Der Mai ist gekommen

Der Mai ist gekommen - die Korken fliegen raus. Wir hatten Tante Martha zu Besuch, die ihren Einstand mit dem großen Kalifornien Jahrgang 2013 gab. Zur Begrüßung starteten wir mit einem großartigen 1988 Dom Perignon aus perfekt gelagerter Magnum. Golden die Farbe mit feinem Mousseux. Noch so frisch mit großartiger Struktur, klar waren da auch Brioche, geröstete Haselnüsse und Kaffeenoten, aber weder aufdringlich noch in irgendeiner Form süß. Sehr balanciert und stimmig wirkte dieser wirklich große Dom Perignon mit beachtlichem Tiefgang. So liebe ich gereiften Champagner. Dieser hier dürfte noch für längere Zeit gut altern, aus der Magnum in perfekter Lagerung allemal - WT96. Noch ein paar Worte zur Lagerung von Jahrgangschampagner. Bei mir sind es konstant unter 11 Grad. Mein Freund Jörg Müller auf Sylt macht das noch perfekter. Er hat einen speziellen Lagerkeller für Champagner mit um die 5 oder 6 Grad. Das ließe sich natürlich auch mit einem Weinkühlschrank darstellen. Für Champagnerfans sicher eine interessante Alternative.

Fast noch zu jung wirkte der zunächst kräuterig herbe, präzise 1989 Morey St. Denis Blanc von Dujac, der erst nach 2 Stunden in der Karaffe richtig loslegte. Tiefes, brilliantes Goldgelb, schöne Zitrus-Kräternote, gute Mineralität und Präzision, enorme Kraft und Länge, keinerlei Altertöne, entwickelte nach zwei Stunden ersten, feinen Schmelz. Dujac in weiß mit immer noch gewaltigem Potential -WT95+.

Und dann kam der sehr überzeugender Auftritt des 2013 Heitz Martha´s Vineyard. Jugendlich-kräftiges Kirschrot. Wunderbare Cassisfrucht, die klassische, intensive Minze-/Eukalyptus Mischung, erstaunlich zugänglich mit viel Schmelz ohne das Dicke moderner Kalifornier, da ist soviel Frische und gute Säure, wirkt sehr animierend und jeder Schluck macht Lust auf den nächsten. Die Tannine sind präsent aber reif. Es fällt schwer, in diesem betörenden Zustand von diesem Martha´s fernzubleiben. Aber es lohnt. Dieser Wein hat gewaltiges Potential und wird über lange Jahre nochmal deutlich zulegen sich einmal nahtlos in die großen Martha´s Jahrgänge einreihen - WT96+.

Atemberaubende Perfektion 1994 Harlan aus einer meiner leider letzten Flaschen. Das war wieder die Quadratur des Kreises, ein junger, reifer Latour. Und was auch auf diesen einmaligen Wein passt, ist der Begriff „präzise Opulenz“. Einfach einer der ganz großen Weine unserer Zeit mit noch sehr langer Zukunft - WT100.

„Nur“ WT99 habe ich danach dem immer noch so unglaublich vitalen, frischen 1949 Mouton Rothschild aus einer seit ewigen Zeiten perfekt gelagerten Halben(!) gegeben. Aber solch eine Legende mit einem gerade 71 gewordenen Freund teilen zu dürfen, sprengt ohnehin jede Bewertungsskala. Hell, aber ohne Alterstöne die Farbe, so eine feine, pikant-filigrane, frische Cassisfrucht mit feiner Minze, schöne Süße, aber auch gute Säure, traumhafte Länge, bei der dieser Wein spielerisch-elegant blieb. Nur 10,5% Alkohol soll dieser einmalige Wein gehabt haben. Was wieder deutlich zeigt, dass große weine keinen hohen Alkohol brauchen und große Winzer auch nicht hohen Alkohol als Geschmacksträger.

Die WT100 gab es danach für den 1989 Clinet, der sich nach längerer Sendepause wieder in der Perfektion der Jugend zeigte. Wunderbare Frucht, Schwarze Johannisbeere und Pflaume, hedonistische Süße, Bitterschokolade und Schwarze Trüffel, einfach ein verschwenderischer Traum in der Nase und am Gaumen, dabei so unglaublich stimmig und balanciert mit seidiger Eleganz. Pomerol mag anders gehen, aber nicht besser. Und gleichzeitig ist dieser Clinet ein Lehrbeispiel für die Entwicklung großer Weine. Als dieser 100 Punkte Parker Superstar vor 15 Jahren scheinbar abbaute, hieß es vielerorts, das wars. Und jetzt ist er, wie so viele 89er wieder voll da und hat sicher noch eine längere Zukunft auf höchstem Niveau.

Ein würzig-frischer Gigant ist dieser der 2004 Termanthia von über 120 Jahre alten, wurzelechten Reben aus der spanischen Region Toro. Ungestüm und etwas wild zeigte sich dieses gewaltige Konzentrat in seiner Jugend, als er im Wineadvocate 100 Punkte bekam. Jetzt ist er etwas ziviler, sogar Eleganz verströment und erstaunlich balanciert. Trotzdem ein sehr dichter Wein mit enormem Tiefgang, intensiver Mineralität und immer noch mächtigen Tanninen für ein sehr langes Leben. Dürfte über die nächsten 20+ Jahre weiter zulegen und durchaus irgendwann wieder die Höchstnote erreichen - WT96+. Insofern ist meine Bewertung konservativ, zumal wir diesen Giganten spontan geöffnet und nur kurz dekantiert haben. Der nächsten Flasche gebe ich sicher 3 Stunden im Decanter.

Und dann kam noch zweimal Lafite ins Glas. Zunächst als hoch eleganter, immer noch so frischer 1988 Sassicaia, glockenklare Frucht, Schwarze Johannisbeere, Minze, Zedernholz, etwas Tabal und die klassische Graphit Mineralität. Mit nobler, aristokratischer Eleganz und großartiger Struktur war dieser Sassicaia, der in gut gelagerten Flaschen wie dieser noch längst nicht auf dem Höhepunkt ist, einfach Lafite pur mit noch enormem Potential, könnte dem 85er irgendwann die Schau stehlen (WT97+). Absolut einmalig dann der jugendlich vibrierende 2003 Lafite Rothschild, der das heiße Jahr nicht spüren ließ. Mehrfach habe ich diesen beeindruckenden, großen Wein inzwischen aus einer damals in der Subskription gekauften OHK getrunken. Das hier war jetzt meine bisher beste Flasche. Natürlich hat dieser Lafite jahrgangstypisch eine üppiger, süßere Nase mit reifer Frucht, aber er gewinnt zunehmend an betörender Eleganz und Frische und zeigt diesen hohen Extrakt mit geradezu spielerischer Leichtigkeit. Ganz große Klasse und die WT100 voll wert.

Und als Abschluss und flüssiges Dessert genossen wir dann noch dann noch Rumtopfkirschen mit Marzipan in Form dieses immer noch so frischen, eleganten 1985 Graham Vintage Port, eines meiner persönlichen Lieblingsportweine, von dem ich mich seinerzeit reichlich mit halben Flaschen eingedeckt hatte - WT96.

Ich möchte jetzt hier eigentlich nicht wieder mit dem Thema Lagerung nerven, tue es aber trotzdem. Aber so sehr ich mich für frische, junge Weine mit dieser ungestümen, Primärfrucht betonten Jugend begeistern kann. Mein Herz schlägt für gereifte, aber nicht alte bzw. alt schmeckende Weine. Und da Wein nun mal ein verderbliches Produkt ist, verlangt er nach entsprechender, sorgfältiger Lagerung. Dunkel sollte so ein Keller für längerfristige Lagerung sein, möglichst kühl und auch mit entsprechender Luftfeuchte. Mein Keller liegt bei konstant etwa 10-max 11 Grad. Natürlich gehen auch 13, 16 oder sogar 18 Grad. Entscheidend ist die Konstanz. Wer auf Auktionen oder bei Ebay Flaschen mit schlechtem Füllstand sieht, weiß sofort, dass die aus einem Achterbahnkeller mit stark schwankenden Temperaturen kommen. Die Luftfeuchtigkeit, die von einem gestampften Lehmboden kommt, begrenzte ich nach oben bei 80 Grad. Das hört sich viel an, doch habe ich durch gute Luftzirkulation keine Etiketten- oder Schimmelprobleme. Das alles ist nicht nur für 100jährige Weine wichtig. Auch ein 1994 Harlan, der sich in unserer kleinen Probe wieder in so einer bestechenden Form zeigte, ist schließlich schon 26 Jahre alt.