit guter Säure, sehr fruchtbetont, schlank, mineralisch und mit viel Bleistift – WT92+. So blöde sich das anhört, aber diese Flasche war wohl noch zu jung. Ich habe den Montrose, bei dem die Hoffnung ja immer zuletzt stirbt, inzwischen aus reiferen Barrière-Flaschen mit bis zu WT95 deutlich offener im Glas gehabt. Generös die Nase des 1961 Cos d´Estournel in einer Abfüllung des belgischen Handelshauses Lafite mit malziger Süße, schlank erst der Gaumen, doch der Cos baute aus entwickelte sehr schöne Fülle und feinen Schmelz – WT95. Geradezu ungestüm war noch der 1961 l´Eglise Clinet in einer Barrière-Abfüllung, der in der Nase an einen großen La Mission mit viel Tabak erinnerte und am Gaumen sich wild und druckvoll mit schöner Süße präsentierte, ein Power-Pomerol allererster Güte mit großer Zukunft – WT97. Hatte ich noch nie in dieser grandiosen Barrière-Abfüllung, die ab sofort auf meiner Suchliste steht.

Mit 1947 Lafleur in einer „Weihnachtsmannabfüllung“ meine ich hier nur, dass man schon fest daran glauben muss. Nicht nur das neue Etikett war auf alt getrimmt. Auch der sehr schön zu trinkende, frische, sehr junge und fruchtige wein hatte weder etwas mit Lafleur noch mit 1947 zu tun, in der Kombination schon überhaupt nicht. Authentisch, aber oxidiert und hin leider 1947 La Conseillante in einer Händlerabfüllung. Das war sehr schade, denn Conseillante gehört zu den absoluten Top-Weinen des Jahrgangs. 1947 Figeac gehört nicht zu den besten Weinen des Jahrgangs, zeigte sich aber hier in einer französischen Händlerabfüllung zwar etwas rustikal, aber auch noch vital und mit guter Säure schön trinkbar – WT92.

Drei Cheval-Abfüllungen danach trugen jeweils den Zusatz Fourcaud-Laussac, Negociant à Libourne. Derartige Flaschen tauchen häufig auf und sind schwierig zuzuordnen. Die damaligen Besitzer von Cheval Blanc, die Familie Fourcaud-Laussac, besaßen auch ein eigenes Handelshaus über das unter anderem auch Cheval Blanc fassweise verkauft wurde. Der jeweile Händler bzw. Abfüller erhielt dann diese Etiketten, die natürlich keinen Aufschluss darüber gaben, wer diesen Wein wann und wie abgefüllt hat. So sind die oft sehr unterschiedlichen Qualitäten dieser Flaschen zu erklären. Damals war das nicht wichtig, den große Bordeaux und auch Cheval Blanc waren kein Wertgegenstand. Heute, wo zusätzlich noch diese Flaschen, die meist keinen Korkbrand hatten, zusätzlich noch Fälscher anlocken, sieht das anders aus. Ich persönlich würde solche Flaschen nur noch dort kaufen, wo sie nachgewiesen aus dem Keller des damaligen Erstkäufers stammen.

So waren denn auch diese Flaschen hier leicht unterschiedlich. Absolut authentisch, groß und über jeden Zweifel erhaben der 1948 Cheval Blanc. Generöse, leicht süße Nase, gut gereift aber ohne Alterstöne mit guter Säure und Statur, gelungener Spagat aus Kraft, Eleganz und Schmelz – WT97. Beim 1949 Cheval Blanc störte mich neben Kraft, Fülle und Süße ein spürbarer Vanilleton, der nicht in einen wein dieses Alters passt. Auch beim 1950 Cheval Blanc, der sich verdammt gut trank, störte mich diese verdammt jugendliche Fruchtigkeit.

Und damit waren wir bei einem der Höhepunkte dieser Probe, einem Mörderflight, der nahtlos an den großartigen Montrachet-Einstieg anknüpfte. Ein großartiges Monument mit Wahnsinns-Zukunft war mal wieder dieser unglaubliche 1989 Haut Brion mit seiner explosiven Aromatik. Ein dichter, komplexer Powerstoff mit Tabak, Leder, Teer, Cigarbox, dunklen Früchte, sehr mineralisch mit süßem Schmelz, sehr langem Abgang. Nach einigen Jahren, in denen er sich leicht verschlossen hatte, ist dieser Gigant wieder voll da – WT100. Etwas wilder, aber auch unfertiger und derzeit noch etwas verschlossen zeigte sich sein aromatischer Zwilling, der 1989 La Mission Haut Brion – WT99+. Beide hatte ich seit der jugendlichen Fruchtphase schon so oft gegeneinander im Glas. Mal lag der eine vorn, mal der andere. Der Faszination dieser beiden, modernen Legenden kann man sich einfach nicht entziehen. Wohl dem, der damals in der Subskription gut zugeschlagen hat, denn heute sind beide schon verdammt teuer, aber immer noch jeden Penny wert. Und was mach Smart Money? Setzt auf den dritten im Bunde. Der hedonistische 1989 Lynch Bages, der sich prächtig entwickelt hat und ebenfalls mit großartiger Struktur und gutem Tanningerüst noch eine lange Zukunft hat, konnte praktisch voll mithalten – WT99.

Süßer Abschluss der Probe ein überaus gelungener 1947 Lafaurie-Peraguey, der stets zu den feineren, eleganteren Sauternes gehört. So auch hier, denn süß muss längst nicht dick oder klebrig heißen. Feinster, süßer Schmelz, Orangenzesten, Toffee, Crème Brulée, gute Säure, aber auch sehr balanciert mit betörender Eleganz und immer noch Frische waren eine geniale Mischung, mit denen so ein Sauternes einfach Spaß macht – WT96.

Und ein fantastische Betthupferl gab es on Top zum Schluss auch noch, den großartigen 1990 Pichon Baron. Der zeigte als Baron pur mit superber Frucht, großartiger Struktur und unbändiger Kraft. Ein perfektes Tanningerüst garantiert ein noch sehr langes Leben – WT97.

Inzwischen war es draußen natürlich dunkel. Statt Aussicht kam jetzt bei mir die Einsicht: hier muss/möchte ich wieder hin.