Cellar Devils Wine & Dine

Irgendwo mag er die Cellar Devils, unser Freund Jeff Leve. Und so war er auch jetzt im Herbst wieder für ein feines Wine & Dine bei uns, natürlich im Berens am Kai.

Dass vor uns als Apero ein Riesling stand, das war allen klar. Nur auf das Land kam keiner. Dieser 2016 Chateau Montelena Potter Valley Riesling war furztrocken, sehr mineralisch und mit toller, präziser Struktur. Damit ging er stilistisch irgendwie Richtung Breuer – WT95.

Und schon waren wir bei den Roten. Kam beim Apero niemand auf das Land, so war es jetzt der Jahrgang, auf den niemand tippte. In Bestform zeigten sich die zwei Giganten aus dem langlebigen Jahrgang 1928. Der 1928 Pontet Canet war ein absolut stimmiger, völlig altersfrei erscheinender, sehr eleganter, würziger Top-Pauillac – WT97. Deutlich mehr Fülle und einen guten Schuss Hedonismus zeigte der enorm kräftige 1928 La Magdelaine mit feiner Süße, Minze und sogar etwas Eukalyptus – WT97.

Und damit kamen wir zur nächsten Überraschung. Der 1950 Pichon Baron aus Winterminators Geburtsjahr, den der gute Jeff mitgebracht hatte, war fast zu gut um wahr zu sein. So eine tiefe, dunkle Farbe, so kräftig, druckvoll mit enormem Tiefgang und unglaublicher Länge, erinnerte mich eher an 1990 als an 1950 – WT97. Da war der 1950 Mouton Rothschild aus meinem Keller zu Anfang ein richtig armer Wicht gegen. Aber der Mouton machte sich. Eher auf der eleganten, finessigen Seite, immer noch mit feiner, delikater Cassis Frucht, sehr minzig, komplex und mit schöner Länge. Wurde im Glas immer besser – WT94.

Sehr nahe der Perfektion im nächsten Flight ein 1953 Domaine de l´Eglise in einer Segnitz-Abfüllung. Noch so frisch, so fein, so komplex mit wunderbarer Süße, einfach großer, kompletter, verführerischer Pomerol – WT99. Bedenken hatte ich erst angesichts der auf mögliche Oxidation hindeutenden, fast schwarzen Farbe des 1953 Pavie Vandermeulen. Aber im Glas dann Entwarnung und stattdessen Papillen-Großalarm, Tiefdunkel mit superkonzentrierter Frucht, unglaublich kräftig und druckvoll mit gewaltiger Länge, entfaltete sich im Zeitlupentempo und dürfte in der Form noch enormes Alterungspotential haben – WT97.

Der 1953 Haut Brion in einer belgischen Händler- bzw. Privatabfüllung konnte in dieser einmaligen Form nur die Maximalwertung bekommen. In der Nase mit Tabak, Teer und Cigarbox ohne Ende, sehr ätherisch und mit immer mehr Minze und Eukalyptus, auch am Gaumen bei aller Eleganz und Finesse enorm ausbauend, kraftvoll mit toller Struktur und ewiger Länge – WT100. Und wieso Privatabfüllung? Der stammte, nie bewegt, aus dem perfekten Keller einer belgischen Familie, die sich jedes Jahr „ihr“ Fass Haut Brion von einem Händler ihres Vertrauens auf Flaschen füllen ließ. Auf die Flaschen kam dann ein simples Etikett, das selbst die von Vandermeulen in der Schlichtheit noch übertraf. Ich habe seinerzeit diesen Keller zu spät entdeckt, den hätte ich sonst komplett übernommen. Nicht so elegant wie der Haut Brion, aber mit ähnlicher Aromatik und so unglaublich kraftvoll und dicht der absolut gleichwertige 1953 La Tour Haut Brion – WT100. Der etwas robustere, kräftigere La Tour Haut Brion war in der damaligen Zeit La Mission und Haut Brion stets mindestens ebenbürtig. Nur besaß er halt nicht den gleich klangvollen Namen. Eigentlich ist die überragende Qualität dieser Weine, deren Preis deutlich akzeptabler ist oder zumindest war, ein Geheimnis, das man für sich behalten sollte.

Und noch so ein Geheimtipp ist 1970 Palmer, der im folgenden Flight dem legendären 61er die Rücklichter zeigte. Der zeigte bei aller, typischer Kraft und Struktur des Jahrgangs eine erstaunliche Süße und Fülle, einfach ein kompletter, großer Palmer – WT96. Der 1961 Palmer in einer englischen Berry Brothers Abfüllung war leider nicht die beste Flasche und schwächelte etwas auf sehr hohem Niveau. Klar hatte er mehr Fülle, mehr Dichte und mehr Schmelz als der 70er, aber leider auch etwas flüchtige Säure und wirkte damit nicht so komplex – WT95.

Besser kenne ich den 1978 Hermitage von Chapoutier. Der zeigte sich hier rustikal, kraftvoll mit pfeffriger Würze, maskulin, sehr druckvoll mit kräftiger Säure – WT94. Sehr betörend, finessig und elegant der 1976 Chambolle Musigny Les Amoureuses von Clair-Daü mit generöser Süße und viel Schmelz. Bei diesem feinen Burgunder war das „Amoureuses“ Programm – WT96.

Leider mit einem Fehler nicht bewertbar im nächstebn Flight der 1994 La Mouline von Guigal. Schade, der Vergleich von Syrah und Shiraz wäre schön gewesen. Dafür aber brillierte der 1992 Penfolds Grange, den ich noch nie so gut im Glas hatte. Der war mal das hässliche Entlein unter den Granges, hat sich aber prächtig entwickelt. Einfach geile, verführerische Frucht, mentholige Frische, so würzig und elegant mit genügend Struktur und Rückgrat für längere Alterung, sicher derzeit auch noch eine Art Geheimtipp – WT96.

Gewaltiges Potential hat der 2000 La Mondotte, der derzeit dringend deutlich mehr Zeit in der Karaffe braucht, als wir ihm gegeben haben. Traumhafte Cassis Frucht, schöne Röstaromatik mit Kaffee und Mokka, aber auch noch so dicht, kräftig und stückweit verschlossen. Da wird mal was richtig Großes draus – WT95+. In bestechender Form der 1995 Lokoya Mount Veeder, den ich noch nie auch noch annähernd so gut im Glas hatte. Üppige, dekadent süße Frucht, aber auch mit der Frische eines Mountain Cabernet, gute Mineralität, sehr komplex und lang – WT96.

Ein Riesenjahr war 1974 in Kalifornien. Leider haben das inzwischen auch die Amerikaner selbst gemerkt, und so gehen die Preise für Heitz Martha´s & Co inzwischen durch die Decker. Wie schön, dass es auch noch kleinere, unbekanntere Weine aus 1974 gibt, die die Qualität des Jahrgangs zeigen. Beeindruckend der damals sicher preiswerte, eher für simpel gehaltene Sattui Winery Cabernet Sauvignon St. Helena. Wie schön, dass diese Flasche, die ich kürzlich auf einer Auktion zu freundlichem Preis erstehen konnte, in irgendeinem Keller liegengeblieben war. Ein großartiger Old School Kalifornier, noch so frisch und vital, sehr fein, präzise mit viel Minze, zeigte noch deutliche Kraft und Länge – WT95. Würde ich gerne jeden Tag weiter trinken. Sehr gelungen auch der 1974 Geyser Peak Santa Maria Limited Bottling, mit sehr schöner, minziger Frucht, mit Eleganz, Fülle und feinem Schmelz – WT94.

Und dann trafen zum Schluss noch zwei ermattete Reserveweine auf ebenfalls ermattete Gaumen. Aber sowohl der 1978 Phelps Eisele Vineyard als auch der 1970 Ridge Monte Bello, eigentlich beides unsterbliche Giganten, hatten wohl einen Teil ihres Lebens eher im Heizungs- statt im Weinkeller verbracht. Aber das spielte jetzt am Ende dieses herrlichen Abends auch keine Rolle mehr.