American Beauty XI

Was für ein Fest für alle Sinne, diese XI. American Beauty California Best Bottle im schönsten Probenraum der Schweiz bei Werni Tobler in Hildisrieden.
Das Beste aus ihren Kellern hatten sich die 13 Teilnehmer von Mastermind Baschi Schwander holen lassen. Zielsicher hatte er Raritäten so herausgefischt, dass sich daraus nicht nur eine großartige Best Bottle, sondern auch eine sehr stimmige Probe ergab. 26 Weine kämpften auf gigantischem Niveau um die Siegerkrone.

Gleich im ersten Flight ging es hoch her, obwohl leider noch nie ein Wein aus dem ersten Flight die Beauty gewonnen hat. Alle Weine wurden blind serviert und verkostet. Ich habe hier auch meine Bewertungen der Blindverkostung angegeben, auch wenn sich einige Weine später beim Nachverkosten weiter entwickelten. Aber ein echter WT100 Wein muss auch blind so schmecken, und nicht erst beim Blick aufs Etikett.

Eine ziemlich reife Farbe (kenne ich deutlich jünger und altersfrei) zeigte der 1991 Chateau Montelena, ledrig die Nase, pikante, rotbeerige Frucht, Schokolade, dunkles Toffee, wird mit Luft immer minziger, gute Säure- und Tanninstruktur, ein Charakterstoff mit Zukunft, hier WT94+. In besser gelagerten Flaschen deutlich mehr. Viel Potential zeigte auch der 1991 Heitz Martha´s Vineyard, noch so frisch mit wunderbarer Frucht und Fruchtsüße, dazu feiner Minze, gute Säure und viel Potential – WT95+. Wird mal ein ganz großer Martha´s, aber je nach Lagerung kann das noch 10 Jahre oder länger dauern. Da lohnt nachkaufen (und weglegen!) in jedem Fall. Einfach göttlich dieser 1992 Peter Michael Les Pavots, kalifornischer Schmusewein mit der Struktur eines Bordeaux, schöne, rot und blaubeerige Frucht, feine Süße, sehr stimmig und balanciert mit Zedernholz – WT97. In so einer Art Zwischenstadium befand sich der 1995 Shafer Hillside Select, kraftvoll mit etwas rustikaler Herbe, ledrig, Kräuter, Lakritz, leichter Rhone-Touch, sehr maskulin – WT95. Im Glas wurde er mit Luft dann viel süßer und generöser, zeigte mehr von seiner früheren Klasse. Da ist einfach Geduld angesagt, der kommt wieder. Völlig daneben leider der kaputte 1995 Araujo Eisele Vineyard, der in dieser Form nicht bewertbar war.

Erste Reife zeigte der 1992 Dominus in der Farbe, wirkte aber ansonsten noch sehr jung mit wunderbarer, generöser Nase, am Gaumen ledrig, leicht animalisch, kräftig mit viel Druck – WT96. Nix los leider mit 1996 Pahlmeyer Proprietry Red, der zwar in der Nase noch etwas kernige Kraft zeigte, aber ansonsten bereits auf dem Weg ins Jenseits war. Hoffentlich nur eine schlechte Flasche. Deutlich besser mit dichter Farbe und gewaltiger Substanz der 1997 Pahlmeyer Proprietry Red, der aber leider einen deutlichen Kork entwickelte. Als großer Bordeaux mit reifer, kalifornischer Frucht zeigte sich wieder der 1997 Dominus, wunderschön die offene, schmelzige Nase mit dichter, dunkelbeeriger Frucht und bitterer Schokolade, gute Struktur am Gaumen, sicher einer der langlebigeren 97er – WT96+. Auf dem Punkt der 1994 Groth Reserve, aber was für ein geiler Brombeersaft mit Druck und Tiefgang, gehört getrunken, aber das mit hemmungslosem Vergnügen – WT97.

Klar war der 1983 Phelps Eisele Vineyard reif, aber auf was für einem Niveau. Wunderbare, schmelzige Nase mit Cassis, Minze und Tabak, am Gaumen noch deutliche, aber etwas trockene Tannine – WT95. Auf dem Punkt der 1985 Stag´s Leap SLV mit genialer, himbeeriger Frucht und feiner Fülle am Gaumen, so generös und schmelzig, reifer Old School Kalifornier, der sich natürlich bei den am Tisch auch vertretenen Boliden-Fans schwer tat. Meine WT97, zu denen ich voll stehe, am Tisch eher ein Ausreißer. Vor vier Jahren hat er die American Beauty schon mal gewonnen, dieser 1975 Heitz Martha´s Vineyard, damals von „Mr. Harlan“ Don Weaver, der diesen Wein seinerzeit bei Heitz als verantwortlicher Winemaker verantwortet hat, persönlich angestellt. Auch dieses Mal ein geniales Konzentrat, aber mit diesem schlimmen Fehlton. War das Kork, war das keiner? Egal, es reichte zu maximal WT92. Dafür stand diesmal ein anderer Heitz im Rampenlicht. Noch so jugendlich frisch war dieser 1978 Heitz Martha´s Vineyard und dabei geradezu erotisch, mit schmelziger, wunderbarer Frucht, viel Minze, enormem Tiefgang und Länge. Steht mit voll intakter Tannin- und Säurestruktur erst ganz am Anfang und war doch ein strahlender WT100 Wein.

Darf ein 2000er Kalifornier so gut sein? Nicht nur eine absolut irre Farbe zeigte der 2000 Sloan, auch satte Frucht, üppige Fülle, herrliche Minzfrische und eine großartige Struktur – WT99. Da kam der eigentlich von der Papierform größere 2001 Sloan nicht mit, der trotz sehr dichter Farbe deutlich reifer wirkte mit malziger Nase und auch am Gaumen nicht voll überzeugen konnte – WT94. Und das, wo beide Sloans 15 Jahre lang unberührt nebeneinander im selben Fach in meinem Keller gelegen haben. Ja, und dann diese beiden Shafer Twins. Das ist schon irre, was dieses Weingut zu immer noch halbwegs akzeptablen Kursen auf die Flasche bringt. Sehr mächtig und füllig zu Anfang der 2001 Shafer Hillside Select, auch etwas mastig, legte deutlich im Glas zu und glättete sich, wurde immer schmelziger und eleganter – WT98. Nur zweiter Sieger war der 2001er diesmal gegen den absolut außerirdischen 2002 Shafer Hillside Select, der mit immenser Kraft, Fülle und Dichte punktete, sowie mit superber Frucht, das war einfach Liquid Sex – WT100. Kein Wunder, dass dieser perfekte, hemmungslose Ausdruck kalifornischer Wein- und Lebensfreude auch die Publikumswertung mit einem Schnitt von deutlich über 98 Punkten und damit die American Beauty 2018 gewann.

Einfach sexy dieser immer noch so frische 2001 Phelps Insignia mit Cassis pur, schöner Fruchtsüße, Zedernholz guter Mineralität und Säure, da spielt die Musik noch sehr lange, die Insignias von Phelps sind einfach eine Bank – WT97. Sehr kraftvoll der Auftritt des Vorjahressiegers 2001 To Kalon Reserve von Mondavi, minzig, dicht, viel Druck und Länge, machte aber diesmal auf hohem Niveau einen etwas verschlossenen Eindruck – WT96. Mit den Bond Weinen hat Bill Harlan das Konzept der Single Vineyard Weine fest etabliert. In Napa wohnen in den besten Lagen keine armen Leute. Und so gehört zu vielen dieser Villen und Landsitze in bester Lage statt großem Garten ein Weinberg. Die besten davon mietet Harlan langfristig und baut die Weine dann lagenspezifisch unter dem Bond-Label aus. Mit dem 2001 Bond St. Eden hatten wir ein echtes Prachtstück im Glas, das etliche Jahre zur Entfaltung brauchte und jetzt alles zeigt. Superbe Frucht, Cassis und Brombeere, enorme Kraft und Fülle, so komplex mit gewaltigem Tiefgang und dabei so stimmig und balanciert, voll auf Augenhöhe mit den besten Harlans – WT100. Im direkten Vergleich dazu wirkte der breitschultrigere 2001 Araujo Eisele Vineyard zwar dichter und kräftiger, aber es fehlten ihm die Eleganz und die Balance, die einen wirklich großen Wein ausmachen – WT95

Hedonismus pur der immer noch so jugendliche 2004 Colgin IX Estate ganz oben aus der berühmten Lage Pritchard Hill, süße, dekadente Frucht, feinster Schmelz, aber auch kräftiges Rückgrat mit reif wirkenden Tanninen. Könnte in den nächsten Jahren noch weiter zulegen, aber warum eigentlich? Trinkt sich jetzt schon einfach fantastisch – WT97+. Ebenfalls vom Pritchard Hill kommt der 2005 Ovid Red Wine, Erstlingsjahrgang dieses ambitionierten Weingutes. Der liefert sich mit seiner süßen, dunkelbeerigen Frucht ein Rennen mit Colgin um die dekadenteste Frucht, hat gleichzeitig Kraft ohne Ende, aber auch reichlich Alkohol, ein „Monster in the making“ – WT97. In dieser Freak Show war der feinere, elegantere 2005 Phelps Insignia trotz reifer, süßer Frucht und guter Struktur hoffnungslos verloren. Das könnte sich mit den Jahren geben, denn der Insignia hat sicher mehr Langstreckenpotential – WT95+. Mit reifer Frucht und geradezu dekadenter Fülle und genialem, süßem Schmelz passte der 2007 Opus One schon deutlich eher in diese Gruppe. Hat mit den früheren Opus Ones aus der Kooperation mit Mouton Rothschild nichts mehr zu tun und ist Kalifornien, wie es leibt und lebt – WT96.

Was für eine großartige, einfach geniale Probe auf sehr hohem Niveau. Gleich dreimal konnte ich die WT00 für absolut perfekte Weine zücken. Das ist sicher auch Baschi Schwanders Konzept geschuldet. Eigentlich heißt Best Bottle ja, dass man sich für eine Teilnahme an der Probe bewirbt, und die Bewerber mit den jeweils besten, angebotenen Flaschen genommen werden. So handhaben wir auch es bei unserer großen Magnum Best Bottle am Jahresende. Bei der American Beauty sind die Teilnehmer gesetzt. Deshalb muss man hier mehrere Angebote machen aus denen Baschi dann gekonnt auswählt. So entsteht dann eine sehr stimmige Probe auf höchstem Niveau, natürlich auch ohne Doubletten.

Ich freue mich schon auf die American Beauty XII im nächsten März. Und eigentlich möchte ich auch mal wieder aufs Siegertreppchen. Vielleicht sollte ich mal wieder in die Harlan-Kiste greifen. Bei der ersten American Beauty 2008 hat das damals so wunderbar mit 1994 Harlan und dem nie wieder erreichten Punkteschnitt von 99,3 geklappt.

Und wer von Euch in der nächsten Zeit mal die in die Schweiz kommt, unbedingt einen Besuch in der Bacchus Genussmanufaktur in Hildisrieden einplanen, wo der liebe Werni am Herd zaubert wie in allerbesten Zeiten.