Chateauneuf & Friends

Zu einer großen Chateauneuf-du-Pape Vertikale hatte Uwe Bende für den nächsten Tag ins Restaurant Schorn eingeladen. Da das bei uns leider zeitlich hinhaute, haben wir zu dieser Best Bottle des Vorabends, ebenfalls im Schorn, einfach von unserer Seite die möglichen Höhepunkte des nächsten Tages mitgebracht.

Immer noch so lebendig war der 1947 Chateauneuf-du-Pape Blanc La Belle du Roy von den Caves du Val Clos. Gülden die Farbe, in der Nase dezent brandig, absolut trocken, viel Druck am Gaumen mit feiner Bitternote – WT90. Tief die Farbe der 1959 Niederhäuser Hermannshöhle feine Spätlese vom Weingut Wirth, sehr mineralisch, klassisch Hermannshöhle halt, gute Säure, nur dezente, gut eingebundene Restsüße, damit eher halbtrocken wirkend, sehr stimmig und balanciert mit guter Länge – WT94.

Sehr selten waren seinerzeit an der südlichen Rhone Magnums, aber eine solche hatten wir jetzt in sehr gutem Zustand vor uns. Atemberaubend, schlichtweg atemberaubend war diese 1959 Chateauneuf-du-Pape Magnum von den Etablissements Veuve Nony. Die wirkte noch so jung, so kräftig und brauchte in der Karaffe Luft ohne Ende. Kam kernig mit teeriger Mineralität und Lakritz wie ein junger Barolo ins Glas. Baute erst zögerlich, dann immer mehr aus, reichlich Kräuter kamen zum Vorschein, dann immer prächtigere Kirschfrucht, die gewaltige Struktur blieb. Schließlich kamen immer mehr Eleganz, Finesse und eine generöse Süße. Der Barolo verwandelte sich immer mehr in einen großen, gereiften Burgunder. Meine Bewertungen gingen immer höher. Als ich bei WT97 eigentlich längst nicht endete, war nichts mehr in meinem Glas und der Karaffe. Nur an Uwe Bendes zufriedenem Grinsen (der hatte rechtzeitig die Reste gebunkert) konnte ich erkennen, das vielleicht auch noch mehr ging.

Und dass diese Qualität kein Zufall war, zeigten auf WT96 Niveau aus 1teln danach noch zwei weitere 1959er Chateauneuf. Der 1959 Chateauneuf-du-Pape von der Domaine de Mont-Redon wirkte noch so frisch mit tiefer, junger Farbe, dazu mit ebenfalls noch so frischer, dunkler Kirschfrucht, am Gaumen kam dazu eine wunderbare, burgundische Eleganz – WT96. Sehr fein, sehr elegant mit generösem, süßem Schmelz der im besten Sinne burgundische 1959 Chateauneuf-du-Pape von Berard Père et Fils, gut gereift, aber noch lange nicht am Ende – WT96.

Das Geheimnis dieser Old School Chateauneufs? Vergären mit Stengeln, was heute leider kaum noch passiert. Slow Wine im besten Sinne. Ich hätte gerne die Gesichter all derer, die gerade euphorisch über die polierten 2018er Bordeaux berichtet haben, 1960 bei einer Primeur Verkostung der 1959er Chateauneuf Verkostung gesehen. Den hätte wohl das Grauen im Gesicht gestanden.

Geradezu jugendlich wurde es danach mit einem prächtigen 1976 Chateauneuf-du-Pape von Clos des Papes. Sehr dicht die Farbe, komplexe, dichte, an Rayas erinnernde Nase, feine, dunkle Frucht, Lakritz, dazu intensive Minze, am Gaumen sehr stimmig, kraftvoll und lang – WT96. Hat sicher noch sehr gute Zukunft.

Als Reserveflasche hatte ich noch einen älteren Beaujolais dabei, aber was heißt hier älter? Dieser immer noch so frische 1978 Moulin-a-Vent Clos du Grand Carquelin Chateau des Jacques von Thorin hatte, feine Frucht, Himbeere und Walderdbeere, war sehr würzig, elegant mit guter Säure und ging wie viele dieser älteren Beaujolais als guter Burgunder durch – WT94. Dürfte ebenfalls gut weiter altern

Damit waren wir (ich habe auch für drei Freunde angestellt) durch. Doch es kamen noch reihenweise Knaller von den anderen Teilnehmern, jeweils in spannenden Zweierpärchen.

Der 1966 Palmer in einer belgischen Grafé-Lecoq Abfüllung kam mit seiner teerigen, lakritzigen Aromatik erst wie ein Rhonewein ins Glas, öffnete sich mit viel Luft aber rasch und wurde offener, süßer, schmelziger und zeigte die typische, burgundische Eleganz gereifter Palmers – WT94. Erstaunlich weich, reif, charmant und elegant im anderen Glas der lange so ruppige 1986 Palmer mit inzwischen sehr reifen Tanninen – WT93.

Natürlich kamen alle Weine stets blind ins Glas, was keinen Raum für Vorurteile oder vorschnelle Beurteilungen lies. Hätte ich sonst diesem traumhaft guten 1999 Chateau Montelena, den ich noch nie in dieser überragenden Qualität im Glas hatte, mit dieser geradezu jugendlichen, herrlichen Frucht, dieser Minzfrische und dieser präzisen Struktur ohne zu Zögern die WT97 gegeben, die dieser Wein in diesem Zustang voll verdiente? 1999 war kein Überfliegerjahr in Kalifornien, aber ein gutes mit ein paar Ausnahmeweinen. Den im anderen Glas habe ich sofort erkannt. Denn mit diesem 1999 Foley Claret, der zu meinen persönlichen Lieblingsweinen gehört, hatte ich 2011 bei der American Beauty schon mal den Siederwein gestellt. Dichter und kräftiger als der Montelena, so unglaublich druckvoll am Gaumen, ein Wein, der von allem alles hat, und dabei in erster Reife trotz allen aromatischen Drucks so unglaublich stimmig, komplex mit enormem Tiefgang, aber vor allem auch elegant wirkt – WT99. Warum ich dem in den bisherigen, über 10 Begegnungen immer WT99, aber WT100 gegeben habe? Weil er eben kein 94er Harlan ist, sondern „nur“ ein 1999 Foley.

Und mit der nächsten Paarung bekam ich schon wieder zwei meiner Lieblingsweine ins Glas. Ein begeisternder, immer noch so jung wirkender Powerwein der 1988 Mouton Rothschild mit der typischen Mouton-Aromatik, immer noch spürbare Röstaromen, Cassis pur, Leder, Minze, tiefe Mineralität, gewaltiger, aromatischer Druck am Gaumen, aber auch Eleganz und sehr geradlinige Struktur, sehr dichtes Tanningerüst – WT97+. Wird über lange Jahre weiter zulegen. Ein Legenden-Kandidat ist auch 1989 La Mission Haut Brion. Nur hat der sich wie viele andere 89er auch je nach Lagerung in den meisten Flaschen zumindest in einen Dämmerschlaf zurückgezogen. Verschlossen wirkte er, dazu laktisch – WT95+. Ich habe diesen Wein schon so oft mit WT100 im Glas gehabt, auch im Vergleich mit 1989 Haut Brion, bei denen mal der eine, mal der andere trotz Augenhöhe knapp vorne lag. Aber während sich der Haut Brion immer noch meist in Topform zeigt, läuft bei La Mission schon etliche Jahre bis auf Ausnahmen nichts mehr. Da hilft nur geduldiges, vieljähriges Warten. Dann wird er sich wieder in Perfektion zeigen und unter die großen La Missions des letzten Jahrhunderts einreihen.

Auch das Öffnen des 2008 Sassicaia war eigentlich Verschwendung. Der war straff, dicht, sehr jung, konzentriert und stückweit verschlossen. Gute Sassicaias, und da gehört der 2008er zu, gehören eigentlich jung getrunken und dann 10-15 Jahre weggelegt – WT93+. Nicht klar kam ich im anderen Glas mit dem 2016 Saturio von Garagenwinzer Nicolai aus der Thermenregion in Österreich. Dieser reinsortige, sehr kräftige, gut gemachte Merlot mit nicht gerade schlanken 15% Allkohol wirkte auf durchaus hohem Niveau etwas diffus und muss wohl noch zu sich finden – WT92(+?). Würde ich gerne noch mal aus früheren Jahren oder in der Reife probieren.

Oxidiert war leider der 2002 Gantenbein Pinot Noir. Eigentlich ist das ein großer, immer noch sehr gut trinkbarer Wein, aber wenn der Korken nicht richtig schließt, was hier wohl der Fall war, hilft selbst beste Lagerung nichts. Dafür wurden wir zum Abschluss unserer Probe mit dem Wein des Abends verwöhnt, einem schlichtweg göttlichen 1999 Côte Rotie La Mouline von Guigal. Gilt bei Riesling die „ten years after“ Regel für ungehemmten Genuss, so sind es bei Guigals LaLas die magischen „20 years after“, wenn diese genialen Weine anfangen, alles zu zeigen. So eine verführerische, süße Frucht hatte dieser La Mouline, so würzig mit einem Pfauenrad an Aromen in der Nase, aber auch am Gaumen, bei aller Konzentration so eine feine,, elegante, seidige Textur und wunderbare Länge – WT98+. Wird sich über lange Zeit weiterentwickeln und in ein paar Jahren sicher die magischen WT100 erreichen, die für Guigals LaLas aus großen Jahren ja schon fast Standard sind.