Magnum Best Bottle 2019

Tradition hat sie inzwischen, unsere Magnum Best Bottle, und gleichzeitig ist sie so etwas wie das Proben Highlight des Jahres. In spannender Runde trafen wir uns auch dieses Jahr wieder im Berens am Kai mit den besten Magnums aus unseren Kellern.

Gleich zwei Topwinzer, die diesmal mitmachten, verwöhnten uns als Apero mit ihrem jeweiligen Topwein. Der erste Jahrgang 2008 A.de.L, der Versteigerungswein von Emrich-Schönleber, von dem es 120 Magnums gab. Der erste 2012 Erdener Prälat GG Reserve von Dr. Loosen, der von 100-120 Jahre alten, wurzelcheten Reben stammt, spontan im Holzfass vergoren wurde und 2 Jahre auf der Feinhefe blieb. Nach weiteren 3 Jahren Flaschenlager kam dieser Wein 2018 auf den Markt. Frank Schönleber und Erni Loosen waren mit am Tisch und präsentierten stolz ihre großen Weine, die sich beide auf WT96+ Niveau über Jahrzehnte weiterentwickeln dürften.

Was für ein großer Burgunder aus kleinem Jahr, mit dem uns Erni Loosen danach verwöhnte. Aus seinem Geburtsjahr hatte er einen 1957 Richebourg von Remoissenet in perfektem Zustand mitgebracht. Feinste, reife Himbeere, Edelhölzer, Kräuter, Tabak, betörende Eleganz und keine Spur von Alter, ein sehr eleganter Burgunder mit feinem Schmelz, der sich sehr gut im Glas entwickelte, immer mehr zulegte und noch Potential vermittelte. Leider war mein Glas bei WT96 leer. Insgesamt wirkte der Richebourg deutlich jünger und frischer als aus dem großen Jahr 1945 der 1945 Vosne Romanée von Maison Leroy, den ich spontan als Hochrisikoflasche daneben gestellt hatte. Der hatte eine schon recht helle, aber immer noch klare Farbe. In der Nase war das mehr Madeira als Sherry, doch am Gaumen war da noch eine schöne, generöse Süße, durch den dieser Wein durchaus noch mit viel Genuss zu trinken war, wenn man diesen Stil mag, dann WT92.

Viele der Weine aus 1976 in Bordeaux sind inzwischen verblüht. Aber die Suche lohnt immer noch nach sehr gut gelagerten Flaschen, vor allem aus der Magnum. Das zeigten eindrucksvoll unsere beiden Giganten. Der gut gereifte 1976 Mouton Rothschild zeigte Paprika, Minze, altes Sattelleder und immer noch feine Röstaromatik, dazu eine schöne, Mouton-Sexy wirkende Fülle am Gaumen und eine feine Bleistift-Mineralität – WT95. Noch eine Ecke drüber der beeindruckende 1976 Lafite Rothschild, der zweite Jahrgang, nachdem dieses Gut mit dem 1975er einen überzeugenden Neustart in der Premium League hingelegt hatte. Ein großer Laftite mit feiner Frucht und geradezu burgundischer Eleganz, mit enormem Schmelz und Tiefgang , mit Zedernholz, gute Mineralität und beachtlicher Länge, ein Lafite zum Träumen mit sicher noch etlichen Jahren Zukunft – WT96.

1978 Margaux war der erste Jahrgang, nach dem die Familie Mentzelopoulos das Gut übernommen hatte. Der trumpfte damals gleich richtig auf und zeigt sich heute immer noch als kerniger, ziemlich junger Wein mit voll intakter Tanninstruktur. Das war jetzt zwar nicht der typische Margaux-Charmeur, aber ein beeindruckender Wein mit präziser, dunkler Frucht, Paprika, frischen Kräutern, Tabak, Leder und erdiger Mineralität. Hat lange gebraucht, um sich richtig zu entfalten und dürfte über die nächsten ein oder zwei Dekaden durchaus noch weiter zulegen – WT95+. Ein Traum der ähnlich frische 1979 Margaux mit fantastischer, süßer, verführerischer Frucht, aber auch der noch mit gewaltiger Kraft, aber auch auch ein eleganter Charmeur, der am Gaumen eine schöne Fülle zeigte. Das war sie hier wieder, die berühmte Eisenfaust im Samthandschuh. Einfantastischer Margaux, der jede Suche wert ist – WT97. Wer diese euphorische Bewertungen mit den älteren Notizen im Internet vergleicht, merkt nicht nur, wie lange diese Weine zur heutigen Form gebraucht haben. Es wird auch klar, dass alte Notizen einfach oft von gestern sind.

Zwei große Bordeaux standen im nächsten Flight, wobei der eine aus Kalifornien war und der andere eher wie ein hochklassiger Burgunder wirkte. Der 1978 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve war ein wunderbarer, klassischer Old School Kalifornier sehr Bordeaux-typischer Struktur. Sehr schöne, nicht überladene, Schwarze Johannisbeere und Cassis, dazu Minze, Eukalyptus, Leder und Tabak, so elegant und balanciert mit etwas feiner Süße. Hat lange für seine Entwicklung gebraucht. Als ich ihn 1995 zum ersten Mal im Glas hatte, war er noch viel zu jung, zeigte aber enormes Potential (WT93+). Seit 2007 habe ich ihn häufig auf dem heutigen Niveau getrunken. Das dürfte er auch noch etliche Jahre behalten – WT96. Eine gute Wahl in 1978 ist übrigens auch der einfache Cabernet von Mondavi, der qualitativ fast auf dem Niveau des Reserve liegt. Einfach ein Traum mit der Pracht und Fülle eines großen, gereiften Burgunders ist der 1983 Palmer, der hier wieder voll überzeugte. Feine, pikante, rotbeerige Frucht, Zedernholz und ein Hauch Minze, sehr gute Struktur mit weichen, reifen Tanninen, ein wunderbarer Charmeur mit seidiger, samtiger Eleganz, sinnlich und geradezu erotisch mit erster, feiner Süße. Eigentlich ein Wein, der solo ohne Essen genossen werden sollte. Einfach einen großen Schluck nehmen, die Augen schließen und träumen – WT97. Auch wenn der 83er Palmer schon länger reif scheint, sollte er sich aus guter Lagerung noch lange auf diesem hohen Niveau halten.

Absolut grandios der nächste Flight. Ich hatte einen der Teilnehmer unserer Best Bottle dazu gebracht, eine 1973 Petrus Magnum anzustellen. Dagegen habe ich dann aus meinem Keller eine 1975 Petrus Magnum angestellt. Unglaublich gut war dieser 73 Petrus aus kleinem, schwierigerem Jahrgang. Da war noch soviel Leben und Spannung drin. Würzige Frucht und eine herrlich cremige Textur, dazu eine generöse Fülle am Gaumen und feiner Schmelz machten das zum mit Abstand besten 73er Petrus, den ich je trinken durfte – WT97. Blutjung und noch so frisch zeigte sich der 75er Petrus mit absolut genialer Struktur. Ein wilder, ungestümer Wein, der an ein junges Rennpferd erinnerte. Süchtig machend die Nase mit superber, süßer, aber auch präziser Frucht. Enorm kraftvoll der Auftritt mit geradezu explosiver, auch exotischer Aromatik ung endloser Länge am Gaumen. Ein absoluter Weltklassewein, der glücklich und sprachlos machte. Dürfte mit seinem immer noch perfekten Tanningerüst sicher noch 30 Jahre oder länger gut altern – WT100.

Petrus sind solch großer Qualität genießen zu dürfen hört sich wie ein Glückstreffer an. Es ist aber das Ergebnis penibler Suche nach echten Flaschen aus perfekter Lagerung mit möglichst nur einem Vorbesitzer. Es gibt zu viele Trophäen-Flaschen, die den Globus schon mindestens einmal umrundet haben, dazu noch etliche Fakes. Da lohnt bei den inzwischen teilweise schon absurden Preisen jede Sorgfalt.

Ja, und dann kam der helle Wahnsinn ins Glas. Diesen unglaublichen 1982 Lafleur habe ich zwischen 1988 und 2012 gut 10mal als gewaltigen Brocken und Potentialmonster im Glas gehabt. Jetzt hier aus dieser Magnum zeigte er sich trotz aller Jugend, die er immer noch verströmte, erstmals in voller Pracht und absolut perfekt. Tief dunkle Farbe ohne jeden Alterston, satte, rote und dunkle Frucht, Lakritz, Kräuter, Minze Leder, Trüffel – der Lafleur explodierte förmlich im Glas und zeigte immer neue Facetten. Präziser Hedonismus, geht das? Klar, hier ging das, hedonistische und geradezu dekadente Süße und Fülle mit sehr präzisen Konturen und gewaltigem Druck und Länge. So sehr ich ja meine Mitstreiter am Tisch mochte, diese Magnum hätte ich auch alleine aussaufen können. Klare WT100. Dürfte noch quasi ewig leben. Und wer jetzt meinte, dagegen müsste jetzt jeder andere Wein ein armer Wicht gegen sein, der wurde von diesem 1982 l´Evangile aus einer perfekt gelagerten Magnum eines besseren belehrt. Das war ein druckvoller, kräftiger Power-Merlot, hedonistisch schön und animierend mit süchtig machender Nase, am Gaumen trotz ebenfalls immer noch jugendlicher Kraft auch mit verschwenderischem, süßem Schmelz und kräuteriger Würze, auch das ein gewaltiger Wein sehr druckvoll und lang - WT99. Dürfte ebenfalls noch eine große, lange Zukunft haben.

Und schon kam das nächste Monument ins Glas. 1970 Latour war einfach Latour pur, ein gewaltiges, fast altersfreies, sehr dichtes Kraftpaket mit der Latour-typischen Walnussnote, mit perfekter Struktur und großartiger Länge, brauchte trotz einiger Zeit im Dekanter auch im Glas noch Zeit und Luft, um alles zu zeigen. Wer die Geduld nicht hatte, verpasste die Perfektion dieses großen, klassischen Latour Monumentes – WT100. Aus der Magnum hatte ich diesen Latour immer auf diesem Niveau. Vorausgesetzt natürlich, er hatte vorher ein mehrstündiges Vollbad im Dekanter genommen. In der 1tel scheint es größere Flaschen-Variationen zu geben, denn da hatte ich neben einigen perfekten auch enttäuschende Flaschen. Deutlich offener im direkten Vergleich der 1990 Latour, der sich hier wieder mal von seiner hedonistischen Seite zeigte. Auch das ein großartiger Latour, der sich irgendwie noch nicht zwischen dem Wechsel ins Charakterfach, wie ich ihn in letzter Zeit häufiger aus der 1tel erlebt habe, und dem perfekten Kalifornier aus Pauillac entscheiden kann, hier jetzt wieder ein grandioser, offener Spaß-Latour mit noch langer Zukunft – WT98+.

Und zweimal Perfektion zum Abschluss. Endlich durfte ich aus dieser perfekten Magnum den 1990 Lafite-Rothschild mal in voller Blüte erleben. So oft hatte dieser Wein in diversen Proben schon sein gewaltiges Potential gezeigt. Auch enttäuschende Flaschen waren darunter, wie zuletzt 2018 eine etwas dürr und verschlossen wirkende 1tel. Aber das hier, diese großartige Magnum, das war Lafite in Vollendung. Die Struktur eines großen Pauillac kombiniert mit der geilen 90er Exotik, und das alles so elegant und stilvoll rübergebracht, wie das nur Lafite kann. Große Glücksgefühle, diesen Wein in dieser Hochform zu erleben. Das übermannte dann auch den Weinbuchhalter in mir, der vor lauter Begeisterung die WT100 zückte. Und der zweite Wein, 1990 Beauséjour Duffau Lagarosse? Der wurde seinem Legenden Status voll gerecht. Einfach der helle Wahnsinn, was die da in diesem Jahr auf diesem sonst eher unbekannteren Chateau auf die Flasche gebracht haben. Sehr konzentrierte Frucht, immer noch Jugend und Frische, hohe Mineralität und unglaubliche Dichte, und das alles mit perfekter Struktur und Präzision, so unglaublich lang mit noch gewaltiger Zukunft, auch der klare WT100. Danke an unseren holländischen Freund, dass er uns an diesem Wahnsinnstoff aus einer perfekten Magnum teilhaben ließ.

Eine irre Probe war das. Dank allen Beteiligten, natürlich auch Barbara, die uns mit perfektem Weinservice verwöhnte und Holger, der wieder wie vom anderen Stern kochte. Ich freu mich schon wie Bolle auf die nächste Weihnachts Magnum Best Bottle im kommenden Dezember. Kann man da dabei sein? Alle bisherigen Teilnehmer sind natürlich gesetzt, vorausgesetzt, sie bringen wieder eine Trouvaille, die dieses Ereignisses würdig ist. Und es gibt immer mal wieder eine Lücke. Aber wer jetzt fragt, was er denn mindestens anstellen muss, um eine Chance zu haben, der hat falsch gefragt und den Sinn einer Best Bottle nicht verstanden. Einfach ein Angebot machen, das so gut ist, dass man es einfach nicht ablehnen kann. Das könnte dann klappen.