Im Wunderbrunnen

Für Weinfreaks aus aller Welt könnte man den Züricher Flughafen auch in Magical Fountain Airport umtaufen. Denn ich direkter Nachbarschaft des Airports liegt dieses Ziel aller Wünsche, das Weinrestaurant Wunderbrunnen in Opfikon mit seinem schier unerschöpflichen Weinkeller.

Zu gehobener, sehr schmackhafter Landhausküche haben wir hier ein Vollbad in großartigen, sehr fair gepreisten Weinen genommen. Gestartet wären wir natürlich gerne mit den beiden Petrus-Magnums, die unseren Augen präsentiert wurden. Aber da hat leider das Kleingeld nicht gereicht, weder für die 1945 Petrus Magnum noch für die absolut perfekte 1961 Petrus Magnum. Letztere stammte aus einer absolut authentischen 6er OHK(!!!!), in der sich noch fünf Flaschen befanden. Wie heißt es da so schön, „Sponsor gesucht“.

Stattdessen stiegen wir mit einem sehr feinen 1959 Eltviller Taubenberg Riesling Cabinet von den Staatsweingütern Eltville in die Wunderwelt des Wunderbrunnen ein. Feinfruchtige Nase, leicht rauchig mit dezenter Edelfirne, am Gaumen noch so wunderbar verspielt und frisch, ein echtes Kabinettstückchen – WT90. Weiter ging es mit einer 1970 Assmannshäuser Spätburgunder Spätlese von den Staatsweingütern, einem feinen, schlanken, klassischen Spätburgunder mit guter Mineralität und dezenter Süße – WT88. Beide Weine stammten übrigens aus Versteigerungen des Kloster Eberbach.

Luft brauchte der 1964 Echezeaux von Léon Violland, der nach anfänglichem Stinker sehr schön ausbaute und immer mehr noch erstaunlich frische Frucht zeigte, dazu eine feine Würze und immer mehr burgundische Pracht und Fülle. Hat in dieser Form sicher noch etliche Jahre vor sich – WT93.

Burgundisch ging es weiter, aber diesmal aus Bordeaux. Dieser 1983 Palmer zeigte sich in absoluter Bestform, burgundisch im besten Sinne, so hoch elegant, seidig, fast schmusig am Gaumen, ein perfekt gereifter Traum – WT97. Mehr hätte ich mir dagegen von 1985 Trotanoy erwartet. Der zeigte nur wenig Frucht, wirkte etwas reduktiv und war (Jammern auf hohem Niveau) im Abgang etwas karg – WT92.

Wer alleine oder nur zu zweit im Wunderbrunnen ist und trotzdem ausgiebiger verkosten möchte, der wird beim großen, wohlfeilen Angebot offen ausgeschenkter Weine fündig. Wir haben natürlich beim genialen 1990 Pape Clement zugegriffen. Der befand sich in perfektem Trinkstadium, in dem das glasweise verkosten eigentlich zur Vernichtung der kompletten Flasche animiert. Reife, pflaumige Frucht mit erster Süße, die große Pessac-Oper mit Tabak, Cigarbox und erdiger Mineralität, dazu Leder, Lakritz und etwas Bitterschokolade, dürfte sich auf diesem Niveau noch eine weile halten – WT95. Klar kommt der in 1990 mit den Giganten Haut Brion und La Mission nicht mit, aber da liegen ja auch noch etliche Euro Preisunterschied dazwischen. Beim zweiten, glasweise genossenen Wein reichte dann aber tatsächlich ein Glas. Der 2011 Nauer Pinot Noir Rarum aus dem Aargau war mir/uns einfach zu heftig und alkoholreich – WT89.

Er habe noch nie einen Wein aus seinem Geburtsjahrgang 1987 getrunken, meinte der sehr engagierte Sommelier zu uns. Sofortige Frage von uns, ob es im Keller denn einen 1987 Mouton Rothschild gäbe. Den gab es, in sehr gutem Zustand. So kam der Sommelier zum ersten Glas aus seinem Jahrgang und wir zu einem weiteren Höhepunkt. Dieser Mouton mit dem vom Schweizer Künstler Hans Erni entworfenen Etikett, das den Baron Philippe de Rothschild zeigte, war einfach in bestechendem Zustand, noch so frisch mit der feinen, für junge(!) Mouton Rothschilds so typischen Röstaromatik – WT95.

Blutjung, sehr kräftig, dicht und fordernd mit kalkiger Mineralität, bei aller Kraft aber auch elegant und balanciert der 2008 Pinot Noir Hommage von Friedrich Becker, der seine besten Zeiten noch vor sich hat und deutlich zulegen dürfte – WT93+.

Und dann kam das Highlight des Abends ins Glas, ein absolut perfekter 1985 Sassicaia, der sich wie ein perfekter Zwilling der außerweltlichen Magnum vom letzten Jahr zeigte. Noch so jung, so druckvoll, komplett, komplex mit irrem Tiefgang und Länge, einer der besten Weine dieser Erde, bei dem man aus dem Staunen nicht mehr raus kommt, klare WT100.

Eigentlich sollte man nach einem solchen Jahrhundertwein aufhören und ohne Zähneputzen sofort ins Bett und von diesem einmaligen Erlebnis weiterträumen. Aber da gibt es ja diese unendliche „einer geht noch“-Gier. Also kamen noch zwei 85er ins Glas. Sehr schön zeigte sich der perfekt (an)gereifte 1985 Figeac mit schöner, rotbeeriger Frucht, sehr balanciert und elegant, die durchaus noch vorhandene Kraft gut verpackt – WT93. Fast in der Liga des vorher getrunkenen 83ers danach der perfekt gereifte 1985 Palmer, der wieder diese burgundische Pracht und Fülle zeigte mit seidig-samtigem Schmelz, ein eleganter, süchtig machender Traum – WT95.

Und wenn dann eigentlich wirklich Schluss sein sollte, aber man quasi beim Aufbruch auf der Karte noch einen wohlfeilen 2001 Vosne Romanée von Burgund-Legende René Engel entdeckt, dann werden auch die letzten Vorsätze über Bord geworfen. Was für ein grandioser, so kerniger und immer noch frischer Top-Burgunder, der sich über mehrere Dekaden weiterentwickeln dürfte – WT93+.

Klar, dieser Wunderbrunnen-Abend schreit nach unbedingter Wiederholung.

Keine Angst, nach so etwas zu verschlafen, muss haben, wer in der Nähe in einem der fußläufigen Hotels übernachtet. Mutig hatte ich in der ruhigen Nacht das Fenster meines Hotelzimmers weit geöffnet. Und als dann pünktlich um 6 Uhr morgens der A380 von Singapur Airlines in geringer Höhe quasi durch mein Zimmer flog, dachte ich im ersten Schreck, das Hotel stürzt ein. Aber so hat man wenigstens noch was vom nächsten Tag.