Bei den Gantenbeins

Es ist für uns immer einer der Höhepunkte des Jahres, der Besuch in Fläsch bei den so sympathischen Gantenbeins, die bei allem Ruhm und Ehre so bodenständig geblieben sind. Von Daniel Gantenbein meisterlich bekocht verkosteten wir gemeinsam mit Freunden nicht nur den aktuellen Gantenbein-Jahrgang, sondern viele weitere, wunderbare Weine und eine riesengroße Überraschung.

Der trockene 2016 Gantenbein Riesling hat in seinem jetzt vierten Jahrgang weiter zugelegt mit mehr Frucht und mehr Körper bei nach wie vor toller Struktur und der straffen Mineralität der Schieferböden. Wirkt in dieser frühen Phase so animierend saftig und geht als Hybrid aus der Hermannshöhle und einem Kirchenstück durch – WT95+. Wer eine oder sogar mehrere der sehr raren Flaschen ergattern konnte und an sich halten kann, legt die mindestens 5 Jahre weg.

Sehr, sehr elegant und jugendlich frisch zeigt sich der 2016 Gantenbein Chardonnay, bei dem das Holz in der jetzigen Phase nicht spürbar ist. Die Frische erinnert eher an Riesling. Geerntet wurde dieser Wein, so Martha Gantenbein, mit dem klaren Ziel Frische und Säure. Die jetzt eingesetzte, alte Korbpresse, Daniel Gantenbeins ganzer Stolz, ermöglichte viel Trub und verleiht dem Chardonnay im jetzigen Stadium eine feine, reduktive Note. Stilistisch geht auch dieser Gantenbein Chardonnay mit feiner Würze Richtung Meursault – WT95+. Natürlich kann man über den jetzt auch herfallen, sieht dann aber vom ganzen Film nur den Vorspann. Gantenbein Chardonnays, das gilt auch für diesen hier, altern hervorragend und entwickeln mit den Jahren immer mehr Komplexität, burgundische Finesse und Eleganz. 15-20 Jahre sind für einen solchen Wein kein Alter, und die burgundische Premox-Seuche habe ich bei Gantenbein noch nicht erlebt.

Der 2016 Gantenbein Pinot Noir erinnerte in der Stilistik an den 2011er. Nach den eher kräftigeren, üppigeren Vorgängerjahren entstand hier wieder ein von wunderbarer Eleganz und Finesse geprägter, sehr feiner, burgundischer Pinot Noir, absolut harmonisch, so seidig, in perfekter Balance, schwebt förmlich am Gaumen. Einfach ein Wein zum träumen – WT95+. Auch der wird sich über lange Jahre entwickeln und zulegen.

Dreimal 95+, was soll das? Ganz einfach. Diese Weine sind voll trinkbar, zeigen aber noch längst nicht alles. Als eben noch sehr junge Weine präsentieren sie sich jedes Mal anders. Qualitativ liegen sie alle bei mindestens WT95 mit viel Potential nach oben. Der Riesling dürfte in der Reife sicher WT96 erreichen, beim Chardonnay sind dann durchaus WT97-98 drin, den Pinot sehe in der Reife bei WT96-97. Ich werde ich in den nächsten Jahren (und auch Jahrzehnten) jeweils aktuell berichten. Alle drei Weine dürften sich im kommenden Sommer in erster wunderbarer Frühreife von ihrer besten Seite zeigen. Dann ist es sicher Zeit – sofern man hat – die erste(n) Flaschen zu öffnen. Wann und wie lange sie sich die Weine dann verschließen, lässt sich nicht leider nicht vorhersagen.

Das klare Vorbild der Gantenbeins sind die großen Weine aus Burgund. Daran orientieren sie sich und diese weine verkosten sie laufend. Und das sie sich schon längst nicht mehr auch hinter größten Namen verstecken müssen, das zeigte eindrucksvoll ein Flight mit hochkarätigen Weißen Burgundern. Sehr fein und schlank, puristisch wirkend der 2011 Meursault Les Vireuils von Roulot mit etwas stahliger Zitrusfrucht und intensiver, kalkiger Mineralität, ein hoch interessanter, eigenständiger Langstreckenläufer, so eine Art Weißer Burgunder für Fortgeschrittene, der sicher nicht everybody´s Darling ist – WT95+. Deutlich mehr Fülle und höheren Spaßfaktor zeigte im direkten Vergleich der offenere 2011 Puligny Montraches Les Enseignéres von Coche-Dury, der aber auch großartige Struktur, Mineralität und Säure zeigte. Dürfte ebenfalls langlebig sein – WT96. Ich kenne den Preis nicht, aber er dürfte deutlich unter den hoch gelobten Meursaults und Corton Charlemagnes liegen und ist damit eine echte Alternative für Coche-Afficionados. Dritter im Bunde der ebenfalls noch sehr jung wirkende 2011 Meursault La Sève du Clos von Arno Ente, der stilistisch zwischen den beiden ersten lag. Ein faszinierendes Energiebündel mit präziser Zitrusfrucht, das den Ente-Hype verstehen lässt – WT96.

Jetzt wollten wir natürlich wissen, wie sich in diesem hochkarätigen Feld der 2011 Gantenbein Chardonnay machen würde. Daniel Gantenbein zierte sich erst etwas, machte denn dann aber doch auf. Die Angst vor vermeintlich großen oder größeren Namen war völlig unbegründet. Jünger, fruchtiger, mit ähnlicher Stilistik, sehr mineralisch und präzise, mit großartiger Struktur war der voll auf Augenhöhe, einfach burgundisch im besten Sinne – WT96. Und da sich dieser Wein noch über längere Zeit weiterentwickeln dürfte, war das hier jetzt noch längst nicht das Ende der Fahnenstange. Sehr beeindruckend.

Damit wechselten wir zu den Rotweinen. Sehr irritierend zu Anfang der 1990 Clos de la Roche von Dujac, der etwas diffus und süß wirkte, eher wie ein Typ deutscher Spätburgunder mit reifen Schlehenfrüchten. Dabei war dieser eigentlich große wein weder gefälscht noch irgendwie misshandelt worden. Er brauchte eigentlich nur unendlich viel Zeit und Luft in der Karaffe, mehr als uns noch blieb. Doch er entwickelte sich immer mehr in die Richtung, in die er eigentlich gehört. Sollte mir dieser Wein noch mal unterkommen, wird er einfach wie 47 Chambertin Vandermeulen vorher dekantiert. Am Tisch war das Thema aber schnell abgekakt, denn da kam ein großartiger, einfach geiler Brungunder, in dem man hemmungslos baden konnte. Mit fantastischer, saftiger Frucht und mit verschwenderischer, burgundischer Pracht und Fülle war dieser voll trinkbare 1999 Musigny Vieilles Vignes von Comte de Vogüe, einfach ein Gedicht – WT96.

Danach kam einer von Daniel Gantenbeins persönlichen Lieblingsweinen ins Glas. Der hatte wirklich was, dieser 2008 Barolo Cascina Francia von Giacoma Conterno. Wer behauptet, dass Barolo einfach nicht sexy sein kann, der hatte den hier einfach noch nicht im Glas. Enorm kraftvoll, dicht und lang, sehr druckvoll, aber gleichzeitig auch so fein und elegant mit feinstem, burgundisch wirkendem Schmelz. So könnte man sich einen Richebourg aus dem Piemont vorstellen, ein großer Conterno – WT97.

Zu den wenigen 90ern aus Bordeaux, die sich länger verschlossen hatten, gehört der in seiner Jugend so geniale 1990 Cos d´Estournel. Je nach Lagerung ist er inzwischen wieder voll da oder zumindest auf dem wege dorthin. Aus dieser Flasche hier wirkte er noch sehr jung mit enormer Kraft und mit viel dunkler, konzentrierter Frucht – WT95+. Da ich dieses Jahr schon deutlich offenere, begeisternde Flaschen hatte, gehört nicht viel Fantasie dazu, sich für die nächsten Jahre eine ähnliche Entwicklung bei solch perfekt gelagerten Flaschen vorzustellen. Ich hatte blind bei Cos aufgrund der Kraft und der kernigen Art auf einen jüngeren Dunn Howell Mountain getippt. Doch den bekam ich dann, allerdings etwas älter und reifer, ins nächste Glas. Von wirklich reif konnte man auch bei diesem 1985 Dunn Howell Mountain nicht sprechen. Das war mit dieser maskulinen, kernigen Art eher Pauillac als Kalifornien. Sehr mineralisch, der Bleistift von Mouton, immer noch strammes Tanningerüst und Rückgrat für mehrere Jahrzehnte, aber auch erstaunlich feine, rotbeerige Frucht und natürlich Minze satt – WT96.

Da kam dann irgendwie die Frage auf, ob es 1985 schon Gantenbein Weine gegeben hat. Das wurde klar bejaht. 1982 gab es den ersten Wein. Der vierte Jahrgang 1985 soll damals sehr gut gewesen sein und auch ein paar Goldmedaillen eingeheimst haben. Aber schmeckt so etwas heute? Darauf konnte es nur eine Antwort geben, natürlich in flüssiger Form. Martha Gantenbein holte für uns Glückliche eine der ganz wenigen, noch vorhandenen Flaschen aus dem Keller. Richtiggehend putzig Aussehen und Name dieses 1985 Fläscher Blauburgunder Beerli von D. & M. Gantenbein-Kunz. Aber was dann ins Glas kam, das war eine große Überraschung. Im Stahltank ohne Holz war der Wein damals ausgebaut worden. Brilliant ohne jedes Alter die klare, rote Farbe, so frisch und so delikat mit betörender Frucht, reife Himbeere, immer noch gute Säure, stand wie eine Eins im Glas und baute nicht ab. Ein absoluter Genuss dieser perfekt balancierte, stimmige Wein und ein echtes Erlebnis. Das war schon einmalig, wie sich dieser immerhin jetzt 33jährige Wein hier präsentierte. Auch ohne Hochachtung für diese großartige Leistung waren das glockenklare WT94. Womit sich Fragen nach der Alterungsfähigkeit von Gantenbein-Weinen erübrigt haben dürften. Wenn so ein Wein von jungen Reben aus der Anfangszeit und aus dem Stahltank immer noch solch eine Frische zeigt, sollte man sich bei den heutigen Gantenbeins eher Sorgen um die eigene Gesundheit machen, als um die Alterungsfähigkeit dieser Weine.

Mit einem frischen, delikaten, sehr mineralischen 2016 Felsenberg GG von Dönnhoff mit animierender, pikanter Frucht und Säure, locker auf WT94 Niveau, schloss dieser denkwürdige Abend.