Grosse Wittmann Morstein Vertikale

Zu einer Grossen Morsteinprobe mit 18 Jahrgängen des Grossen Gewächses von Wittmann hatte Konrad Brimo im März noch rechtzeitig vor dem Corona Lockdown ins Fritz Frau Franzi geladen, wo wir vorzüglich von Küche und Service verwöhnt wurden.

Perfekt aviniert wurden unsere Gaumen mit einem 2015 Pettenthal Kabinett von Schätzel. Dieser feinfruchtige Wein mit niedrigem Alkohol und der Leichtigkeit eines Kabinetts zeigte mit hohem Extrakt eine schöne Fülle und durch die rassige Säure ergab sich ein feines Süße-/Säurespiel – WT91.

Zum besseren Verständnis – aber natürlich nicht als Kritik - sei gesagt, dass das alles in einer solchen großen Probe natürlich nur Momentaufnahmen sind. Wenn sich in einer solchen Probe14 Weinnasen eine Flasche teilen, die noch dazu nicht dekantiert wurde, muss ein Wein schon mit diesem ersten Tastingschluck überzeugen. Eine längere Entwicklung eines Weines lässt sich so nicht verfolgen. Es gilt halt wie bei all diesen Proben „there is no second chance for a first impression“. Das reicht zwar, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Und wer sehr sparsam nippt, kann sogar über kürzere Zeit einen kleinen Eindruck über die Entwicklung eines Weines im Glas verschaffen. Ich bevorzuge aber inzwischen Weinproben mit sechs bis maximal acht Teilnehmern, bei denen vom einzelnen Wein mehr ins Glas kommt und auch noch nachverkostet werden kann.

Im ersten Morstein Flight machte der immer noch sehr druckvolle und kräftige 2001 Morstein schon einen ziemlich reifen Eindruck – WT94. Ich kenne diesen Wein aus einem großen, deutschen Rieslingjahr erheblich vitaler, ausdrucksstärker und mit mehr Tiefgang. Deutlich schlanker und präziser zeigte sich der immer noch frische 2002 Morstein – WT95. Der 2003 Morstein hatte zwar eine erstaunlich helle Farbe, wirkte aber mit einer merkwürdigen „Alt-Spontinase“ etwas schwierig und baute auch zunehmend im Glas ab – WT90.

Sehr viel mehr hatte ich mir im nächsten Flight vom 2004 Morstein versprochen, bei dem aber etwas die Spannung fehlte. Reife Farbe, etwas dropsig wirkende, überreife Frucht, am Gaumen noch gute Säure und sogar etwas Frische, aber dieser Morstein kann aus guten Flaschen deutlich mehr – WT93. Schlichtweg hin war der 2005 Morstein mit der fauligen Note eines gärenden Apfels. Aus guten Flaschen ist das immer noch ein sehr spannender, komplexer Morstein mit Zukunft auf WT96 Niveau. Ausgerechnet der 2006 Morstein aus diesem eher schwierigeren Jahr konnte mit Frische und klaren Konturen punkten. Wirkte noch so jung und präzise mit toller Mineralität und guter Säure, dürfte noch viel Zukunft haben – WT95.

Im Flight danach überraschte aus einer großartigen Flasche der glockenklare, sehr präzise, spannende 2007 Morstein, der mit intensiver Mineralität, Frische und toller Spannung vorne lag und auch noch gute Zukunft haben dürfte - WT97. Der 2008 Morstein mit der kühlen, noblen Eleganz des Jahrgangs brauchte viel Luft und entwickelte sich im Glas. War noch ganz am Anfang, dürfte aber mit seiner guten Struktur und Säure eine gute Zukunft haben - WT95+. Der 2009 Morstein mit dieser jahrgangstypisch saftigen Frucht und guter Struktur war ein 2009er par Excellence mit wunderbarer Fülle und erwies sich hier als ein prächtiger Sauf-Morstein. Dürfte trotzdem gut altern - WT96.


Der 2010 Morstein im Flight danach zeigte sich aus dieser Flasche trotz Frische und Struktur schwierig und kann sicher besser - WT91+. Ich würde diesen Wein aber nicht abschreiben. Die besseren 2010er, und dazu gehört der Morstein, haben noch einen längeren Weg vor sich. Der 2011 Morstein hatte eine schwierige, etwas dumpfe Nase, unter der sich aber reichlich Kraft und Spannung verbarg. Er schien wie viele 11er GGs noch im berühmten 11er Loch zu stecken, hat aber sicher viel Zukunft - WT90++. Klar vorne lag in diesem Flight der jugendlich frische 2012 Morstein, der mit animierend schöner Frucht, mit guter, reifer Säure und mit erstem, feinem mit jugendlichem Schmelz brillierte - WT95.

Der 2013 Morstein im nächsten Flight war ein einfach geiles Rasseteil mit knackiger Säure ohne Ende, mit geradezu puritischer Frucht und sehr präziser Struktur. Das wird ein langlebiger Morstein mit und großer Zukunft, auf die zu warten lohnt - WT96+. Etwas verschlossen und nichtssagend zeigte sich der 2014 Morstein, der wohl derzeit eine verschlossene, dumpfen Phase durchläuft - WT91+. Aber die dürfte nicht von langer Dauer sein. Ich habe den 14er alleine während der bestechenden Jungweinphase 2016/2017 über ein Dutzend Mal mit begeisterten WT95 im Glas gehabt. Der 2015 Morstein befindet sich mit dieser saftigen, betörenden Frucht wie viele andere 2015 GG´s in einer unwiderstehlichen Phase, einfach ein sehr stimmiger, sauleckerer Wein, der aber glockenklar mit guter Struktur eine große Zukunft haben dürfte - WT95+.

Im letzten Flight waren dann eigentlich drei Giganten. Mega-Potential dürfte der 2016 Morstein haben, der möglicherweise auf dem Weg ist, sich zu verschließen. Er zeigte noch ungewöhnlich deutlichen Sponti, aber auch traumhafte Frucht mit erstem Schmelz und eine geile Säure, ist aber nicht mehr so offen, wie ich ihn aus den letzten beiden Jahren kenne (WT96). Ein Wein mit gewaltigem Potential, den man jetzt wohl besser ein paar Jahre in Ruhe lässt – WT94+. Enormes Potential dürfte auch der schon mehrfach getrunkene 2017 Morstein haben, dessen Auftritt hier aber durch einen Korktreffer versaut wurde, der sich immer wieder mal stärker und mal schwächer zeigte, Schade. Perfekter Abschluss der 2018 Morstein, der sich als absoluter Traummorstein präsentierte, bei dem einfach alles passte. Puristisch schöne Frucht, durch die Extraktsüße erster, feiner Schmelz, sehr präzise, großartige Struktur, kalkige Mineralität und sehr gute Säure – WT97. Ein Morstein, den man, sofern man ihn hat oder findet, die nächsten zwei Jahre hemmungslos genießen sollte, bevor er sich dann wohl für eine Weile verschließt und etwas zugeknöpfter zeigt.

Und das Fazit? Der Morstein von Wittmann ist ein großer, trockener Riesling aus der Spitzengruppe dieser Weine. Ich trinke diesen Morstein in der jugendlichen Fruchtphase hauptsächlich in der Gastronomie. Die eigenen Weine liegen unberührt im Keller, bis sich je nach Jahrgang nach 5-10 Jahren in der Reife das Wilde der Jugend durch mehr Komplexität und Tiefgang ersetzt. Beides ist spannend, setzt aber im Fall der Reife gute, kühle Lagerung voraus.