Schluckimpfung im Berens am Kai

„The sun ain’t gonna shine any more“ konnte man fast meinen, wenn man derzeit die Nachrichten hört. Ganz anders in unserer heutigen Therapiestation, dem Berens am Kai, wo zu großen Weinen und göttlicher Küche die Sonne scheint. In feiner Runde hatten wir uns hier zur Schluckimpfung getroffen, nicht ahnend, dass das wohl für eine Weile das letzte Mal war.

Unser Apero, der 1990 Taittinger Comtes de Champagne, hatte eine tiefe Farbe, eine schöne Briochenase mit Trockenfrüchten und immer noch gutes Mousseux. Perfekt gereift mit cremiger Textur und sehr guter Länge zeigte dieser Comtes mit guter Säure auch noch Frische am Gaumen – WT95. Kein Sponti mehr spürbar in der Nase des 2008 Felseneck GG von Schäfer Fröhlich, dafür glockenklare, kühle, nur dezent füllige Frucht, am Gaumen rassige Säure und schöne Mineralität, der hat noch Potential – WT95+. Sehr reif dagegen, nicht nur in der Farbe, der 2007 Gantenbein Chardonnay, bei dem der Korken wohl Luft gezogen hatte. Das war jammerschade, denn eigentlich ist das ein großer Wein. Vor Jahresfrist hatten wir den noch altersfrei, sehr elegant und balanciert, burgundisch, balanciert mit feinstem Schmelz im Glas auf WT96 Niveau. Sehr frisch mit floraler Nase und cremig am Gaumen der 2011 Remelluri Blanco – WT92.

Ein gewaltiger Wein mit sehr großem Potential, aber hier etwas verschlossen war der 2014 Morstein Spätburgunder Felix Versteigerungswein von Keller. 2018 habe ich diesen extrem feinen, sehr burgundischen Wein mehrfach mit WT98 bewertet. Da kommt er auch wieder hin, aber er sollte noch ein paar Jahre liegen – WT94+. Da machte jetzt im direkten Vergleich der trinkreifere 2008 Spätburgunder FR Versteigerungswein von Keller deutlich mehr Spaß. Der war so filigran mit betörender Frucht, so präzise, elegant und voller Finesse mit wunderbarer Länge – WT95. Musterbeispiel eines großen Burgunders danach trotz aller Jugend der 2007 Echezeaux von Dujac mit enormer Kraft, Druck und Fülle sowie enormem Tiefgang, aber auch mit der von Dujac gewohnten Präzision, dazu kam noch gute Säure und Mineralität, einfach ein kompletter, großer Pinot – WT97.

Alles andere als alt war der Senior des Abends, ein 1945 Nenin aus Pomerol. Der hatte eine tiefdunkle Farbe und eine enorm druckvolle Aromatik, aber auch feinen Schmelz und eine großartige Länge – WT95. Ein Riesenjahrgang war 1998 auf dem rechten Ufer in St. Emilion und Pomerol. Aber auch auf dem linken Ufer haben sich viele Weine prächtig entwickelt, zeigen sich offen und mit enormem Trinkspaß. So jetzt hier dieser faszinierende 1998 Haut Brion, der sich prächtig entwickelt hat und jetzt in erster Trinkreife eine enorme Kraft und Fülle zeigt mit der klassischen Cigarbox-Aromatik und intensiver Mineralität – WT98. Und es ging danach noch etwas besser. Atemberaubende Perfektion zeigte trotz aller Jugend der 1982 Mouton Rothschild mit der klassischen Mouton-Aromatik, Cassis, Minze, Sattelleder und Bleistift-Mineralität, alles mit unglaublichem Druck, Dichte und ewiger Länge, der neue 45er mit großer Zukunft – WT100. Ich hab damals die 2005er Bordeaux, als meine umfassende Subskriptionsbestellung ankam, alle in eine hintere Ecke geräumt. Aber dieser grandiose 2005 Pape Clement zeigte, dass es vielleicht doch lohnt, so langsam mal die ein oder andere Kiste aufzumachen. Der hatte mir schon bei der UCB 2005er Verkostung auf der Prowein mit unbändiger Kraft und gewaltigem Potential ausnehmend gut gefallen. Jetzt fängt er auf hohem Niveau an, dieses Versprechen einzulösen, sehr dicht, kräftig, aber auch fast üppiger Fülle, blieb dabei aber sehr balanciert mit sehr guter Struktur. So arbeitet sich Pape Clement immer weiter in die Spitzengruppe von Pessac vor – WT97. Perfekter Abschluss unserer Schluckimpfung war dann ein überragender 2002 Harlan Estate aus dem Napa Valley, den ich noch nie so gut im Glas hatte. Der 2001er war immer mein Favorit, und wenn der 2001er der neue 94er ist, dann setzt der üppigere, fülligere 2002er mit seiner dekadenten Frucht den 97er fort. Wir waren alle hin und weg – WT100.