Alles Müller oder was?
Zum 26. Mal wurde JM, das Restaurant Jörg Müller auf Sylt, gerade mit dem Grand Award des Wine Spectator ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung für die Restaurants mit der besten Weinkarte weltweit. In Deutschland trägt des JM als einziges diese Auszeichnung. Verantwortet werden diese einmalige 2000+ Weinkarte und der dahinter stehende, schier unergründliche Keller von Herrn Ben, der mit seiner umfassenden Weinkenntnis an die Spitze jeder Sommelier-Hitliste gehört. Nur wer auf die jeweils absolut neuesten Jahrgänge steht, der sollte diese in Restaurants trinken, die weinmäßig von der Hand in den Mund leben. Im JM, das seine Weinkarte damit beliebig aufblähen könnte, kommen Weine erst auf die Karte, wenn sie zumindest halbwegs trinkbar sind.
Erfolgreich „angeMüllert“.
Sicher nicht verwunderlich, dass uns der erste Sylt-Abend im Juni gleich in unser Lieblingsrestaurant führte. Absolut superb Jörg Müllers neueste Kreation, Dorsch-Medaillon vom am selben Tag geangelten Dorsch auf Bouillabaise Sud.
Und mit Herrn Ben haben wir dazu in der unglaublichen Weinkarte geangelt. Ein 2001 Philippi Riesling Tafelwein hat uns gereizt. Den hat der gute Bernd Philippi damals im kleinen Holzfaß ausgebaut. Schon bei dem Gedanken graust mir eigentlich, und der Wein war in seiner Jugend auch nicht gerade eine Offenbarung. Aber jetzt, nach 17 Jahren war das Holz voll integriert, der Riesling zeigte Frische, Spannung, feine Gelbfrucht, die Textur wurde trotz guter Säure immer cremiger im Glas, und dazu entwickelte sich viel Druck - WT93. Warten lohnt halt. Das zeigte auch der 1985 Pommard 1er Cru Les Jarolliéres von der Domaine de La Pousse d‘Or. Der startete schwierig mit pilzigen Noten und viel Waldboden, drehte dann aber enorm auf mit pikanter Frucht, immer mehr Frische, viel Finesse und wunderbarer Länge. Hat sicher noch gute Zukunft - WT93. 1985 entwickelt sich immer mehr zu einem großen Burgunderjahr. Direkt in die Karaffe (hätte auch dem 85er gut getan) kam dann der enorm kräftige, stoffige 1990 Nuits St. Georges Aux Murgers von Meo-Camuzet. Ein echtes, junges Prachtstück mit reifer, dunkler Kirsche, enormem Tiefgang und erstem, feinem Schmelz - WT95. Hätte ich gerne in 20 Jahren noch mal richtig reif im Glas.
In den nächsten Tagen wird weiter geMüllert. Euch allen einen schönen Sonntag mit ein paar feinen Toren vom Fussball-Müller.
Hervorragend „geMüllert“ haben wir auch an diesem zweiten Abend wieder, bestens unterstützt von Herrn Ben als Maitre de Plaisir im JM auf Sylt.
Mit zwei Potentialmeistern sind wir in den Abend eingestiegen. Der 2014 Chardonnay Unique von Donatsch überzeugte wieder mit geradezu puristischer Frucht, Geradlinigkeit und straffer Mineralität, mit enormer Kraft und Druck, so eine Art Corton Charlemagne aus der Bündner Herrschaft. Etwas offener als vor zwei Jahren, aber da kommt noch mehr -WT95+. Auch der In seiner Jugend so überragende 2011 Sauvignon Blanc Zieregg von Tement (damals 2014 und 2015 mehrfach mit begeisterten WT97 getrunken) startet nach einer kurzen Verschnaufpause wieder durch. Sehr nachhaltig mit enormem Tiefgang, wird sicher in ein oder zwei Jahren wieder an die bestechende Frühform anknöpfen und hervorragend weiter altern - WT95+. Ein echtes Prachtstück und ein Spaßwein par Excellence danach der 1995 Angelus, saftig üppig, sexy, ein Kalifornier aus Bordeaux, aber auch mit guter Struktur und intaktem Tanningerüst für noch lange Jahre - WT95.
Als Vorbereitung auf den Höhepunkt des Abends wählten wir dann mit Herrn Bens Hilfe aus der sehr umfassenden 2000+ Weinkarte noch einen reifen Burgunder, der sich als Volltreffer entpuppte. Noch so frisch war der 1978 Beaune Cent Vignes von Leroy, in der Nase feiner Früchtetee, am Gaumen so fein, elegant und filigran, einfach ein zeitlos schönes Gedicht - WT96. Über 4 Stunden hatte die „Mutter aller Burgunder“, der unsterbliche 1947 Chambertin von Vandermeulen, in der Karaffe auf seinen Einsatz gewartet. Diese mindestens 4, besser 5 Stunden Dekantierzeit braucht dieser Inzwischen über 70jährige Gigant, um sich einigermaßen zu entfalten. Was dann ins Glas kam, war so unglaublich stimmig mit wunderbarer Frucht, Kaffeenoten und immer noch gutem Tannin- und Säuregerüst. Das wieder schlichte Perfektion, der man mit Worten kaum gerecht werden kann und machte sprachlos, klare WT100.
Es gibt noch ein paar weitere Vandermeulen Burgunder auf fast ähnlichem Niveau, z.B. den 1955 Clos de Tart, der im JM ebenfalls auf der Karte steht. Auch den würde ich hier blind bestellen, da ich weiß, wo er herkommt. Ansonsten ist bei Vandermeulen Weinen aufgrund der zahllosen Fälschungen größte Vorsicht geboten.
Baden auf Sylt in Burgundern.
Nach 6 Wochen Caribik Feeling machte der Sommer auf Sylt eine kurze Pause. Klar konnte man immer noch im Meer baden. Das war immer noch gut zwei Grad wärmer als die Luft. Aber bei strammem Nordwest mit eingelagerten Schauerböen fehlte uns irgendwie die Lust.
Da haben wir lieber ausgiebig bei Jörg Müller unter Aufsicht von „Bademeister“ Big Ben in Burgundern gebadet, die da in großer Zahl zu trinkfreudigen Preisen auf der Karte stehen. Den Anfang machte ein genialer 2010 Corton Charlemagne von Bonneau du Martray. Der war jetzt mit erster Reife, aber ohne die Premox Seuche, in bestechender Form. Reife Zitrusfrüchte, kalkige Mineralität und viel Feuerstein, rassige Säure, die Würze eines großen Meursaults, feine nussige Noten, enormer Tiefgang, Komplexität und Länge - WT96. So liebe ich Weiße Burgunder.
Weiter ging es mit einem klassischen Old School Burgunder, einem 1995 Chambolle Musigny von Dujac. Enorm kräftig und druckvoll wirkte der erst etwas eckig und kantig, im besten Sinne kernig mit deutlich stieligen Noten. Er entwickelte sich aber sehr gut im Glas, wurde zugänglicher, offener eleganter, die feine Frucht kam mit viel Finesse mehr in den Vordergrund. Hat noch viel Potential - WT95. Burgund für Geduldige und Kenner. Deutlich offener und moderner wirkend der 2006 Clos Vougeot von Mugneret Gibourg, der mit mehr Frucht und Fülle mit geilem Druck sehr stimmig und viel Länge über den Gaumen floss, einfach großes Burgunderkino mit hohem Genussfaktor - WT95.
Hier hätte ich noch die ganze Nacht durch weiterbaden können. Wenn doch bloß nicht immer diese verdammte Vernunft im Wege wäre.
Kräftig „abgeMüllert“ haben wir am letzten Abend im JM mit Jörg Müller und Herrn Ben. Aber das war trotz aller Qualität noch nicht das Endspiel. Im August sind wir wieder hier.
Gleich der erste Wein entpuppte sich nicht nur als der Wein des Abends, sondern des kompletten Urlaubs. Atemberaubend, was da Klaus Peter Keller gleich mit seinem zweiten Jahrgang als 2010 Pettenthal GG geschaffen hat. Worte können diesem Monument kaum gerecht werden. Das war das Beste vom Roten Hang mit einem dicken Schuß Corton Charlemagne von Coche-Dury. Wir waren alle sprachlos und glücklich zugleich. Gut, dass das Terrassendach schon auf war. Es wäre sonst sicher weggeflogen. Konservative WT98+ für das einmalige Erlebnis eines der besten Rieslinge, die ich je im Glas hatte. Wird sich über Dekaden weiterentwickeln. Wer kennt sonst noch Lokale, wo so etwas noch zu akzeptablem Kurs auf der Karte steht?
Natürlich hatten es alle Weißen danach schwer. Aber der 2013 Smith Haut Lafitte Blanc überzeugte mit wunderbarer Frucht und Frische, das Holz gut eingebunden, und ging als großer Sauvignon Blanc durch - WT95. Und natürlich musste auch die letzte Flasche 2004 Hölle Auslese trocken von Künstler dran glauben. Immer noch so jugendlich frisch, sehr mineralisch mit perfekter Struktur und Brillianz, 2004 und Hölle sind eine unschlagbare Kombination - WT96. Eigentlich sollte es dann als Schlusspunkt nur noch ein Roter sein, der 2001 Sassicaia, der sich in perfekter Trinkform als großartiger Pauillac zeigte - WT96. Doch zwei Gläser dieser Ikone brachten dann im Tausch noch zwei weitere Weine. Der 1990 Barbaresco Bricco Asili von Ceretto war reif, weich, aber hoch aromatisch und lang am Gaumen mit feinen Kräutern, Lakritz und teeriger Mineralität - WT94. Nicht mehr so ungestüm wie in der ersten Zeit zeigte sich der altersfreie, sehr kräftige und würzige Erstlingsjahrgang 2008 Tinata von Monteverro, der das Gefühl gab, dass die Rhone jetzt durch die Maremma fließt - WT94. Und just als da jemand am Tisch erzählte, aus seinem Jahrgang gäbe es überhaupt nichts Trinkbares, kam ein sehr feiner, burgundisch wirkender, würziger, sehr eleganter Wein ins Glas, der 1965 Barolo Riserva von Borgogno - WT93.
Jörg Müller hat die mit Abstand beste, aber nicht die einzige Weinkarte auf Sylt. Die Insel hat ein sehr umfassendes, gastronomisches Angebot. Da muss wirklich niemand verdursten. Hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein paar der anderen Lieblingsweinkarten, auf denen sich der Wineterminator regelmäßig austobt:
Die Vogelkoje auf dem Weg von Kampen nach List, das Gogärtchen in Kampen, das Manne Pahl in Kampen, Das Hotel Stadt Hamburg und der Weinraum in Westerland, das Severins, die Butcherei, die Pius Weinbar und der King Genussshop in Keitum, der Sölringhof in Rantum, natürlich die Sansibar und das Budersand in Hörnum.
Im August werde ich auf Facebook und Instagram weiter berichten, ab September dann als Zusammenfassung hier.