Napa Valley Diamonds

Eine Traumprobe war das Anfang September 2021 bei Franz Wiget im Restaurant Adelboden in Steinen. Zu einem traumhaften Menü in bester Wiget-Qualität verkosteten wir aus Eugen Haefligers Keller unwiederbringbare Napa Valley Raritäten.

Der Start erfolgte mit den beiden jüngsten Weinen, zwei weißen Ikonen auf der Wiget-Terrasse mit diesem herrlichen Blick über die Schweizer Berglandschaft. Für meine Schweizer Freunde mag das ja normal sein, aber mir geht dabei, wenn ich noch dazu diese frische Luft atmen kann, das Herz auf. Der kräftige, etwas eckig wirkende 2014 Point Rouge Chardonnay von Peter Michael machte den Anfang. Vollmundig mit viel tropischer Frucht war er für meinen Geschmack von (zu)viel neuem Holz geprägt, dass sich wohl noch integrieren muss. Parkers 99 Punkte konnte ich in meinem Glas nicht entdecken – WT94+. Eine Klasse darüber war für mich der einfach göttliche 2013 Chardonnay Lauren Estate von Aubert. Das war einfach ein frischer, balancierter, vibierender Traum mit Spannung, Druck und Zug, mit herrlicher Frucht und guter Mineralität, dazu feinem Schmelz – WT97.

Und damit waren wir im ersten Rotweinflight mit den wohlgereiften Senioren. Klar, die sind (und waren auch nicht) wie die Kalifornier von heute mit ihrer überbordenden Frucht. Die waren schlanker, eleganter und hatten die Stilistik großer Bordeaux. Und die muss man natürlich auch in der Reife mögen. Ich mag so etwas, sogar sehr, und fühlte mich hier wie im Siebten Rotweinhimmel. Nehmen wir diesen unsterblichen 1968 Beaulieu Private Reserve George de Latour, der immer noch eine erstaunlich schöne Frucht zeigte, rote Johannisbeere, Blaubeere, gestützt von guter Säure, die noch ein Gefühl von Frische verlieh, so verführerisch mit feiner Fruchtsüße – WT97. Sehr vielversprechend die tiefe, dichte Farbe des 1974 Ridge Monte Bello, doch dieser legendäre Wein, den ich Glücklicher schon öfters mit perfekten WT100 im Glas hatte, wirkte zunächst etwas unsauber. Doch wer ihm Zeit gab, was leider die wenigsten machten, der erlebte das Monte Bello Wunder. Irre, wie dieser sehr minzige Gigant mit seiner gewaltigen Struktur sich zurückkämpfte. Beim allerletzten Schluck war in dann schon wieder bei WT98. Grandios auch dieser 1974 Simi Alexander Valley Reserve, den ich schon mehrfach perfekt im Glas hatte. Hier waren es mit feiner, roter Frucht, Erdbeere, Minze, jodigen Noten, Würze, Frische, guter Säure und schöner Länge „nur“ WT98. Der Wein des Flights dann dieser schier unglaubliche 1975 Chappellet, der mich mit seiner druckvollen Aromatik an größte Musars erinnerte. Der wirkte noch so jung, so kräftig, würzig und vital mit fantastischer Länge – WT99. Etwas verhalten in der Nase erst der 1975 Phelps Eisele Vineyard, aber das gab sich mit Luft. Der Phelps baute enorm aus, zeigte immer mehr Cassis und Minzfrische, war dicht, kräftig und jung am Gaumen und dürfte noch etliche Jahre vor sich haben – WT97. Alleine für diesen einmaligen Flight kalifornischer Legenden wäre ich auch zu Fuß von Düsseldorf in die Schweiz gekommen.

Der nächste Flight führte uns in den großen Kalifornien-Jahrgang 1994. Hier zeigten die Weine bereits die Frucht und die Fülle moderner Kalifornier, aber immer noch in Kombination mit der großartigen Struktur und dem reduzierten Alkohol der klassischen Old School Kalifornier. Traumhaft schön, im besten Sinne sexy und sehr süffig dieser verführerische, hedonistische 1994 Byant Family Vineyards mit seiner cremigen Textur – WT98. Als großer Pauillac aus Kalifornien mit perfekter Struktur und noch enormem Potential zeigte sich wieder der sicher noch sehr langlebige 1994 Dominus – WT97+. Völlig anders als die anderen, eher kernigen Diamond Creeks zeigte sich der ultrarare 1994 Diamond Creek Lake, elegant und nachhaltig zugleich, stilistisch eine Art burgundischer Kalifornier – WT97. Schlichtweg atemberaubend wieder dieser wohl best ever 1994 Harlan. Für mich ist dieser Wein immer so eine Art Quadratur des Kreises, ein junger, reifer Latour, so unglaublich kräftig, druckvoll, tiefgründig und lang, aber mit fantastischer Präzision und Harmonie – WT100. Einfach sexy mit traumhafter Frucht dieser 1994 Phelps Insignia – WT97.

Eine modernere, üppigere Variante der 94er, aber wiederum auch mit großartiger Struktur, sind die Weine aus 2001, einem Kalifornien-Jahrgang, den ich sehr schätze und dessen bessere Weine gut altern dürften. Klarer Sieger dieses Flight und einer der besten Weine der Probe war der 2001 Abreu Madrona Vineyard. Ein sehr stimmiger, eleganter, aber auch enorm kräftiger Wein mit superber, dunkler Frucht und feiner Fruchtsüße, und mit sehr guter Struktur – WT100. Den sehr kräftigen, dichten und hier etwas edel-rustikal wirkenden Bond St. Eden habe ich schon mehrmals perfekt bewertet. Hier schien er auf hohem Niveau etwas verschlossen, dürfte aber in ein paar Jahren wieder zu alter Klasse zurückfinden – WT97+. Sehr schön trank sich auch der würzige, erstaunlich elegante Dalla Valle Maya – WT96. Sehr dicht und druckvoll mit mächtigen Tanninen und sicher großer Zukunft zeigte sich der 2001 Pride Mountain Cabernet Sauvignon Reserve – WT95+. Etwas verschlossener als bei seinem grandiosen American Beauty Sieg in 2017 zeigte sich der 2001 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve To Kalon, der aber bei dieser gewaltigen Substanz sicher bald wieder aufdrehen wird – WT95+.

Und dann tauchte plötzlich der atemberaubende Tischwein auf. Heitz aus der Magnum ist schon ziemlich selten, aber so eine 1986 Heitz Martha´s Vineyard Doppelmagnum, die macht alleine schon optisch viel her und weckt gewaltige Vorfreude. Und Tante Martha enttäuschte nicht. Klar war da diese irritierende, strenge Altfassnase, die viele dieser sonst hochklassigen Martha´s dieser Periode wegen alter, verschmutzter Fässer zeigen. Aber da war auch diese tiefe, altersfreie Farbe, soviel Kraft und Spannung mit traumhafter Kirschfrucht, dazu viel Minze und natürlich Eukalyptus. Mit viel Luft und Zeit wurde auch die Nase immer besser, und bei meinem vierten Glas (so eine Doppelmagnum hat schon Vorteile) war auch die Nase dieses göttlichen Elixiers fast glockenklar. Und paralell dazu stiegen meine Bewertungen und landeten schließlich bei WT97. Ich liebe diese Martha´s.

Auch 2002 war ein großer Kalifornien-Jahrgang, für mich aber gefühlt immer etwas hinter 2001. Kräftig, üppig, füllig mit dichter Frucht, viel Tannin und feinem Schmelz der 2002 Araujo Eisele Vineyard, bei dem mir etwas die typische Eleganz fehlte. Aber das kann sich noch geben, denn dieser Wein hat genügend Substanz für eine längere Zukunft – WT96+. Oxidiert leider der 2002 Shafer Hillside Select, was jammerschade war. Normal ist das sonst Hedonismus in seiner schönsten Form mit dekadent süßer Frucht und atemberaubender Fülle, auf Augenhöhe mit dem ebenfalls perfekten 2001er. Ein genialer Wein war der 2002 Colgin Tychson Hill Vineyard, tolle Frucht, viel Minze, etwas Eukalyptus und eine tolle, präzise Struktur – WT98. Sehr gut verkostete sich auch der Larkmead Vineyard Cabernet Sauvignon Solari Reserve, sehr kräftig und dicht mit viel Brombeere und Blaubeere, gute Säure, feiner Schmelz, am Gaumen trotzdem erstaunlich schlank – WT96. Enttäuschend der schon verdammt reife Lokoya Mount Veeder mit einer bei aller noch verbliebenen Kraft gewöhnungsbedürftigen Mischung aus Minze und Liebstöckel – WT91.

Gewaltige, Ehrfurcht erheischende Namen im letzten Flight. Dunkle, süße Frucht, üppige, kalifornische Fülle mit einem guten Schuss Hedonismus und gewaltigen, aromatischen Druck zeigte der 2002 Schrader Cellars Cabernet Sauvignon CCS Beckstoffer To-Kalon Vineyard – WT97. Völlig anders, sehr viel feiner, eleganter, finessiger mit einem guten Schuss Bordeaux, aber mit genialer Cassis Frucht auch einfach hedonistisch schön der 2005 Screaming Eagle, bei dem nur etwas flüchtige Säure eine perfekte Bewertung verhinderte – WT98. Schon gut gereift und eigentlich auf dem Punkt zeigte sich der 2007 Futo Oakville mit dichter Frucht, reichlich süßer Blaubeere, cremiger Textur und sogar eine guten Portion Eleganz – WT96. Ein flüssiger Traum war auch der 2007 Scarecrow mit einfach dekadent leckerer Frucht, cremiger Fülle, feinstem Schmelz, aber auch enormer Substanz und Dichte, da kommt noch deutlich mehr. Ob es für Parkers 100 reicht, sehen wir dann in 5 Jahren – WT97+. Mit den 100 hat Parker übrigens auch den 2007 Sloan geadelt. Mir war dieses immer noch blutjunge Monster einfach zu dick und heftig, aber die Zukunft mag es richten – WT94(?+).