Was für ein Abend!

Was für ein Abend. Schöne Weine aus meinem Geburtsjahr hatte ich rechtzeitig nach Sylt geschickt, mit denen ich hier meinen runden Geburtstag feiern wollt. Und dann grätschte das Unheil einfach darein und ich musste den Sylt Urlaub verkürzen und verschieben. Aber das Nachfeiern wenige Tage später ganz privat mit den Müllers war dann umso schöner. Jane Müller hat gezeigt, dass sie das KochGen von ihrem Vater geerbt hat. Irre, was die da für uns gezaubert hat. An der lieben Jane ist eine große Köchin verloren gegangen. Und dann die Weine. Mit einem Paukenschlag ging es los. Danke an Julia und Klaus Peter Keller für dieses einmalige 2018 Schubertslay Alte Reben GG, von dem es nur 360 Flaschen gibt, und das sich nicht ganz unerwartet als RGG, als riesengroßes Gewächs entpuppte. Jugendlich-präzise und extrem geschliffen, floral mit weißem Pfirsich und feinen Kräutern, unerhörter Grip und Druck, intensive Mineralität, explodierte mit der Zeit im Glas und bekam fast burgundische Konturen – WT97+. Eigentlich sollte man von diesem Giganten mindestens drei Flaschen haben, eine zum viel zu frühen jetzt trinken, eine zum 20 Jahre lagern, denn erst dann wird dieser Gigant alles zeigen, und eine zum vererben.

Grandios dann die drei 50er aus der halben Flasche. Kann ein trockener, spanischer Weißwein so gut altern? Tief war die bräunliche Farbe des weißen 1950 Marques de Murrieta Ygay, aber brilliant. Intensiv die Sherrynase, da war so viel Tiefe, Kraft und Komplexität. Enorm baute der Wein im Glas aus, wurde voller und generöser mit feiner Karamellnote – WT94. Da spielt die Musik sicher noch ein paar Dekaden. Nach älteren, weißen Murrietas und vergleichbaren Riojas werde ich jetzt auf die Suche gehen. 1950 La Mission Haut Brion war schon immer einer meiner Lieblingsweine, den ich sicher schon über 30mal im Glas hatte. Hier hatten wir ihn jetzt als halbe Flasche in einer Abfüllung für die Bremer Schaffermahlzeit, woraus er sich noch unglaublich jung und kräftig zeigte, mit tiefer, dunkler, altersfreier Farbe. Fantastische Aromatik mit dunkler, reifer Beerenfrucht, Kräutern, Minze, Eukalyptus, altem Sattelleder, Tabak, Cigarbox und tiefer, teeriger Mineralität, dabei so druckvoll und lang am Gaumen, einfach perfekt, und das aus der Halben – WT100. Von meinen verbliebenen Flaschen sollte ich vielleicht eine für meinen Hundersten Geburtstag aufheben. Der La Mission schafft das mit Sicherheit, ich hoffentlich auch. Natürlich war ich nervös, als Herr Ben den (Original-)Korken aus der 1950 Petrus Flasche zog. Würde der aus dieser Halben mit gutem Füllstand und gesunder Farbe singen? Wir gaben ihm eine Stunde im Decanter, bevor er in unsere Gläser kam. Was für ein unbeschreiblich schönes Parfüm kam da, der Petrus zeigte perfekte Reife ohne Falten mit einfach traumhafter, fruchtiger Fülle. So elegant und seidig, , perfkt balanciert und harmonisch, Finese pur, mit wohl dosierter Opulenz und Süße, baute enorm im Glas aus und entwickelte immer mehr Druck und Länge. 1950 war ein großes Pomerol Jahr, und das hier war reifer Petrus und Pomerol vom Feinsten., jeden einzenen Punkt der WT100 voll wert. Ich hatte schon einige, perfekte Flaschen dieses Weines in den letzten 30 Jahren, aber den hier jetzt in dieser überragenden Qualität zu meinem 70. Trinken zu dürfen, das machte unendlich glücklich und demütig zugleich.

Und die Müllers hatten noch eine sehr schöne Überraschung für mich. Sehr geärgert hatte ich mich vor einer Weile bei einer Auktion, als ich bei einer Flasche 1950 Domaine de Chevalier das Nachsehen hatte. Jetzt weiß ich warum. Die Müllers hatten diese Flasche für mich ersteigert, wie wunderbar. Ich liebe alte Domaine de Chevaliers und hatte schon einige, schöne Erlebnisse bis runter in die 20er Jahre. Diese Flasche hier war noch erstaunlich frisch mit immer noch spürbaren Tanninen, feiner Veilchen Frucht und guter Säure. Das Dekantieren gab diesem Wein noch einen Extra-Kick und er entwickelte eine wunderbare, spielerische Eleganz, einfach Trinkspaß pur – WT96.

Zwei Burgunder aus 1950 hatte ich noch mitgebracht. 1950 war im Burgund nicht das größte Jahr, aber ich habe schon einige schöne Überraschungen erlebt. Darauf hoffte ich jetzt natürlich bei diesem 1950 Ruchottes Chambertin von Gouannes aus einer schönen Flasche mit nur 3cm Schwund. Ich wurde nicht enttäuscht. Der zeigte die Pracht und Fülle eines großen Chambertin mit generöser Süße, war immer noch voll da, mit feinstem Schmelz, blieb sehr lang am Gaumen und machte unglaublich Spaß zu trinken – WT98. So liebe ich große, perfekt gereifte Burgunder. Nur der 1950 Richebourg aus einer nicht identifizierbaren Händlerabfüllung in der anderen Flasche machte nicht mit. Herr Ben probierte ihn nach dem Öffnen und sagte nur, das wars.

Wir widmeten uns stattdessen einer weiteren Überraschung der Müllers, einem beeindruckenden, tiefdunklen 1959 Pavie an der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn. Klar, die fast schwarze Farbe stammte von zumindest beginnender Oxidation, die sich auch in der Nase mit deutlichen, oxidativen Noten und der Aromatik von Hustensaft zeigte. Doch der enorm kraftvolle Pavie kämpfte sich stückweit zurück, baute enorm aus und entwickelte eine feine Süße – WT94.

Mein Freund Jörg Müller hatte inzwischen erst einen vorsichtigen, kleinen und dann gleich einen großen Schluck vom 1950 Richebourg genommen. Der hatte sich doch tatsächlich auch zurück ins Leben gekämpft, wurde eleganter, schmelziger und gefälliger. Wir dekantierten die Flasche und genossen zum Abschied noch einen würzigen, erstaunlich kräftigen Richebourg mit der generösen Süße eines gut gereiften, großen Burgunders – WT96.