Grosse Burgunder in Halle M 2019

Am Prowein Montag war es wieder soweit. In „Halle M“, dem Landhaus Mönchenwerth, startete meine jährliche Burgunder-Raritätenprobe für meine Winzerfreunde.

Als Apero begannen wir mit einem 2009 Meursault Charmes Cuvée Bahezre de Lanlay vom Hospice de Beaune, abgefüllt von Lucien Le Moine aus der Magnum. Das war Meursault und großer, Weißer Burgunder in Reinkultur, sehr würzig, mineralisch mit feinem, nussigem Schmelz, komplex und lang, baute enorm im Glas aus und zeigte wieder eine einfach wunderbare Trinkigkeit – WT96. Wie schön, wenn solch ein Burgunder noch Zukunft zeigt und dabei kein Zeichen von Premox in Sicht ist. Danach kam ebenfalls aus der Magnum ein 1983 Puligny-Montrachet Blagny von Prosper Maufoux. Natürlich war der reifer, aber nicht alt. Zeigte eine feine nussige Note und baute enorm im Glas aus. Wurde dabei immer saftiger und zeigte sich zum Amuse Bouche, einem Ceviche, als guter Speisebegleiter – WT92.

Eigentlich war der erste Rotweinflight nur zum Eintrinken gedacht, überraschte aber mit überragender Qualität. Der 1967 Chambertin Clos de Bèze von Drouhin-Laroze hatte eine geradezu sinnliche, süchtig machende Burgundernase mit schöner Frucht und feinstem Schmelz, was sich am Gaumen nahtlos fortsetzte. Hoch elegant ohne jedes Alter zeigte sich dieser schlichtweg traumhafte Charmeur mit der generösen Süße eines gut gereiften Burgunders – WT97. Sehr kräftig und deutlich jünger wirkend, auch in der jungen, dichten Farbe der 1967 Gevrey Chambertin Lavaux St. Jacques von Remoissenet, ein enorm druckvoller Wein mit viel Tiefgang, der lang am Gaumen blieb – WT96.

Raten war jetzt angesagt. Was konnte da im Glas sein?. Die versammelten, hochkarätigen Experten waren sich einig. Das musste ein schöner Burgunder aus dem Anfang dieses Jahrtausends sein. War er aber nicht. Warum machen die heute bei Caymus keinen Pinot mehr? Dieser 1977 Caymus Pinot Noir stand wie eine Eins im Glas mit junger Farbe, wunderbarer Frucht von blauen Beeren, so jung und balanciert mit feiner Süße – WT95. Eigentlich hätte ich meine Winzerfreunde, die alle daneben lagen, jetzt zur angedrohten Altbierprobe in die Düsseldorfer Altstadt schicken müssen. Na gut, alleine weiter trinken wollte ich nicht, also gab es noch eine zweite Chance. Diesmal einigte sich die Runde auf einen gut gereiften Burgunder aus den 60er oder 70er Jahren. Was für ein großes Kompliment für diesen 100 Jahre alten Beaujolais, einen 1919 Fleurie von Guichard Potheret. Der wirkte noch erstaunlich fit und frisch, wozu die gute Säure beitrug. Entwickelte sich mit Luft sehr gut mit immer generöser werdender, feiner Süße und zeigte in der Nase eine florale Veilchennote – WT94. Womit mal wieder sehr deutlich gezeigt wurde, das Gamay, die Traube im Beaujolais, genauso gut altern kann, wie Pinot Noir. Vorausgesetzt natürlich, dass man sie lässt.

Wir blieben im nächsten Flight im nächsten Flight mit zwei weiteren Hundertjährigen im Jahrgang 1919, der zusammen mit 1911 und 1915 die Goldene Zeit des Burgunds bildete. Reif mit bräunlicher Farbe war der 1919 Clos Vougeot von der Societé Anonyme Coteaux Chalonnais. Gestützt von guter Säure, aber auch feiner Süße war er aber immer noch gut trinkbar, was für einen 100jährigen Wein ja schon einiges bedeuted – WT90. Deutlich jünger wirkte im Vergleich der herausragende 1919 Clos Vougeot von Leon Rigault. Schöne Farbe, immer noch mit Rottönen, erstaunlich frische, saftige Frucht, elegant und balanciert mit schöner Süße, einfach ein perfekter, sehr stimmiger, großer Burgunder und einer der beiden Top-Weine der Probe – WT100. Damit war er noch besser als die Zwillingsflasche vor 7 Jahren. Hätte ich gerne noch eine ganze Kiste von.

Etwas schwierig begann der einfache 1928 Bourgogne von Nicolas und zeigte zu Anfang Klebstoff. Doch der verschwand mit zunehmender Luft schnell und machte erstaunlich schöner, delikater Frucht Platz. Der Bourgogne wurde generöser und gefälliger mit schöner Süße am Gaumen – WT94. Noch eine Ecke drüber der großartige 1928 Pommard Epenots von Louis Latour, der sehr kraftvoll auftrat mit reichlich generösem Schmelz, Fülle, wunderbarer Süße und enormer Länge – WT97.

Absolute Perfektion der 1929 Romanée St. Vivant von Henri de Bahèzre aus einer bauchigen Flasche in sehr gutem Zustand. Ein Traumwein, bei dem einfach alles stimmte. Einfach betörend mit delikater Frucht und spielerischer Eleganz, so stimmig mit feiner Extraktsüße, aber auch geradezu irrem, aromatischem Druck am Gaumen. Ein zeitloser Gigant, der einfach nur sprachlos und glücklich machte – WT100. Klar, da konnte der 1929 Vosne Romanée von Momessin nicht mit, obwohl auch dieser feine, schmelzige und füllige Wein mit seiner schönen Süße und der runzelfreien Statur als Solist sicher das Highlight jeder Probe gewesen wäre – WT96.

Sehr elegant und finessig der 1934 Corton Clos du Roi von Paul Fellot, ein Wein, der förmlich auf der Zunge tanzt und am Gaumen mit feiner Süße verwöhnt, so harmonisch und balanciert – WT97. Noch geradezu jugendlich mit zeitloser Eleganz der 1934 Richebourg von Paul Fellot, der im Glas unglaublich zulegte, sehr kräftig, würzig und lang, aber auch so stimmig – WT98. Beide Flaschen waren in sehr gutem Zustand.

Nicht in Bestzustand, aber immer noch sehr gut trinkbar der reif wirkende 1937 Clos des Fèves von Chanson mit heller Farbe, etwas Klebstoff in der Nase, aber auch feiner Süße am Gaumen – WT90. Absolut grandios vom gleichen Haus der 1937 Echezeaux von Chanson, der kaum Alter zeigte, stattdessen noch Frische, Würze und Tiefgang. Ein komplexer und sehr druckvoller Wein, der sich eingach großartig trank und sehr nahe an der absoluten Perfektion war – WT99.

Groß war der Jahrgang 1945 nicht nur in Bordeaux, sondern auch in Burgund. Das zeigte deutlich dieser normale 1945 Gevrey Chambertin von René Guyenet aus einer perfekten Flasche (3cm) mit lausigem Etikett(besser als andersrum). Der hatte Frische, Jugend, Kraft, Süße, Länge, gute Säure und war sehr balanciert, einfach alles, was ein großer Burgunder braucht – WT97. Etwas rustikaler wirkte der kräftige, füllige, enorm druckvolle 1945 Vosne Romanée von Faye & Cie – WT95.

Sehr gute Erfahrungen habe ich bisher mit den Weinen von Colcombet Frères aus Nuits St. Georges gemacht, dem 1934 Bourgogne Grand Vin und dem Bourgogne Reservée Privée. Dieses Haus muss damals Zugang zu großen Weinen aus großen Lagen gehabt haben. Zugegriffen habe ich deshalb sofort, als ich auf einer Auktion 47er dieses Hauses fang. Und das war ein Glücksgriff. Der 1947 Grand Vin von Colcombet Frères war ein großer 47er, üppig mit der hedonistischen Fülle des Jahrgangs, aber trotzdem schlank mit präziser Struktur und hohem, aromatischem Druck, ein großer, spannender Wein, der zwar Reife, aber kein Alter zeigte – WT98. Sehr gut gelungen auch der 1947 Chambolle Musigny von Roger Lafarge, ein eleganter Wein mit der Süße eines gut gereiften Burgunders, aber auch mit sehr guter Struktur – WT96.

Sehr fein, elegant und gefällig im letzten Flight ein 1953 Nuits-Saint-Georges von Bichot – WT93. Perfekter Abschluss der Probe ein 1953 Clos Vougeot von Pasquier Desvignes mit geradezu verschwenderischer Fülle und Süße, aber auch mit sehr guter Struktur und enormer Länge am Gaumen – WT97.

Ja, es hätte noch zwei weitere Flights aus 1959 und 1969 gegeben. Aber da wir wieder unverschämtes Flaschenglück hatten, bekommen diese beiden Flights nächstes Jahr ihren Auftritt. Flaschenglück kann man zwar nicht erzwingen. Aber ich selektiere die Flaschen für eine solche Probe sehr streng, vor allem mit der Taschenlampe. Die Farbe ist für mich wichtiger als der Füllstand. Ein gesunder, roter Kern muss schon sichtbar sein. Und oxidierte Flaschen lassen sich so auch ausschließen. Denn wo man nichts mehr sieht, weil der Wein dunkel und blickdicht ist, da ist auch nichts mehr los.

Viele meiner alten Burgunder, deren Bestände irgendwann bald zur Neige gehen, habe ich vor Jahrzehnten in Frankreich auf kleinen Auktionen gekauft. Opa tot, Flaschen nie bewegt, Erben wollen Kohle war immer eine gute Gelegenheit für den Erwerb gut gelagerter Raritäten. Irgendwann sind dann halt die jüngeren Jahrgänge dran. Aber was heißt jünger? Schließlich wird der grandiose Burgunder-Jahrgang 1971 auch bald 50.