California Dreaming

Es ist jedes Jahr ein einmaliges Highlight, die große Probe von Eugen Haefliger bei Franz Wiget im Restaurant Adelboden in Steinen. Zu einem großen Menü des Schweizer Altmeisters zaubert Eugen aus seinem Keller großartige Raritäten, die zu einer grandiosen Probe kombiniert werden. California Dreaming hieß das Thema in diesem Jahr. Schlicht weg atemberaubend war wieder das, was in diesem Jahr in die Gläser kam. Glücklich, wer hier dabei sein durfte.

Baschi Schwander, der an diesem Abend als Maitre de Plaisir wieder für perfekten Weinservice sorgte, hat mir seine Fotos der Flights mit den noch vollen Flaschen zur Verfügung gestellt. Dafür herzlichen Dank, sieht einfach besser aus als das, was ich im Laufe des Abends mit dem Handy geknipst habe.

Los ging es mit einem schier unglaublichen 78er Flight. 1978 war ein großer Kalifornien Jahrgang mit immer noch so frischen Weinen, die sich über lange Zeit entwickelten. Die Besten haben noch eine längere Zukunft vor sich, vor allem, wenn sie aus so einem perfekten Kellerstammen wie diese Flaschen.

Der rustikal-kernige 1978 Phelps Backus Vineyard zeigte sich enorm kräftig und immer noch frisch mit würziger, dunkler Frucht und Satelleder – WT96. Absolut großartig und in Bestform der 1978 Caymus Special Selection mit superber, pikanter, rotbeeriger Frucht, so elegant und voller Finesse, dabei noch fast taufrisch, getragen von guter Säure, mit feiner Minze und einem Hauch Eukalyptus, so animierend und unglaublich sexy, eine echte Caymus-Legende - WT99. Absolut perfekt wie zuletzt im letzten Herbst auf der großen 78er Probe der 1978 Shafer. Das war nicht nur der allererste Shafer, der damals noch nicht Hillside hieß, sondern wohl auch der beste, jemals produzierte. Immer noch so jung, kräftig und enorm druckvoll mit dichter, aber auch präziser, dunkelbeeriger Frucht, viel Minze und einer fantastischen Struktur mit guter Säure und Mineralität – WT100. Eine weitere Legende im werden war der sehr beeindruckende 1978 Heitz Martha’s Vineyard Ein wilder, leicht exotischer Wein mit reichlich Minze und Eukalyptus, der die Eleganz des 1974ers mit der Kraft des 1975ers verband – WT100. In überragender Form aus meiner bisher besten Flasche zeigte sich auch dieser geniale Pauillac aus Kalifornien, der 1978 Ridge Monte Bello. Sehr minzig, so perfekt balanciert, elegant und druckvoll mit nobler Struktur, ein altersfreier Riese, der enorm im Glas zulegte und noch eine längere Zukunft haben dürfte - WT99.

1994 war der sicher beste Kalifornienjahrgang der 90er und einer besten Kalifornienjahrgänge überhaupt. Die Weine hatten mehr Frucht als in den 80ern und davor, waren aber nicht so üppig wie 1997 und die Weine nach 2000. Mit sehr guter Struktur und strammen Tanninen zeigten sie hervorragendes Alterungspotential und tun das immer noch.

Los ging es mit dem großartigen 1994 Bryant Family Vineyard. Diese ehemalige Wuchtbrumme zeigte sich ausgesprochen fein, balanciert und elegant und ginge blind auch als großer Premier Cru aus Pauillac durch. Wunderbare, präzise Cassis Frucht, eine altersfreie Schönheit, die immer mehr seidige Eleganz zeigt, aber darunter auch noch enorme Kraft und einen langen Abgang – WT99. Sehr schwierig und eigentlich eine herbe Enttäuschung der 1994 Dalla Valle Maya, bei dem vom früheren Glanz nicht viel übergeblieben ist. Kalter Kaffeesatz, alte Gemüsesuppe passen nicht in solch einen Wein. Reiht sich leider ein in die vielen, enttäuschenden Mayas aus dieser Periode, die ich in den letzten Jahren im Glas hatte, bei nur wenigen Ausnahmen. Ganz anders der fantastische 1994 Dominus, der in 10 Jahren durchaus wieder die Perfektion der früheren Fruchtphase erreichen könnte. Wirkte erstaunlich zugänglich, dezent animalisch mit viel Leder und erster, feiner Süße, aber darunter versteckt sich enorme Kraft und Substanz mit voll intakten Tanninen, die eine lange Zukunft garantieren – WT97+. Nicht nur der beste, jemals erzeugte Harlan, sondern auch eine der ganz großen, kalifornischen Legenden dieser atemberaubende 1994 Harlan, der nach wie vor keinerlei Zeichen von Reife zeigt. Als Quadratur des Kreises wirkte der wieder wie ein großer, junger, reifer Latour. Ein geradezu unsterblicher Wein mit „präziser Opulenz“ der viele von uns noch überleben dürfte – WT100. Nur im Schneckentempo entwickelt sich der 1994 Togni, der mit der Struktur eines großen Bordeaux und tiefgründiger Mineralität an einen großen La Mission erinnerte. Puristische Frucht, Schwarze Johannisbeere mit viel Minzfrische und Tannine satt für eine lange Zukunft – WT97.

Die Suche nach gut gelagerten 94ern aus Kalifornien lohnt immer noch.

In diesem Jahrtausend sind die kalifornischen Weine noch fruchtbetonter und üppiger. Eines der mit Abstand besten Jahre bisher ist 2001. Die Weine haben sich sehr gut entwickelt und zeigen bei aller Opulenz auch Eleganz, Frische und gute Struktur. 5 dieser Superstars bekamen wir in diesem Flight ins Glas.

Perfektion der 2001 Abreu Madrona Ranch, der sich bei aller Dichte so unglaublich fein, elegant und perfekt balanciert zeigt, ein echtes Meisterwerk von David Abreu mit großer, langer Zukunft – WT100. Auch den 2001 Bond St. Eden hatte ich schon mehrfach perfekt im Glas. Hier zeigte sich dieses gigantische Konzentrat aus dem Harlan-Stall noch so unglaublich dicht und konzentriert. Da tun noch ein paar Jahre Lagerung gut – WT98+. Einfach sexy und komplett mit enormem Tiefgang der 2001 Colgin Carriad, ein Wein, bei dem einfach alles stimmt – WT100. Der schon ziemlich reif wirkende, sehr elegante 2001 Screaming Eagle kostet sicher soviel oder mehr wie die anderen Weine zusammen, konnte aber auf diesem extrem hohen Niveau nicht mithalten – WT97. Von seiner allerbesten Seite zeigte sich der komplexe, mineralische 2001 Shafer Hillside Select, der Opulenz mit großartiger Struktur verband - WT100.

Man muss diesen dichten, fruchtbetonten, opulenten Stil nicht mögen. Aber wenn man es tut, dann ist man mit diesen Weinen im absoluten Weinhimmel.

2001 und 2002 werden oft als Zwillingsjahrgänge bezeichnet, beide groß, 2001 mit mehr Struktur, 2002 mit mehr Opulenz. Und trotzdem tat sich der nächste Flight mit 5 Weinen aus 2002 etwas schwer, und ein Vergleich wäre etwas unfair. Nach der atemberaubenden Qualität der 2001er im letzten Flight konnte es einfach nicht auf dem Niveau weitergehen, zumal zwei der 2001 Superstars, die auch in 2002 perfekt sind (Abreu Madrona und Shafer Hillside, beide schon mehrfach auf WT100 Niveau verkostet) hier fehlten.

Der 2002 Araujo Eisele Vineyard hatte ich schon vor einigen Jahren mit WT99 im Glas) hatte opulente, cremige, dunkle Frucht mit etwas Minze, wirkte elegant und auch schlank mit guter Mineralität, aber wenig Druck und war etwas verhalten im Abgang – WT96. Geradezu jugendlich mit noch massiven Tanninen schrie der sehr konzentrierte, dichte 2002 Bond Vecina noch nach weiterer Lagerung – WT96+. Noch so jung und einfach sexy in einfach bester Insignia-Art war der 2002 Phelps Insignia mit schöner Fülle, cremiger, opulenter, süßer Frucht und feinem Schmelz im langen Abgang. Hatte ich schon etwas offener im Glas. Dürfte sich über viele Jahre weiterentwickeln und noch zulegen – WT96+. Insignia ist einfach immer eine Bank. Geradezu explosiv die Aromatik des sehr kräftigen und dichten 2002 Larkmead Solari Reserve mit viel Brombeere und Blaubeere, am Gaumen trotzdem erstaunlich schlank – WT96. Mit der Zeit entwickelte sich ein leichter Fehlton, der auf Kork hindeutete. Der mit 100 Parker-Punkten versehene 2002 Lokoya Mount Veeder zeigte sich als richtige, kalifornische Wuchtbrumme, süß, opulent, füllig mit enormer Kraft und guter Zukunft. Hatte ich schon besser im Glas, aber das kann sich mit weiterer Reife wieder ändern – WT95+.

So, wie sich große Bordeaux nach einer mehr oder weniger langen Fruchtphase wieder verschließen, scheint es auch bei großen Kaliforniern so eine Art Weinpubertät zu geben. Der oft so faszinierende Babyspeck verschwindet, die Struktur muss noch nachwachsen.

Den undankbaren, letzten Platz hatte dann zu später Stunde der 2005er Flight, wo nicht unbedingt perfekte weine auch langsam müde Gaumen trafen. 2005 ist ein sehr gutes Kalifornienjahr, aber die verhängnisvolle Allianz von wärmerem Klima und nach immer reiferer Frucht strebenden Winemakern führt halt zu Weinen, die wie hier sehr üppig, süß, füllig und geradezu mächtig sind.

Dicht, konzentriert und ziemlich üppig der 2005 Ovid Red Wine. Im letzten Jahr habe ich den als „Monster in the making“ bezeichnet. Das trifft es immer noch – WT96+. Sehr kräftig mit reifer, dunkler Frucht, cremiger Textur und Fülle der 2005 David Arthur Estate Elevation 1147, der das kräftige Holz der Jugend inzwischen besser verdaut hat und noch zulegen könnte – WT95+. Untrinkbar durch deutlichen Korkton leider der 2005 Vérité Le Désir. Er stammt aus einem ambitionierten Projekt in Sonoma, wo auf Basis klassischer Bordeaux Blends sehr alterungsfähige Weine entstehen sollen. Parker hat diesen Wein zuletzt mit 100 Punkten geadelt. Das galt auch für den 2005 Vérité La Joie, der sich fehlerfrei präsentierte. Auch das ist eine sehr konzentrierte, kalifornische Fruchtbombe mit dichter, minziger Frucht. Zeigt sich zumindest etwas vielschichtiger mit Leder, Tabak und guter Mineralität. Ob sich da mal ein großer Bordeaux made in California draus entwickelt, muss die Zeit zeigen – WT96+. Hoffentlich nur eine schlechte Flasche war der 2005 Scarecrow, der dicht und überextrahiert wirkte, und bei dem deutliche Essignoten den Spaß etwas verdarben – WT92.

Bleibt noch ein Blick auf das Rahmenprogramm dieser grandiosen Probe, bei der ich immerhin 6mal die Höchstnote von WT100 zücken durfte.

Empfangen wurden wir mit einem 2013 Edge Hill Chardonnay Bacigalupi Vineyard aus dem Russian River Valley. Der war enorm kräftig mit guter Struktur, hatte aber (zu) reichlich Holz vor der Hütte, was etwas erschlagend wirkte Würde ich gerne in ein paar Jahren noch mal probieren – WT92+. Einer der schönsten Weine des Abends war der Tischwein. 1997 Phelps Insignia aus der Doppelmagnum war in absolut bestechender Form. Traumhafte Cassis-Frucht, viel Minze und auch Minzfrische, druckvolle Aromatik, grandiose Struktur, feinster, schokoladiger Schmelz, so elegant und stimmig. Vielleicht der „best ever“ Insignia und ein Musterbeispiel dafür, wie man auch in üppigen Jahren großartige Weine machen kann, die nicht dick, überkonzentriert und überladen sind, sondern animierenden Trinkspaß auf höchstem Niveau bieten – WT99. Der Insignia stammt aus der Zeit des legendären Walter Schug als Winemaker bei Phelps und ist einer der besten, zuverlässigsten kalifornischen Weine, die man für akzeptables Geld kaufen kann. Den Abschluss des Abends bildete zu Desserts und Friandises der 2001 Dolce Late Harvest von Far Niente, erstaunlich fein, weich, cremig mit schöner Aprikose – WT91.