Klasse statt Masse

Können Sie sich eine Hitparade vorstellen, bei der quasi alle Titel gemeinsam auf Platz Eins stehen? So kamen wir uns vor bei der spektakulären Probe eines Kölner Weinfreundes, bei der es praktisch nur Ausnahmeweine gab. Klasse statt Masse in absoluter Perfektion.

Ein traumhafter Nachmittag war das in einem Vorort von Köln. Auf der spätsommerlichen Terrasse guter Freunde genossen wir zu einem fabelhaften Menü erlesene Weine aus dem Keller des Hausherrn. Mit drei Dom Perignons starteten wir. Der überraschend gute 1973 Dom Perignon war eine perfekte Flasche, in der noch so viel Leben steckte. Reifer Champagner vom Feinsten mit brillianter Farbe, gutem Mousseux, getrockneten Früchten, Brioche, Toffee, gerösteten Nüssen und cremiger Textur – WT96. Mit ähnlicher Aromatik, immer noch so kraftvoll und altersfrei der 1980 Dom Perignon mit generöser Fülle und ebenfalls gutem Mousseux – WT95. Enttäuscht waren wir dagegen vom 1990 Dom Perignon Oenotheque, der zwar jung wirkte mit heller Farbe und weiniger Frucht, aber auch ziemlich flach und langweilig war, den hohen Preis keinesfalls wert – WT93. Reife Champagner können so faszinierend sein. Und auch Weintrinker, die mit jungem Bubbly nichts anfangen können, finden da meist dran gefallen. Für die Qualität reifer Champagner gibt es eigentlich ein ganz simples Geheimnis. Jung kaufen und dann möglichst kühl lagern, denn Champagner reagiert noch mehr als Wein auf hohe Temperaturen und Temperaturschwankungen. Der legendäre Champagnerkeller von Jörg Müller auf Sylt hat eine konstante Temperatur von nur 5 Grad.

Danach begleitete ich unseren Gastgeber in den Keller, wo er eine Reihe reifer Burgunder aufgebaut hatte. Von denen sollte ich dann drei aussuchen. Ich entschied mich für drei Weine, die ich noch nicht kannte, aus großen Jahrgängen. Alle drei waren Händlerabfüllungen, was in der damaligen Zeit nicht ungewöhnlich war. Der 1929 Grand Chambertin hatte eine ziemlich alte, dunkle, bräunliche Farbe. Er kam etwas kantig ins Glas mit Zuckerrübe, Hustensirup und Karamell. Nach einiger Zeit im Glas wurde er gefälliger, entwickelte eine generöse Fülle mit schöner Süße und verwöhnte uns mit dem typischen 29er Charme – WT95. Ein großes Kompliment für diesen Wein kam von meiner lieben Gattin, die alte Weine nicht mag, den hier aber sehr. Der 1937 Beaune 1er Cru von Abel Porte war ein perfektes Beispiel dieses legendären Burgunder Jahrgangs. Er zeigte immer noch gute, pikante Frucht, eine großartige Struktur, feine Süße und eine schöne Harmonie. Er entwickelte sich sehr gut im Glas und legte zu – WT97. Erstaunlich jung und kräftig wirkte der 1945 Gevrey Chambertin von Charles Vienot noch, ein einfacher Village-Wein. Er zeigte wunderbare, konzentrierte Kirschfrucht, feinen Schmelz und noch genügend Substanz für lange Lagerung -WT95.

Ein absoluter Traum war das, was dann kam. Unser Freund ist leidenschaftlicher Lafleur-Sammler und verwöhnte uns jetzt mit drei schönen Flaschen dieses großen charakterstarken Pomerols aus guten Jahrgängen. Eine wunderbare Frucht hatte der 1964 Lafleur noch, dazu feinen Schmelz und die typische, kräuterig-lakritzige Lafleur-Aromatik und eine noch ziemlich knackige Struktur. Er trank sich sehr gut, trotz der noch kräftigen Tannine, die ein langes Leben versprechen – WT96. Der 64er Lafleur ist einer der besten Weine dieses Jahrgangs und sicher einer der langlebigsten. Ein absoluter Traum der schlichtweg perfekte 1971 Lafleur mit feinstem, göttlichem Schmelz und sehr guter Struktur, so eine Art Petrus aus dem Charakterfach – WT100. 2021 bietet es sich an, diese beiden, aufregenden 50jährigen gegeneinander zu stellen. Eine Legende im Werden und schon so unglaublich faszinierend war der noch so jugendlich wirkende, enorm kräftige und dichte 1998 Lafleur. Unglaublich komplex mit enormem Tiefgang und Länge zeigte dieser Riese eine Art „präzise Opulenz“ und gewaltiges Potential – WT98+.

Einer geht noch, hieß es danach, und wenn einer geht, dann gehen auch zwei. Ein geniales Abschiedsfeuerwerk mit zwei perfekten Traumweinen gab es noch. Ich bin bekennender Heitz Fan und liebe diese Weine. Der 1974 Heitz Martha´s Vineyard ist und bleibt die Legende schlechthin. Doch gibt es gerade aus den 70ern zwei noch jünger wirkende Weine, die mit 1974 voll auf Augenhöhe sind. Und genau diese beiden Weine bekamen wir jetzt ins Glas. Noch so jung wirkte der 1975 Heitz Martha´s Vineyard mit seiner explosiven Aromatik, wild, exotisch mit dieser genialen Minze und Eukalyptus Mischung. Ein toller Wein, der noch locker 20 Jahre vor sich hat – WT100. Der 1978 Heitz Martha´s Vineyard ist die perfekte Kombination der Eleganz des 74ers mit der exotischen Wildheit des 75ers – WT100. Diese beiden Weine nebeneinander haben zu dürfen, das ein einmaliges Erlebnis. Köln ist immer eine Reise wert.