Lucky "7"- Weinreise durch die 7er Jahre
Die „7“ als Endziffer war das Thema meiner diesjährigen Raritätenprobe. Und die „7“ scheint eine echte Glückszahl zu sein, denn wir hatten unverschämtes Flaschenglück. Frisch und fröhlich ging es auf der Terrasse des Landhaus Mönchenwerth los mit der 2007 Wehlener Sonnenuhr Spätlese von JJ Prüm, die inzwischen deutlich zugelegt hat – WT94. Da gab es nicht nur eine Flasche von, sondern eine ganze Batterie. Und wenn man die Geschwindigkeit, mit der Oliver Speh, der uns als Maitre de Plaisir wieder hervorragend betreute, die Gläser nachfüllen musste, in Punkte umsetzte, käme da noch deutlich mehr raus.
Wie alt darf eigentlich Champagner werden? Die Grenzen dafür werden eigentlich nur durch die Qualität des Champagners selbst und durch die Lagerung gesetzt. Mehr noch als Wein reagiert Champagner sehr empfindlich auf zu hohe Temperaturen und Temperaturschwankungen. Mein Freund Jörg Müller auf Sylt hat einen separaten Champagnerkeller mit kontinuierlich 6 Grad. Ich komme da mit meinen 10 Grad nicht mit, aber immerhin. Der 1937 Pomery & Greno Brut war 1996 samt Zwillingsflasche bei mir eingezogen. Die hatte 1997 noch eine unglaubliche Vitalität und Frische gezeigt. Jetzt 20 Jahre später und inzwischen 80jährig ging der Pommery eher Richtung Stillwein, wobei am Gaumen noch ein deutliches Prickeln zu spüren war. Er präsentierte sich reif, aber nicht gebrechlich mit schöner Bitterorangennote am Gaumen und guter Länge – WT94. Absolut grandios der 1947 Moet & Chandon Brut Imperial Rosé, bei dem die reife Farbe über die unglaubliche Vitalität hinwegtäuschte. Auch hier war nur noch leichtes Kribbeln spürbar, aber da war noch deutliche, rotbeerige Frucht, wunderbare Fülle und gute Mineralität. Blieb am Gaumen lange haften und war am Tisch ein echter Publikumsliebling – WT97.
Während man heute schon nach 5 Jahren Angst haben muss, dass die Weißen Burgunderschätze von der Premox-Seuche dahin gerafft werden, konnten diese Weine früher sehr gut altern und reifen. Eindruckvoll zeigte das der wiederum 80jährige 1937 Montrachet von Moillard-Grivot. Immer noch brilliant die schon ins Güldene gehende Farbe, noch soviel Kraft und Länge, dabei sehr trocken, nussig und mit guter Mineralität – WT94. Dramatisch jünger wirkte der 1947 Meursault Charmes in der Vandermeulen-Abfüllung, der im Glas immer mehr zulegte. Helle, sehr klare Farbe, noch so vital mit der der Würze eines großen Meursault, gute Säure und feiner Schmelz. Einfach ein großer Weißer Burgunder – WT97.
Jörg Müller hatte aus Sylt wieder traditionell seine geniale Gänseleber mitgebracht. Da mussten natürlich zwei schöne Süßweine zu, wobei sich hier natürlich das große deutsche Süßweinjahr 1937 anbot. Die 1937 Berncasteler Docor und Graben feinste Beerenauslese Nr. 24 von Thanisch war mit relativ heller, junger Farbe noch so frisch, so elegant und finessig mit feinstem Spiel. Die Süße war allerfeinster, nicht klebender Honig. Einfach ein unglaublich stimmiger Süßweinriese in totaler Harmonie mit großartiger Struktur. Da bleiben nur WT100. Dunkler die Farbe der etwas fülliger wirkenden 1937 Niersteiner Pettenthal Beerenauslese von Franz Schmitt mit schöner Süße. Die hatte natürlich nicht diese unendliche Filigranität und Eleganz, wie es sie nur an der Mosel gibt. Dafür aber die intensive Mineralität des Roten Hangs, dazu enormen Druck am Gaumen und gewaltige Länge. Ein großer Süßwein, der es verdient hätte, als Solist zu brillieren – WT97.
Als Grausames Bordeauxjahr galt 1927, nicht besser war es in Burgund.
Und doch gibt es in solchen Jahren noch Ausnahmen. Der 1927 Lanessan zeigte sich als klassischer, gut gereifter Medoc mit guter Struktur und Länge, für 90 Jahre und den Jahrgang schlichtweg sensationell – WT92. Alte Lanessans sind einfach eine Bank.
Damit kamen wir zu den Senioren der Probe. Der 1887 Lafite Rothschild war ein sehr reifer, fast etwas fragiler, gut gereifter, eleganter Wein, stand einwandfrei im Glas und baute sogar aus, so fein, elegant und nobel mit guter Mineralität, wie man sich einen 130jährigen Lafite nur wünschen kann – WT93. Den 1887 Branaire hatte ich 1994 auf einer Probe bei Jürgen Drawert in Berlin entdeckt, wo er so vielversprechend ins Glas kam, und dann leider einen bösen Kork entwickelte. Da habe ich sofort die Zwillingsflasche erworben, die seitdem in meinem Keller auf ihren Einsatz wartete. Jetzt war es soweit. Schier unglaublich in Farbe, Frucht und Statur, ging locker als großer wein aus den 60ern oder 70ern durch, so kraftvoll und lang – WT97. Da muss es sich wohl noch um alte, wurzelechte Reben gehandelt haben.
Weiter ging es mit den „jugendlichen“ 100jährigen. Der 1917 Latour war ein klassischer, mineralischer Latour mit kräuteriger Herbe und der typischen Walnussaromatik, aber auch mit erster, feiner Süße, noch sehr kräftig mit guter Länge – WT96. 1917 Mouton Rothschild zeigte trotz Kork, der aber geringer wurde, eine irre Struktur, Substanz und stabile Säure, dazu mit der Zeit immer mehr Eukalyptus und Minze. 2015 war das mit WT97 einer der Stars unserer Mouton Vertikale gewesen. In guten Flaschen sicher noch eine Suche wert.
Gut vier Stunden hatte der 1947 Conseillante Vandermeulen in der Karaffe verbracht. Ein unglaublich junges, konzentriertes, druckvolles Tier von Wein, das diese Zeit zur Entfaltung einfach braucht. Aber das lohnt. Wahnsinnsfrucht, Kraft ohne Ende und gewaltiger, aromatischer Druck, irre Länge, aber alles so stimmig, klare WT100. Müsste jetzt meine dreißigste Flasche dieses Riesen gewesen sein. Zwei sind noch da. Viel zu wenig für die locker 20 Jahre, die dieser Wein noch schafft. 1947 Margaux Vandermeulen war wieder Margaux vom Feinsten, so unglaublich elegant mit feinster, dezent malziger Süße, dazu Schokolade, Kaffee, Kakao, bleibt ewig am Gaumen – WT100. Meine drittletzte Flasche. Schade, denn auch der hat noch massig Zukunft.
Oh, was war ich auf die nächste Flasche gespannt. 1947 Lafleur aus belgischer Händlerabfüllung mit Original-Label in Super-Zustand aus extrem zuverlässiger Quelle. Aber selbst da liegt das Risiko einer Fälschung bei 10:1. Und wie erkennt man, ob eine Flasche echt ist? The proof is in the bottle. In echten Flaschen wie dieser ist das der absolute Weinhimmel, kräuterige, minzige Süße, so ein enormer Druck, so eine Fülle, endlos im Abgang – WT100. Trotz leichtem Kork war der 1947 Petrus Vandermeulen absolut superb mit röstiger Fülle, enormer Kraft und Süße. Hätte sicher dem Lafleur das Wasser gereicht.
Perfekt gereift, aber ohne Schwächen zeigte sich der wunderbare 1947 Latour endlich mal ohne Tannin, einfach nur wunderbar schmelzig mit der klassischen Walnussaromatik und feiner Mineralität – WT96. Als süßer, wilder, würziger, immer noch so junger Charakterstoff zeigte sich der 1947 Ausone Vandermeulen – WT96.
Der sonst so kräftige 1947 Troplong Mondot zeigte sich hier von einer ausgesprochen eleganten, finessigen Seite mit feiner Süße – WT96. Nicht die beste Flasche hatten wir beim sonst so überzeugenden 1947 Pavie Vandermeulen erwischt. Der hatte eine sehr junge Farbe, jede Menge Kraft, Süße und Dichte, aber leider auch viel flüchtige Säure, die den Genuss grenzwertig machte.
Absolut stimmig der perfekt gereifte 1947 Hermitage von Salavert druckvoll, kräftig, ledrig, schöne Süße – WT95. Noch etwas drüber im direkten Vergleich der 1947 Chateauneuf-du-Pape von Mommessin mit generöser Süße und Eleganz, aber auch mit burgundischer Pracht und Fülle – WT96. Würde sich sicher gut als Pirat in einem Burgunder-Flight machen.
Wie eigentlich immer in den 40er, 50er und 60er Jahren eine Bank auch in diesem sonst so schwierigen Jahrgang der 1957 Imperial Gran Reserva von CVNE, der immer noch gute Frucht zeigte, Eleganz, Kraft und Länge, feine Süße, aber auch noch Substanz und Tannine für längere Entwicklung – WT94. Und auch der 1967 La Mission Haut Brion, der sich hier mit absolut betörender Eleganz und feiner Süße, aber auch der etwas verhaltenen, klassischen Pessac Aromatik mit Cigarbox und Tabak präsentierte, zeigte beeindruckend, dass er ein guter Kandidat auch für schwierigere Jahre ist – WT94.
Latour macht auch reif Spaß, so aus diesem sehr schwierigen Bordeaux-Jahrgang, wo sich der 1977 Latour reif, ausgesprochen zivil, aber wunderschön zu trinken mit feiner Mineralität zeigt – WT90. Klar, erste Wahl in 1977 ist dieser exotische, wilde, sehr ausdrucksstarke und noch so junge, sehr spannende 1977 Chateau Musar, der mit großer Kräutermischung, schöner, rotbeeriger Frucht, und verschwenderischer Süße von der Rhone kommem könnte. Macht schon immensen Trinkspaß, hat aber noch lange vor sich – WT95.
Nicht die beste Flasche war leider der verhaltene 1987 Beringer Cabernet Sauvignon Private Reserve, dem diesmal von den sonst so beständigen WT97 gut 5 Punkte fehlten. Dafür brillierte dieser unglaubliche 1987 Phelps Eisele Vineyard um so mehr, ein minziger Traum mit reifer Schwarzkirsche auch mit einem Schuss Eukalyptus, ledrig, Zedernholz, elegant und doch so druckvoll, noch längere Zukunft – WT96.
Ein großes, perfekt sortiertes Käsebrett hatte Restaurantchef Sascha Bürgel inzwischen aufgefahren. Dazu gab es zwei sehr spannende, restsüße Weine, die auch aromatischeren Käsesorten gut Paroli bieten konnten. Der 1937 Muscat de Samos Vandermeulen, war selbst für mich, der ich fast alle Vandermeulen-Weine rauf und runter kenne, eine echte Premiere. Was für ein riesengroßer Wein, so stimmig und balanciert mit feiner Würze und generöser, nicht überladener Süße – WT98. Für mich war dagegen auf hohem Niveau der portig-schokoladige 1947 Banyuls Grand Cru Abbe Rous mit einer guten Portion Kaffee chancenlos, obwohl auch der immensen Spaß machte und für Banyuls sicher Zeichen setzt – WT95.
Unendliche Glücksgefühle als Gastgeber, wenn alles so prima geklappt und ganz großen Dank für alle, die da mitgewirkt haben. Fürs nächste Jahr habe ich mir mit der „8“ wieder eine spannende Herausforderung gesucht.