Cab & Turkey 2018

Ein Klassiker ist es inzwischen, unsere Probe mit feinsten reifen Kaliforniern aus Eugen Haeffligers unendlichem Keller im November. In seiner Bacchus Bistro & Genussmanufaktur in Hildisrieden verwöhnte uns Kochlegende Werni Tobler mit einem wunderbaren Menü, das von einem prächtigen Truthahn nach bestem Thanksgiving-Muster gekrönt wird. Baschi Schwander als Maitre de Plaisir sorgte gekonnt dafür, dass die Kalifirnischen Trouvaillen perfekt temperiert ins Glas gelangen.

Pünktlich zum Apero riss der Himmel auf. Mit einem göttlichen 2007 Hanzell Sonoma Valley Chardonnay aus dem 1953 bepflanzten Ambassador Vineyard stießen wir auf diesen schönen Probenmittag an. Dieser Hanzell war ein Old School Chardonnay Klassiker. Nicht so fett mit Popcorn und Butter wie viele der modernen, kalifornischen Chardonnays. Eher schlank, frisch, sehr burgundisch, mineralisch, mit feinem nussigen Schmelz – WT93. Zumindest galt das für die erste Flasche. Die Zweite konnte da leider nicht mit.

Fünfmal Phelps aus dem legendären Eisele Vinyard war im ersten Flight angesagt. Der erwartete Star des Flights war der 1975 Phelps Eisele. Mit wunderschöner, minziger Frucht, Leder, Tabak und feiner Kräuternote, kann der mit guter Struktur und Frische sicher noch 10+ Jahre altern – WT97. Eigentlich hätte der 1978 Phelps Eisele da mithalten müssen, aber die Flasche war mit nur ‚ms’ nicht gut, sehr reif die Farbe, in der oxidativen Nase Sherry und Appenzeller Alpenbitter, am Gaumen noch enormer Druck mit viel Kräutern – WT90. Überraschend gut aus einem kleineren Kalifornien Jahrgang der 1979 Phelps Eisele. Sehr fein die Nase mit rotbeeriger Frucht, am Gaumen stimmig, elegant mit erstaunlicher Fülle und immer noch so frisch – WT95. Sicher für alle, die im nächsten Jahr 40 werden, eine Suche wert. Absolut großartig der 1985 Phelps Eisele, bei dem alles stimmte. Wunderbare, intensive Frucht, die „präzise Fülle“ eines großen Bordeaux, enorm druckvolle Aromatik, stabile Tannin- und Säurestruktur für sicher noch zwei Jahrzehnte – WT96. Blutjung noch der zu Anfang ziemlich verschlossene 1991 Phelps Eisele, der sich im Glas zögerlich immer mehr öffnete, sehr kräftig, feine, rotbeerige Frucht, dezente Minze, gewaltige Struktur und Länge, dürfte noch etliche Jahre bis zur Trinkreife brauchen und perfekt altern – WT94+. Wenn ich den noch finde, packe ich ihn sofort in meinen Keller. Schließlich hatte ich ihn im vorigen Jahr schon mal aus einer anderen Flasche deutlich offener im Glas, wo er an die Legenden aus 75 und 78 erinnerte.

Tief in die Siebziger ging es im zweiten Flight, wo in Kalifornien Legenden erzeugt wurden. Inzwischen haben das leider auch die Amis mitbekommen, die sich auf Auktionen hemmungslos auf diese Weine stürzen. Die Preise gehen entsprechend durch die Decke. Da tut es gut, wenn man einen so großzügigen Freund wie den Eugen hat. Gleich zu Anfang zwei große Überraschungen, denn die beiden Chappellets hätte sicher niemand mit dieser Qualität vermutet. Der 1974 Chappellet hatte eine einfach geniale, minzig-ätherische Nase, der etwas schlanke Gaumen kam da nicht ganz mit – WT95. Beim 1975 Chappellet war es genau andersrum. Die eher etwas verhaltene Nase dezent laktisch, dafür Kraft, Fülle und Freude am Gaumen – WT95. Und dann die Legende 1974 Heitz Martha´s Vineyard. Der geht es inzwischen wie 1947 Cheval Blanc. Nur die allerbesten Flaschen aus bester Lagerung ohne Weltreisen sind noch wirklich legendär. In allen anderen fängt der Lack auf allerdings sehr hohem Niveau etwas an zu blättern. Hier war jetzt die sehr feine, elegante Nase ein Traum, eine wunderbare Komposition aus Minze und Eukalyptus. Am Gaumen dagegen schon deutliche Reife, der Oxidativ schielte bereits um die Ecke – WT96. Dafür brillierte der 1975 Heitz Martha´s Vineyard um so mehr. Ein begeisterndes, immer noch so junges Kraftbündel in bester Martha´s-Art. Faszinierende Eukalyptus-Süße, soviel Druck und Fülle, einfach perfekt – WT100. Direkt daneben dieser best-ever 1974 Ridge Monte Bello mit tiefer, dichter Farbe, die fast wie frisch abgefüllt wirkte. Traumnase mit süßer, pflaumiger Frucht, am Gaumen eine unglaubliche Kraft, Fülle und Länge, dazu die Struktur eines großen Paulliac, einfach Monte Bello in absoluter Perfektion – WT100.

Ein riesengroßes Jahr ist 1991 in Kalifornien, quasi der Übergang von den klassischen Kaliforniern zu den modernen, dicken Dingern. Nur, dass hier in 1991 immer noch alles etwas eher verhalten war und die Finesse im Vordergrund stand. 1991 Phelps Insignia wirkte zwar reif und auf dem Punkt, war aber ein wunderbarer Crowd Pleaser mit süßer, minziger Frucht und gewaltiger Fülle – WT96. Als großer Bordeaux aus Pauillac mit kalifornischer Frucht zeigte sich der faszinierende 1991 Dominus, minzig, animalisch, sehr kräftig und mit Potential für lange Jahre – WT97. Nur im Schneckentempo öffnet sich der großartige 1991 Heitz Martha´s Vineyard. Jung, wild, kraftvoll mit viel Minze und Eukalyptus dürfte das in 10-15 Jahren der neue 74er sein – WT97+. Unter all diesen Giganten soff der 1991 Mayacamas aus der ohnehin nicht gerade stärksten Phase des Gutes etwas ab. Mit feiner, minziger Nase wirkte er am Gaumen fruchtig, aber auch etwas simpel – WT90. Und endlich hatten wir mal wieder eine perfekte Flasche des überragenden 1991 Ridge Monte Bello. Der zeigte sich hier als immer noch blutjunger Gigant mit perfekter Struktur, superber, minziger Frucht, gewaltiger Kraft und großartiger Länge – WT99. Die 1991er aus Kalifornien sind immer noch jede Suche wert.

Fast hätten wir den einmaligen Tischwein vergessen, der Maßstäbe setzte und es allen nachfolgenden Weinen verdammt schwer machte. Einer der rarsten, kalifornischen weine überhaupt ist der Lake von Diamond Creek. In einer sehr kühlen Berglage entsteht dieser Wein aus Reben einer Miniparzelle von mal gerade ¾ Acre, auf der die Trauben nur in sehr guten Jahren reif werden. Und dieses so seltene Teil, das selbst die meisten meiner amerikanischen Weinfreunde noch nie gesehen haben, spendierte uns der liebe Eugen hier in einer sensationellen, einmaligen Doppelmagnum! Der Inbegriff von Eleganz war dieser perfekt balancierte, so unglaublich stimmige 1994 Diamond Creek Lake, so präzise und mineralisch mit betörender, minziger Frucht und einfach traumhaftem Trinkfluss. Das war schlicht und einfach Perfektion – WT100. Nein, ich erwähne jetzt nicht, wie viele Gläser ich von dieser Wahnsinns-DM genehmigt habe.

1992 ist ebenfalls ein sehr gutes Kalifornienjahr, wirkt aber insgesamt immer etwas unter 1991. Immer noch jugendlich frisch wirkte der 1992 Harlan, der sicherlich noch 10 Jahre vor sich hat. Ein sehr balancierter, stimmiger Wein mit einer Stilistik, die sich eher an Bordeaux orientiert. Leider aus unserer Flasche hier mit leichtem Kork, was eine Bewertung schwierig macht. Die vielen, bisher (zuletzt 2017) getrunkenen Flaschen lagen alle bei WT96-97. 1992 Ridge Monte Bello gefiel ausnehmend gut, war aber ein Musterbeispiel für den Jahrgang. Er wirkte auf hohem Niveau wie eine etwas kleinere Version des 1991ers – WT96. Schwierig zu verkosten mit etwas dumpfer, minziger Nase der 1992 Stag´s Leap Cask 23. Auch am Gaumen wirkte der bei aller Klasse etwas unausgewogen – WT91. Ein grandioser, immer noch blutjunger, klassischer Old School Kalifornier war der 1992 Togni mit großartiger Struktur, sehr druckvoller Aromatik und sicher spannender, langer Zukunft – WT96+. Im besten Sinne fröhlich wirkte der 1992 Silver Oak Napa Valley mit der typischen Dillnote, so fein und elegant mit betörender Frucht – WT94.

Im letzten Flight kamen dann noch 5 Weine aus dem großen, langlebigen Kalifornienjahrgang 1994 ins Glas. Ratlos machte erst der 1994 Bryant Familiy Vineyard. Wo war die geile, üppige Frucht dieses früheren 100Punkte Weines geblieben, der aber schon immer eine hervorragende, Pauillac-ähnliche Struktur besaß? Diese fantastische Struktur und enorme Substanz waren immer noch da. Dieser Bryant wechselt hoffentlich ins Charakterfach und wird nach einer „Schaffenspause“ wieder deutlich zulegen – WT95(+?). Der 1994 Dominus ist einer der größten Weine, die je auf diesem Gut erzeugt wurden, ein großer Pauillac mit kalifornischer Frucht, ledrig, leicht animalisch, enorm druckvoll, kräftig und lang. In seiner Fruchtphase war dieser wein praktisch auf Augenhöhe mit 1994 Harlan. Je nach Lagerung hat er sich danach immer etwas offener oder verschlossener gezeigt. Aus dieser Flasche hier war er etwas offner, aber immer noch mit deutlichem Tanningerüst. Ein Wein für sicher noch 2-3 Dekaden, der durchaus noch zulegen und die WT99der Fruchthase wieder erreichen oder sogar übertreffen kann – WT98. Auch der 1994 Phelps Insignia zeigte sich hier in bestechender Form und immer noch so jung. Superbe, verschwenderische Frucht, Cassis pur, feine Minze, Tabak, Leder und genug Tannine für eine längere Zukunft. Das hier war die vielleicht beste Flasche, die ich bisher von diesem High Level Spaßwein hatte – WT97. Erstaunlich gut hat sich auch der im letzten Herbst auf unserer Mayacamas Vertikale noch so verschlossene 1994 Mayacamas entwickelt. Aus dieser Flasche hier konnte er mit guter Struktur und kühler Mountain-Frucht punkten. Hat noch viel Potential für eine längere Entwicklung – WT94. Ein echtes Potentialmonster mit gewaltiger, langer Zukunft, sehr dicht, sehr kräftig und mit Mega-Potential ist 1994 Togni, der wohl erst in 10 Jahren alles zeigt. Hier in dieser Probe war das alles spürbar, doch verdarb ein immer stärker spürbar werdender Kork den Genuss.