Die Spontiprobe

Eigentlich hatte ich diesen Freitagabend völlig verpeilt. Frau war weg auf Mädelabend und ich bekam eine klare Ansage, die mich an einen berühmten Loriot Sketch (Hermann. Was machst Du da) erinnerte. Also kurzentschlossen Freitagmittag noch einen schnellen Rundruf an engere Whats App Freunde. Den hatte ich kaum abgeschickt, da kam schon ein Anruf aus Köln. Springe gleich ins Taxi und komme mit ein paar schönen Weinen. Der nächste, ähnliche Anruf ließ kaum auf sich warten. Und was sich dann hochkarätig in kleiner, feiner Runde entwickelte, ähnelte eher einem monatelang geplanten Event als einer spontanen Probe.

Bei und mit Michael im Passion du Vin trafen wir uns zu einer Art Apero, der schon aus vier genialen Weinen bestand. Los ging es mit einem 1991 Vosne Romanée 1er Cru Aux Brulées Vieilles Vignes von Bruno Clavelier. Der wirkte noch sehr jung, enorm kräftig, geradezu kernig, brauchte enorm viel Luft, um sich halbwegs zu öffnen, baute dann aber schön im Glas aus und zeigte erste, feine Süße – WT92+. Groß war der Spätentwickler Jahrgang 1991 nicht nur in Burgund. Auch an der nördlichen Rhone entstanden schöne Weine. Wir tranken einen 1991 Côte Rotie les Grands Places von Clusel-Roch. Tiefdunkel mit intensivem Veilchenduft, Lakritz und Speck war dieser enorm kraftvolle, dichte Wein, der aus dieser perfekt gelagerten Flasche noch viel Potential zeigte – WT95+. Was dann kam war schon irre, aber blind bei der Qualität auch verständlich, als ein perfekt gelagerter 1961 L’Arrosée mit seiner intensiven Minze und einem Hauch Eukalyptus für einen großen Kalifornier aus 1991 gehalten wurde. Bei der kräftigen, fast altersfreien Farbe, der feinen, minzigen Frucht, der Frische und Eleganz und der enormen Kraft am Gaumen waren WT97 fällig. Schade, dass es dieses Chateau, von dem ich schon so viele, wunderbare Weine getrunken habe, nicht mehr gibt. 2012 war der letzte Jahrgang. Danach ging das von den Haut Brion Besitzern Clarence Dillon gekaufte Gut in Chateau Quintus, dem ehemaligen Terte Daugay auf. Ältere Arrosée Jahrgänge, z.B. 49, 61, 64, 66 und 1986 sind noch jede Suche wert. Nach diesem Kalifornier aus Bordeaux fehlte eigentlich ein Bordeaux aus Kalifornien. Und so ging dann ein überragender 1975 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve blind als großer Bordeaux aus den 80ern durch. Ein großer Klassiker in bester Bordeaux Stilistik, Schwarze Johannisbeere, Minze, Leder Graphit, wunderbare Balance und feiner, leicht karamelliger Schmelz, immer noch so frisch mit toller Länge – WT98. Ähnlich Heitz Martha´s scheint auch hier der 75er am eigenen 74er vorbei zu rauschen.

Weiter ging es mit und zu Thomas in die vorweihnachtlich proppenvolle D-Schänke. Da starteten wir mit einem geradezu betörenden hoch eleganten 1949 Montrose. Der baute enorm im Glas aus, zeigte immer noch viel Kraft, gute Mineralität und hat aus Top-Flaschen wie dieser hier sicher noch Potential für lange Jahre – WT97. Spannend war danach die Paarung 1928 Smith Haut Lafitte und 1961 Smith Haut Lafitte. Der 28er aus diesem tanninigen Power Jahrgang war so fein und elegant, sehr würzig und zeigte noch eine bemerkenswerte Frische und war zu Anfang dem 61er überlegen – WT96. Der 61er mit seiner dichten, jung wirkenden Farbe, guter Frucht, Cigarbox und feinem, karamelligen Schmelz entwickelte sich enorm im Glas mit Tiefgang, Komplexität und Länge, dürfte noch eine lange Zukunft haben – WT96+. Sehr spannend dann zur knusprigen Gänsekeule das Duell zweier Charakterweine fast auf Augenhöhe. Der sensationelle 1988 Philip Togni Cabernet Sauvignon zeigte aus einer wohl perfekten Flasche das enorme Alterungspotential dieses kalifornischen Klassikers. Auch aus etwas schwierigerem Jahrgang. Enorme Kraft, dichte Farbe, viel reife Paprika, erstaunliche Fülle, aber auch Präzision – WT96. Sehr dicht und komplex, kräftig, kräuterig und lakritzig steht der komplexe 1988 Lafleur erst am Anfang einer langen, spannenden Entwicklung – WT97+. Dicht, kräftig, geradlinig mit toller Struktur und so druckvoll bei nur 12,5% zeigte sich der 1990 Philip Togni Cabernet Sauvignon - WT96. Und auch der 1987 Philip Togni Cabernet Sauvignon landete in ähnlicher Stilistik nur knapp dahinter – WT95. Großartiger Abschluss unserer spontanen Probe dann der göttliche 1983 Cheval Blanc aus dem Geburtsjahr von D-Schänke Chef Thomas. Ein Traum in Seide mit dem unnachahmlichen Cheval Blanc Parfüm, mit dekadent süßer, leicht portiger Fülle, Eleganz pur, so druckvoll in der Aromatik mit feiner, rotbeeriger Frucht, Tabak, Trüffel, Unterholz, Kaffee und so unglaublich lang, dabei altersfrei mit sicher noch großer Zukunft, muss sich hinter 1982 nicht verstecken – WT98.

War das ein genialer Abend. Sponti ist ja ohnehin angesagt in der Weinwelt. Und an diese Art von Spontiproben könnte ich mich gewöhnen.