Cellar Devils 2022

„Hijacked by Düsseldorf Cellar Devils“ schrieb der bekannte, amerikanische Verkoster Jeff Leve (winecellarinsider.com) nach seinem ersten Besuch 2012 bei uns in Düsseldorf. Seitdem hat diese Cellar Devils Probe Tradition. Und nach einer Corona Pause war es jetzt wieder soweit. Jeff kam wieder zu uns, und die Düsseldorf Cellar Devils, kräftig unterstützt Kölner Cellar Devils und Dorsel Devil Uwe griffen kräftig in ihre Keller.

Furioser, unerwarteter Start mit diesem 1949 Cröver Engelberg Riesling von der Dreigiebelhaus Kellerei, der deutlich jünger wirkt. Kräftiges Goldgelb, feine Honignase, Bienenwachs, gute Säure, gewinnt deutlich mit Luft und entwickelt feinen, fruchtsüßen Schmelz – WT96.

Eine reife, goldgelbe Farbe hatte der 2004 Aubert Chardonnay Quarrel Vineyard. Der war kräftig, üppig mit verschwenderischer Fülle, aber auch toller Länge. Zeigte trotz Reife enormen Tiefgang und legte mit Luft deutlich zu – WT97. Der 2014 Morlaix La Proportion Dorée war noch so jung und deutlich heller mit mehr Frische und Säure, viel Kräuter und Ricola. Immer mehr kam der Muscadet durch – WT96.

Leider nicht die allerbeste Flasche war der 1953 Latour. Aus dieser hier schon sehr reif und etwas gebrechlich – WT87. Schade. Dafür war der 1961 Gaffelière-Naudes ein echter Knaller. Ein Gigant und gutes Beispiel für diesen gewaltigen Jahrgang, in dem , so mein Freund und Raritätenhändler Jan Erik Paulson, selbst der dümmste Winzer nicht umhin kam, guten Wein zu machen. Mit enormer Kraft, aromatischem Druck, süßer Fülle und toller Länge bestätigte dieser Gaffelière seine Rolle als Geheimtipp – WT97.

Eine zeitlose, atemberaubende Schönheit war dieser perfekte 1928 Paternina Gran Reserva. Der wirkte immer noch sehr frisch mit verführerischer, rotbeeriger Frucht und war so unglaublich stimmig, sehr balanciert und fein mit schöner Würze – WT100. Da hätte auf diesem extrem hohen Niveau der tiefdunkle, sehr kräftige 1928 Gazin aus Pomerol sicher mitgehalten, wenn dieser verdammte Kork nicht wäre.

Warum kam dieser 1929 Margaux Vandermeulen in einer Burgunderflasche? Das war halt klassisch Weltwirtschaftskrise. Da griff man auch bei Vandermeulen zu allem, was gerade verfügbar war. Wobei diese Burgunderflasche, die ich bei diesem Wein schon mehrfach hatte, eigentlich sehr gut zu dieser betörenden Eleganz dieses am Gaumen so schmeichlerischen Weines mit der generösen Süße eines reifen Burgunders passte. Ein typischer, perfekt gereifter Margaux, bei dem nur der leicht oxidative Ton in der Nase ein perfektes Rating verhinderte – WT97. Die besten, klassischen Burgunder kommen eigentlich aus Chateauneuf? Diesen Eindruck konnte man bei diesem großartigen 1937 Chateauneuf-du-Pape von Gabriel Corcol schon haben. Der war schon ein Träumchen, sehr fein, würzig und finessig, mit schöner Fülle und feiner Süße, dazu diese typische, burgundische Eleganz gut gereifter, älterer Chateauneufs – WT97. Also jetzt nur noch junge Chateauneufs statt der hoffnungslos überteuerten, jungen Burgunder kaufen? Leider nein, denn Stil und Alkohol entsprechen bei den moderneren Chateauneufs nicht mehr dem, was man früher fand.

Ein feiner, gut gereifter Pomerol mit genügend Rückgrat für noch viele Jahre war der 1959 Certan de May. Der überzeugte mit dichter Farbe, wunderbarer, frischer rotbeeriger und pflaumiger Frucht, guter Säure und toller Länge – WT95. Ein Riese ist eigentlich diese 1953 Pichon Comtesse de Lalande, die im anderen Glas aus einer Nicolas Abfüllung vor uns stand. Die hatte ich schon oft und mit bis zu WT98 im Glas. Hier störte etwas eine leichte Schärfe in der Nase, die sich dann mit der Zeit für alle, die ihr Glas nicht schnell leerten, in einen immer deutlicheren Kork wandelte. Schade, denn so wurden die gute Frucht, die Comtesse-typische Eleganz und der feine Schmelz immer mehr überdeckt – WT92. Ohne Kork sicher 5 Punkte mehr.

Spannend im nächsten Flight ein 1964 Cornas Chante de Pedry von Delas als Domain und Händlerabfüllung. Die Händlerabfüllung zeigte deutlich, wie groß so ein Cornas sein kann. Mit noch so junger, frischer Frucht, aber auch Komplexität, Tiefgang und beachtlicher Länge war das ein absoluter Genuss – WT96. Die Domainabfüllung war mit gleicher Aromatik etwas feiner, zeigte aber etwas mehr grüne Tannine – WT95. Da hatte wohl ein Händler das bessere Fass gekauft, was durchaus für die Händlerabfüllungen der damaligen Zeit und davor spricht.

Der helle Wahnsinn war im nächsten Flight dieser 1959 Chateau de L´Abbé Gorsse de Gorsse aus Margaux. Ich habe diesen eher unbekannten Wein vor langer Zeit als Ebay-Schnäppchen gekauft (no risk – no fun). Der war so elegant, noch voller Leben, mit traumhafter, verschwenderisch süßer Frucht, so elegant mit großartiger Länge. Schön, dass der blind ins Glas kam. So bekam er seine voll verdienten WT97. Immerhin war im anderen Glas ein 1970 Cheval Blanc. Das war eine sehr kraftbetonte, eher maskuline Cheval Blanc Version mit viel Zedernholz, aber mit guter Struktur, druckvoll und lang – WT95. Könnte sich als recht langlebig erweisen und noch für manche Überraschung gut sein.

Die nächste Überraschung war in einem Dreier Flight dieser perfekt gereifter 1959 Yon-Figeac in einer Bremer Bachmann Abfüllung, seinerzeit für die Bremer Eiswette von 1966. Das war ein fruchtiger, schmelziger, betörender Traum mit der Eleganz eines großen St. Emilion, der noch kein Alter zeigte – WT96. Mit den Bremer Abfüllungen sowohl von R&U als auch von Bachmann habe ich schon so oft wunderbare Überraschungen erlebt. Die wussten, wie vorher die Vandermeulens, was sie kauften. Solche Weine gehören dann wie hier in eine Blindprobe. Ich ändere in solchen Blindverkostungen meine Bewertung anschließend nicht, weder nach unten, weil es ja wie hier ein unbekannterer, kleinerer Wein ist, noch nach oben, weil ein Premier Cru nicht überzeugen konnte. Klar konnte keiner der Weine in diesem Flight mit diesem einmaligen 1990 Beausejour Duffau Lagrarosse mit. Schlicht und einfach perfekt war dieser Wein, mit konzentrierter Frucht, unglaublicher Dichte, intensiver Mineralität und messerscharfer Präzision, noch so jung mit großartiger Zukunft - WT100. Bei meiner ersten Begegnung mit diesem einmaligen Elixier mitte der 90er notierte ich „tröpfchenweise genießen wie eine große TBA“. Da hat sich nicht viel dran geändert. Leider verdarb beim 1959 Clinet ein leichter Kork wieder den ungetrübten Genuss. Darunter verbarg sich ein grandioser, fülliger Pomerol mit verschwenderischer Süße. Mit WT97 hatte ich den zuletzt 2009 im Glas. Die hätte er wohl ohne Kork heute auch bekommen.

Guter Wein und Holger Berens großartiges Menü machten Durst. So kamen noch zwei Reserveflaschen auf den Tisch und in die Gläser. Der 2009 Canon-la-Gaffelière mit seiner wunderbaren Fruchtsüße und Opulenz zeigte sich wieder sexy mit genialem Trinkfluss, aber auch guter Struktur für längere Alterung – WT95. Eigentlich eine Schande, dass dann so ein gewaltiger Wein wie dieser 1997 Chateau Montelena aus der Magnum zu so später Stunde noch auf ermattete Gaumen trifft. Ich habe da nicht mehr mitgeschrieben, kenne diesen Wein aber gut und hatte ihn schon oft im Glas. Der trägt mit seiner fantastischen Struktur, die eher noch an Bordeaux und Old School Kalifornier erinnert, auch in solch einem üppigen, frühreifen Jahrgang wie 97 die Jahreszahl zu Recht auch als Bewertung und zeigt sich als noch sehr langlebig.