Wein-Weltreise

Zu einer „kleinen“ Wein Weltreise hatte ein guter Weinfreund in die Schweiz eingeladen. Wobei sich das „klein“ nur auf die Zahl der Länder oder Kontinente beziehen konnte, denn was hier an großen Weinen geboten wurde, war schlicht und einfach außergewöhnlich. An einer festlichen Tafel und begleitet vom Spitzenmenü eines selbst schon legendären Küchenchefs kamen wir aus dem begeisterten Staunen nicht mehr raus.

Sensationell schon beim Empfang draußen der Apero. Angeboten wurde hier gleich dreierlei. Da habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, alle drei Aperos zu probieren. Perfekt gereift und auch mein Favorit war der 1998 Dom Perignon. Der war mit gutem Mousseux so weich, cremig und komplett mit feiner Frucht und dicker Brotkruste, dabei so balanciert mit wunderbarer Länge – WT96. Der 2008 Dom Perignon mag der größere Champagner sein, jünger, druckvoller und mit mehr Potential, aber hier schlug Reife Potential – WT95+. Für das eher wärmere Jahr zeigte der füllige, nussige 2005 Batard Montrachet von der Domaine Leflaive eine erstaunliche Frische, Kraft, Mineralität und Präzision. Könnte weiter gut altern, denn Premox war hier nicht in Sicht – WT95.

Erster Stopp unserer Wein Weltreise war das Burgund mit zwei großen Weißweinen. Der Montrachet ist einer der rarsten, teuersten Weißweine dieses Planeten. Und wir durften gleich zwei davon verkosten. Der 2006 Montrachet von Comte Lafon zeigte mehr Kraft als Finesse mit immer noch deutlichem Holzeinsatz und Röstaromatik. Die Frucht war glockenklar und Premox hier nicht in Sicht, aber ich würde hier kein Risiko eingehen und diesen Wein zügig trinken – WT95. Sehr fein und floral mit Zitrus und guter Säure, so balanciert, eher filigran und sehr elegant der 2006 Montrachet von Romanée Conti, der wie so eine Art weiße Version des Romanée Conti wirkte. Ein Wein mit enormem Potential, der seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat – WT97+.

Nächste Station war die Nördliche Rhone. Unser spendabler Gastgeber verwöhnte uns mit Guigals Lalas aus dem hervorragenden Jahrgang 2005. Drei herausragende Weine, die sowohl Von Robert Parker, als auch später von Jeb Dunnuck mit 100/100 ausgezeichnet wurden. Auch für mich waren diese drei Weine, obwohl noch sehr tanninlastig und konzentriert potentiell absolut perfekte Weine, die mich an die großen Lalas aus 1988 und 1990 erinnerten. Der prächtige 2005 La Turque mit der Aromatik von gebratenem Frühstücksspeck war der erotischste von den dreien, einfach sexy. Der sehr elegante 2005 La Mouline war der würzigste, wie ein faszinierender, flüssiger Katalog orientalischer Gewürze. Der 2005 La Landonne war der kräftigste mit dem deutlichsten Tanningerüst, mit Blut, Eisen, Tapenade und Trüffeln. Da einen Favoriten herauszupicken wäre eine Frage der persönlichen Vorliebe und des Geschmacks. Mit WT100 bin ich bei allen drei Weinen einverstanden, wobei ich sie lieber noch etwas reifer hätte. Meine eigenen Flaschen bleiben sicher noch 5-10 Jahre zu.

Zurück ging es ins Burgund. Diesmal mit großen Roten, wie ich sie auch nicht so oft ins Glas bekommen. Wenn man diese Flaschen von der Domaine Romanée Conti vor sich sieht, ist das schon beeindruckend. Das gilt insbesondere für den Romanée Conti selbst, wobei man nicht vergessen sollte, dass auch das nur Wein ist, wenn auch sehr guter. Alle drei Weine kamen aus guter Lagerung, wirkten aber mit bräunlicher Farbe, tertiären Aromen und Unterholz ziemlich reif. Zu alt? Keinesfalls, eher in einer Art Übergangsstadium. Derzeit sieht man auf Facebook und Instagram viel Fotos von jungen DRCs. Das hat einen simplen Grund, den mir kürzlich hier in Düsseldorf ein Gastronom erklärte. Der derzeitige deutsche Importeur beliefert die Gastronomie nur, wenn die Lieferung davor nachweislich ausgetrunken ist. So findet man zwar inzwischen wieder DRCs auf den Karten (bei Jörg Müller auf Sylt immerhin 20 Positionen zu erstaunlich wohlfeilen Kursen), aber eben nur junges Zeugs. Dabei gilt unter Kennern als ausgemacht, dass die Weine von DRC ihre wahre Magie erst nach 25-30 und mehr Jahren entfalten. Einfach schade. Zurück zu unseren 2002er. Der 2002 Grands Echezeaux war ein kräftiger, fülliger, konzentrierter Wein mit Schwarzkirsche und erdiger Mineralität – WT93+. Der 2002 La Tâche war ein sehr komplexer Wein mit enormem Tiefgang und großem Potential, der sich aber im jetzigen Stadium förmlich gegen das getrunken werden wehrte – WT94+. Am besten gefiel mir der sehr elegante, unglaublich finessige 2002 Romanée Conti. Der entwickelte sich mit viel Luft sehr gut im Glas, die Frucht wurde immer feiner, und mit den letzten Schlucken gab der Conti einen Ausblick auf eine große Zukunft – WT96+. Das waren für diesen Abend meine ehrlichen Bewertungen ohne Respekt vor den großen Namen.

Schlichtweg unglaublich und absolut atemberaubend der nächste Flight mit drei unsterblichen Giganten aus Spanien, Italien und Australien. Der makellose, einfach nur wunderschöne und sehr elegante 1962 Vega Sicilia Unico war perfekt gereift und so harmonisch und balanciert. Der brauchte sich hinter den Legenden aus 1968 und 1970 nicht zu verstecken. Ein klassischer, lange verkannter Unico, der viel Zeit brauchte und erst in den letzten 10 Jahren auf die Überholspur ging – WT97. Der legendäre 1985 Sassicaia, der nach einer längeren, verschlossenen Phase vor ein paar Jahren wieder zu dieser überragenden Form auflief, bleibt aus sehr gut gelagerten Flaschen der wohl beste, je auf diesem Gut produzierte Wein. Immer noch so jung wirkend, so kräftig und konzentriert mit traumhafter, süchtig machender Frucht, mit unerhörtem, aromatischem Druck und gewaltiger, fruchtiger Fülle, so komplex, tief und lang – WT100. Das war seinerzeit eines der absoluten Highlights meiner beginnenden Weintrinkerzeit. Klar habe ich damals auch zugeschlagen und besitze noch ein paar nie bewegter Flaschen, für deren Genuss keine Eile besteht, aber leider jetzt wieder unbändige Lust. Perfektion auch im dritten Glas, einem immer noch so jungen 1986 Penfolds Grange, der einer der ganz großen Erfolge dieses Gutes ist. Tiefe, altersfrei Farbe, ein konzentrierter Gigant zwar mit superber, schwarzer Johannisbeere, Cassis und Eukalyptus aber auch do präzise, balanciert und mit fantastischer Eleganz. Das muss man einfach mal im Glas gehabt haben, einen australischen Shiraz mit der Eleganz eines großen Burgunders – WT100.

Konnte die Probe wirklich auf diesem irren Niveau so weitergehen? Ja, das tat sie.

Mit drei Bordeaux Legenden ging es weiter. Einer der großen Klassiker ist dieser 1961 Palmer. Aus sehr guten, nie bewegten Flaschen, die natürlich immer seltener werden, verdient der durchaus immer noch eine perfekte Bewertung. Da konnte diese rekonditionierte Flasche auf sehr hohem Niveau natürlich nicht voll mit. Trotzdem war das ein großartiger Palmer mit einer Traumnase, so elegant und an einen großen Burgunder erinnernd, mit geschmeidiger, seidiger Textur und schöner Länge – WT97. Absolut perfekt war der immer noch so junge, kräftige 1982 Mouton Rothschild, diese moderne Wiedergeburt des legendären 1945 Mouton Rothschild. Ich Glücklicher durfte diese beiden Weine, die sich in der Aromatik sehr ähnelten und nur durchs Alter unterschieden, schon mehrfach vergleichen. Heute würde ich, bevor ich auf die Suche nach dem inzwischen ultrararen, sehr teuren 1945er ginge, stattdessen lieber 10 Flaschen des atemberaubenden WT100 1982ers kaufen. Und im dritten Glas war noch eine weitere, moderne Legende, der 1989 Haut Brion, einer der größten, jemals erzeugten Haut Brions. Das ist ein Gigant, der praktisch alles hat, Tiefe, Komplexität, Länge, enormen Druck und vor allem diese explosive, typische Haut Brion Aromatik mit purer, dunkler Frucht, etwas Eukalyptus, viel Tabak, Leder, Teer und Zigarrenkiste, sogar schon etwas generöse Süße. Und warum habe ich dem diesmal nur WT99 gegeben? Weil ich das Gefühl hatte, dass dieser Haut Brion, der sich im Gegensatz zu den anderen Premier Crus des Jahrgangs nie komplett verschlossen hat, sich jetzt ganz dezent zurückgezogen zeigte. Das kann passieren und wird von Flasche zu Flasche unterschiedlich sein. Aber das sollte nicht davon abhalten, diesen epischen Wein wo immer sie in finden hemmungslos zu genießen, jetzt und die nächsten 30+ Jahre.

Drei noch sehr junge, aber absolut perfekte Bordeaux aus dem großen Jahrgang 2005 kamen jetzt im vorletzten Flight unserer Wein Weltreise ins Glas. Ich bin eigentlich eher der Altweintrinker und liebe Weine perfekt gereift. Aber was diese drei Jungspunde hier im zarten Alter von 16 Jahren ablieferten, das war schlicht und einfach außerirdisch und perfekt mit Potential für viele Dekaden. Mein persönlicher Favorit war dieser sehr konzentrierte 2005 Petrus mit seiner puristisch schöne Frucht und der von Tanninen eingerahmten, superben Aromatik, die man als präzise Opulenz bezeichnen könnte, schlichtweg überragend – WT100. Noch dichter und kräftiger war der sehr komplexe 2005 Lafleur mit Schwarzer Johannisbeere, dieser typischen, kräuterigen Aromatik mit etwas Lakritz, mit Kaffee, dunkler Schokolade und viel, von mächtigen Tanninen geprägtem Grip – WT100. Der kompletteste von allen dreien war der 2005 Ausone, ein hoch eleganter, absolut faszinierender, perfekt balancierter Wein mit großartiger Zukunft – WT100. Diese drei Weltklasseweine nebeneinander im Glas haben zu dürfen machte sprachlos und glücklich zugleich. Solche Weine kann man in dieser einmaligen, großartigen Frühform genießen, oder sie den Enkeln verwahren. Ich bin sehr glücklich, dass unser großzügiger Gastgeber sich entschlossen hatte, diese Kisten für uns zu öffnen.

Mit einem Big Bang und einem Weckruf für alle Sinne fand unsere Wien Weltreise ein spektakuläres Ende. Drei sehr junge, dichte und konzentrierte Giganten aus Kalifornien kamen in unsere Gläser, drei international gesuchte und reichlich teure 100Punkteweine, der 2015 Screaming Eagle, der 2015 Harlan und der 2015 Colgin Cariad. Wer diesen massiven, von konzentrierter Frucht und auch hohen Alkoholgraden geprägten Stil moderner Kalifornier mag, für den war jetzt der Weintrinkerhimmel voller Geigen. Mein persönlicher Favorit war der 2015 Harlan, der enormen Tiefgang und eine fantastische Struktur zeigte, ein echter WT100 Wein mit großartiger, langer Zukunft. Und natürlich hat es Spaß gemacht, den sündhaft teuren 2015 Screaming Eagle zu probieren, diesen Tischwein der kalifornischen Internet Milliardäre. Mit dem kann man sich übrigens auch in Deutschland auf Sylt in den Sand oder den Strandkorb setzen, für schlappe € 8.200 von der Sansibarkarte. Da müssen wir über Preis-/Leistungsverhältnis nicht reden, auch wenn das ein sehr gut gelungener Wein fast in der Harlan-Liga ist. Auch den sehr gut gelungenen 2015 Colgin Cariad habe ich trotz seiner Jugend mit seiner puren Napa Frucht sehr gemocht, würde ich wie den Screaming Eagle bei WT97+ einordnen. Trinken würde ich dieses Trio gerne in 10 Jahren ohne Babyspeck und in 20 Jahren als reife Weine wieder. Aber das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Wer diese Weine in diesem jugendlichen Stadium in all ihrer prallen, fruchtigen Fülle mag und das nötige Kleingeld hat, sollte sie so genießen, hemmungslos.

Idee und Umsetzung dieser Wein Weltreise waren sehr gelungen und spannend. Und mit unserem perfekten Gastgeber würde ich jederzeit gerne wieder auf eine solche Reise gehen.

For my international friends: you find the complete tasting in English language with detailed pictures of each flight on the wineterminator page on Instagram.