Uwes Rieslingfest

Sommerzeit ist Rieslingzeit. Das hatte sich auch Uwe Bende gedacht, der uns passend zur Hitzewelle in Düsseldorf auf seiner großen Probe eine Palette von 32 in der Mehrzahl gereifter Rieslinge kredenzte.

Ort des Geschehens war das Schorn in Bilk, wo uns Franz Josef Schorn mit einem göttlichen, an die Hitze angepassten Menü verwöhnte. Logistisch stellt natürlich eine solche Probe bei den Temperaturen schon vor Probleme. Schnell verkosten war angesagt, bevor aus dem knackigen Riesling eine Art Weißer Glühwein wurde. Und natürlich hätten einige Weine – allen voran natürlich der G-Max – längere Zeit in einer Karaffe gebraucht, was leider auch nicht möglich war. Nachverkosten und Verfolgen der Entwicklung eines Weines waren durch die Anzahl der Teilnehmer und die Menge an Wein natürlich auch nicht drin. Da ich aber den überwiegenden Teil der Weine kannte, ging es auch so. Das was jetzt als Notizen kommt, sind Momentaufnahmen von Weinen, die noch dazu aus unterschiedlichen Kellern und entsprechend unterschiedlicher Lagerung kommen.

Wem übrigens einige meiner Beschreibungen und Bewertungen merkwürdig vorkommen sollten. Die Weine wurden blind ausgeschenkt. Und da ich im Gegensatz zu vielen Teilnehmern Uwes Verkostungsliste nicht hatte, war es bei mir komplett blind. Ich habe dann meine Bewertungen auch nicht nach dem aufdecken – eine fürchterliche Unsitte bei solchen Proben – „den Etiketten angepasst“.

Eintrinken war angesagt mit dem ersten Flight durchweg noch nu warmer Weine, die wohl gerade erst aus Dorsel eingetroffen waren. Reif wirkend, gelbfruchtig mit schönem Schmelz und Fülle, aber durchaus auch noch mit Potential das 2012 Kirchenstück GG von Buhl – WT93+. Schlank mit kalkiger Mineralität und guter Struktur das 2012 Pettenthal GG von Kühling-Gillot – WT94. Kräftig, üppig, etwas rustikal wirkend mit guterSäure das 2011 Kirchenstück GG von Winning – WT93. Mit enormer Kraft und viel Druck, aber auch noch stückweit verschlossen und viel Potential der 2011 Rothenberg Wurzelecht von Kühling-Gillot – WT94+.

Passend zur heißen Witterung und einem entsprechenden Jahrgang gab es jetzt den Vorläufer, 2003. Beim ersten Wein konnte ich das nicht glauben. Der wirkte so frisch, so jung, so mineralisch mit knackiger Säure. Da ich den Jahrgang nicht wusste, hatte ich hier blind auf einen jüngeren Wein von Keller getippt. Beeindruckend, dieses 2003 Pittermännchen GG von Diehl – WT96. Da kam der 2003 Kiedricher Gräfenberg GG von Robert Weil nicht mit. Der wirkte restsüß und etwas diffus, korpulent am Gaumen, da fehlte einfach die Säure – WT88. Würzig, weich, mit wenig Säure der gut zu trinkende 2003 Keller ‚R’, der aber um Längen von Kellers immer noch so frischen GG´s entfernt. Denen merkt man das heiße Jahr nicht an. Diesem Wein hier schon – WT89. Mit meiner Vermutung, das könne ja nur Deutschlands ältester Biowein sein, lag ich beim vierten Wein dieses Flights nicht so ganz falsch. Der 2003 Doosberg Zwei Trauben von Peter Jakob Kühn hatte eine sehr reife Farbe und wirkte schon ziemlich oxidativ – WT82.

Sehr schade, dass der 2000 Schlossberg von Breuer Kork hatte. Ich hab´s mit „drunter durch trinken“ versucht. Da ließ sich zumindest gut erahnen, dass dieser Wein mit seiner hellen Farbe, der präzisen Frucht und der guten Säure ohne Kork ein großer, junger Wein auf WT96 ist. Nicht die beste Flasche hatten wir leider bei der 2001 Halenberg Auslese trocken von Emrich Schönleber. Die wirkte mit reifer Farbe opulent und sehr füllig, die Säure stimmte zwar, aber man hatte den Eindruck gärender, überreifer Früchte – WT92. Sehr reif, weich und schmelzig mit fast überreifer Gelbfrucht wirkte der ansonsten sehr stimmige, durchaus große 2002 Idig GG von Christmann – WT95. Kenne ich aus eigener Lagerung jünger und straffer. Ein echtes Highlight und einer der Top-Weine dieser Probe war der 2002 Pechstein PC von Bürklin-Wolf. Brilliantes Goldgelb, sehr würzig, mineralisch mit guter Säure, noch soviel Frische zeigend, enormer, aromatischer Druck am Gaumen und tolle Länge – WT97.

Stiel mit Stil, diese reife, füllige, aber sehr charmante 1997 Hochheimer Stielweg Auslese trocken von Künstler – WT95. Gut gelagerte Weine von Künstler aus den 90ern kann man fast bedenkenlos kaufen. Schon faszinierend, wie gut die weine eines der Pioniere des trockenen, deutschen Rieslings reifen. Frisch, kernig mit fast noch etwas aggressiver Säure der 1997 Brudersberg von Heyl zu Herrnsheim – WT92. Das war wohl Klaus Peter Kellers Meisterstück während seiner Geisenheimer Zeit, dieser Rheingauer 1996 Berg Roseneck, abgefüllt vom damals väterlichen Weingut. Ein absolut stimmiger, noch so frisch anmutender Wein mit guter Säure, der im Glas sehr schön ausbaute – WT93. Wenn man nicht ohnehin wüsste, was Klaus Peter Keller inzwischen alles erreicht hat, würde man bei diesem Wein sagen, da hat einer Talent. Ein Gigant die 1997 Kallstadter Saumagen Auslese trocken von Koehler-Ruprecht, so kräftig mit puristischer Struktur und intensiver, kalkiger Mineralität, eines der vielen Meisterstücke von Bernd Philippi, das noch lange altern kann – WT97.

Reife Fülle, Schmelz und Charme zeigte das 2005 Hochheimer Hölle 1.G von Künstler, das aber von der Brillianz der damals noch produzierten Goldkapsel Auslese trocken weit entfernt ist – WT94. Etwas karg und sehnig wirkte die 2005 Kallstadter Saumagen Auslese trocken von Koehler Rupprecht mit ihrer intensiven, kalkigen Mineralität, der aber irgendwo die Seele fehlte, die wohl in die ‚R’ und ‚RR’ Versionen gewandert ist – WT90. Ziemlich daneben aus dieser, wohl nicht gerade besten Flasche die 2004 Hermannshöhle von Dönnhoff. Die hatte ich erst wenige Tage als puristischen Traumriesling mit WT97 im Glas gehabt. Leichte Probleme hatte ich auf hohem Niveau auch mit der 2004 Wehlener Sonnenuhr Auslese trocken** von Molitor. Die hatte den (nicht sörenden) Hefeton junger Prüms, war sehr mineralisch, viel Schiefer, aber auch salzig, nur die restsüß wirkende Frucht irritierte etwas. Da sind die heutigen, trockenen Molitors besser – WT92.

Viel diskutiert wurde und wird immer noch der Jahrgang 2007. Erst wurde mal wieder als Jahrhundert-Jahrgang ausgerufen. Dann geriet er etwas in Verruf, weil viele Weine in die Breite gingen. Und jetzt ist er plötzlich wieder en Vogue, weil die besseren Weine wie nach einer Spezial Diät plötzlich wieder unglaubliche Eleganz und Finesse zeigen. Ein Riese war 2007 Pettenthal von Kühling-Guillot. Zupackend, kräftig, mineralisch, sehr komplex mit wunderbarer Länge am Gaumen – WT96. Eine Rarität – oder soll man sagen Kuriosität – war der 2007 Hubacker/Felix von Keller vom damals erst neunjährigen, ältesten Keller-Sohn, der nie auf den Markt gekommen ist. Ein durchaus tauglicher Erstlingswein, der aber jetzt natürlich nicht mehr mit dem 2007 Hubacker GG von Keller mit kam. Der hat wieder eine Rolle rückwärts gemacht und zeigt sich nicht mehr so barock-füllig, wie in der Anfangszeit, sondern ausgesprochen elegant und fein mit Potential für lange Jahre – WT95. Absolut stimmig, druckvoll und trotz 2007er Fülle durch die gute Säure sehr balanciert zeigte sich der 2007 Morstein GG von Wittmann – WT95.

Was für ein geniales Teil, dieses 2014 Felseneck GG von Schäfer-Fröhlich, das in perfekter Form die Klasse der Lage, des Weingutes und des unterschätzen Jahrgangs zeigt. Klar, da ist immer noch die typische Spontinase, aber auch superbe, glockenklare Frucht, intensive Mineralität und laserscharfe, präzise Struktur, macht jetzt in erster, jugendlicher Trinkreife schon immensen Spaß und gewaltiges Potential – WT96+. Eingequetscht zwischen zwei Giganten der sehr gelungene, gefällige, fruchtig-generöse 2012 Hubacker von Keller – WT94. Denn direkt neben dem Hubacker stand der 2014 G-Max von Keller, der wohl teuerste, trockene Weßwein Deutschlands und einer der teuersten, gesuchtesten dieser Erde. Leuchtende Augen überall am Tisch. Es schien, als ob einige der Teilnehmer von Geburt an auf nichts anderes gewartet hätten, einmal einen G-Max zu verkosten. Der war absolut blutjung, und um die Größe, die der mal entwickeln wird, zu erfassen, war schon viel Phantasie erforderlich. Irritierend etwas die extrem primärfruchtige Nase, Zitrus mit etwas Traubenzucker, am Gaumen schlank und rassig mit der dazugehörigen Säure, aber auch mit gewaltigem, aromatischem Druck, wie ein junger Rassehengst, der erstmals raus auf die Weide darf. Natürlich sehr beeindruckend, aber für mich heute WT94+, morgen WT96+ und in 15-20 Jahren in der Reife WT98+. Dann wird man, so es ihn noch gibt, über diesen Wein so staunen wie heute über den legendären, ersten 2001 G-Max. Deshalb bleibt meine 2014er Kellerkiste zu. Vor lauter G-Max Euphorie befasste sich kaum jemand mit dem großartigen, ebenfalls viel zu jungen, puristischen 2013 Kirchenstück von Winning, das eine großartige Struktur zeigte, aber noch von immenser Säure geprägt war. Da sind noch einige Jahre Warten angesagt – WT94+.

Ein absolut genialer Wein, und das aus diesem schwierigen Jahr, der 2006 Keller ‚RR’. Besaß die Fülle und die Kraft eines Kirchenstücks von Bürklin-Wolf, für das ich diesen Wein blind auch gehalten habe – WT96. Schmelzig, fruchtig, fröhlich und einfach schön zu trinken das 2009 Frühlingsplätzchen GG von Emrich-Schönleber – WT93. Ein gewaltiger Wein, noch viel zu jung, aber mit großer Zukunft war der 2009 CO von Kühling-Gillot. Saftige Frucht, gute Säure, sehr dicht und kräftig, aber die Musik spielt hier erst richtig in 5-10 Jahren – WT95+. Das dürfte auch für 2009 Pettenthal von Kühling-Gillot gelten. Zeigte sich hier elegant und mineralisch mit feiner Kräuternote, aber auch noch etwas verhalten, da kommt noch mehr – WT94+.

Ich habe auf Fotos der einzelnen Flights verzichtet, da diese ja in der Mehrzahl hinlänglich bekannt sein dürften. Auf dem Versuch eines Gruppenfotos unten fehlen einige Flaschen, da mal wieder – auch das eine fürchterliche Unsitte – einige Teilnehmer ungefragt Trophäen eingeheimst hatten. Dafür ist zum Beispiel gut zu sehen ein 2003 Il Caberlot aus Franz Josefs Keller, der sich trotz des auch in Italien warmen Jahres bei der anschließenden, kleinen Freestyle Verkostung in geradezu sensationellem Zustand zeigte.