Einfach unglaublich, was an diesem Abend in kleiner, feiner Runde im Berens am Kai passierte. Ich hatte mir vorgenommen, mit meinem Freund Jörg Müller nachträglich auf seinen 75. Geburtstag anzustoßen. Was dann daraus mit ein paar guten Freunden wurde, war eine atemberaubende Probe mit alleine 5 schlichtweg perfekten WT100 Weinen.

Unser Einstieg war ein Traumflight mit zwei noch immer so frischen, jugendlichen Giganten. „Twenty years after“ zeigten diese Keller-Weine ihre unglaubliche Klasse und das gewaltige Alterungspotential großer, deutscher Rieslinge. Das 2002 Kirchspiel Turmstück mit seiner hellen Farbe war hochelegant und einfach perfekt, 2002 Morstein etwas kräftiger und fülliger mit enormem Tiefgang, beides atemberaubend schöne Weine, die locker WT100 verdienen. Bei beiden Weinen, die sich jetzt und wohl noch für viele Jahre auf dem Höhepunkt befinden, ist keine Eile geboten.

Sehr fein und balanciert, immer noch mit toller Frische, zeigte sich der elegante, würzige 2010 Gantenbein Chardonnay. Das früher deutlich spürbare Holz ist inzwischen komplett integriert und nicht mehr spürbar. Einfach ein großer, burgundischer Chardonnay, der spielend noch 10+ Jahre vor sich hat – WT96.

Spontan hatte ich aus dem Keller noch einen 1926 La Lagune aus dem Geburtsjahr von Queen Elizabeth II mitgebracht, mit dem wir jetzt auf die Queen anstießen. Diese La Lagunes sind für ihre Alterungsfähigkeit bekannt und trotzdem immer noch so eine Art Geheimtipp. Dieser hier war perfekt gereift und für seine immerhin 96 Jahre noch erstaunlich vital. Ein kräftiger, kerniger Wein mit guter Säure, immer noch Schwarze Johannisbeere zeigend und mit guter Statur – WT93.

Ein sehr bewegender, emotionaler Moment war das dann, als ich mit meinem Freund Jörg Müller nachträglich auf seinen 75. Geburtstag anstoßen durfte. Jörg Müller ist der einzige, noch voll aktive der Väter des deutschen Küchenwunders. Und als ob ihm die tägliche, konsequente Arbeit in der Küche seines göttlichen JMs nicht reichen würde, hat er zum Jahresanfang mit seinem Schwiegersohn Ben noch das Sylter Weingut übernommen, wo er selbst sehr aktiv tätig ist. Einfach einmalig, mein Freund Jörg, den Mann/Frau sich ruhig als Vorbild nehmen kann.

Einmalig auch dieser schier unsterbliche 1947 Petrus, den ich vor 30 Jahren aus einem authentischen, alten Keller erwerben konnte, und der seitdem unbewegt in meinem Keller lag. Tiefe, praktisch altersfreie Farbe, ein unsterblicher Gigant mit enormer Kraft und viel Druck, dunkle Frucht mit dezenter Süße, feinster Bitterschokolade, so komplex, aber auch perfekt balanciert mit genialer Struktur und irrer Länge, das war einfach Bordeaux, Pomerol und Merlot vom Feinsten. Absolute Perfektion und einer der größten Weine, die ich jemals im Glas haben durfte, machte sprachlos und auch etwas demütig, natürlich klare WT100.

Es ist verdammt schwer, nach diesem außerirdischen Petrus einen Wein zu bringen – oder doch nicht? 1947 war ein fantastischer Jahrgang, insbesondere für St. Emilion und Pomerol. Aber das galt auch für 1950, Wineterminators Geburtsjahr. So öffnete ich dann diesen 1950 L´Evangile aus Pomerol in einer perfekten Grafé Lecocq Abfüllung. Die dichte, altersfreie Farbe ähnelte der des Petrus, aber der L´Evangile zeigte eine so unglaubliche Frische, dass meine Freunde glaubten, wir seien in den 80ern. Ein großartiger Wein war das nicht nur mit guter Säure, sondern auch mit immer noch Tannin zeigendem Rückgrat und wunderbarer, präziser Opulenz. Entwickelte sich extrem gut im Glas, zeigte fantastische Länge und war ebenfalls ein klarer, perfekter WT100 Wein. Der dürfte sehr gut weiter altern und hat das Potential, ein Hundertjähriger zu werden. Und was ist mit mir? Ich habe noch eine weitere Flasche im Keller mit der ich dann, drückt mir bitte fest die Daumen, unser gemeinsames Hundertjähriges feiern könnte.

Eine gute Alternative zu einem alten Jahrgangswein ist ein jüngerer Wein mit der entsprechenden Zahl. Und so hatte unser Freund Markus, einer der ganz großen Heitz Sammler vor dem Herrn, eine Flasche 1975 Heitz Martha´s Vineyard aus der Schweiz mitgebracht. Dieser energiegeladene, blutjung und immer noch wild wirkende Martha´s mit seiner expressiven Aromatik, geprägt von Kirschfrucht. Eukalyptus und Minze mit einem Schuß Cola ist der perfekte Nachfolger des legendären 74ers. Wie immer gilt auch hier der Weise Spruch: es gibt keine guten Weine, nur gute Flaschen. Und das hier war eine außerordentlich gute Flasche, vielleicht die beste, die ich vom 75er je hatte – WT100. Klar tat sich der Wein im anderen Glas gegen diesen Giganten schwer. Aber auch das war eine sehr spannende, hoch interessante Rarität, die man nur selten ins Glas bekommt. 1962 hatten die Penfolds Winemaker ein später sehr berühmt gewordenes und hoch bewertetes Blend aus Coonawarra Cabernet Sauvignon und Kalimna Shiraz gemacht, das unter dem Namen Bin 60A viele Preise einheimste. Erst 18 später schien ihnen die Qualität von Frucht und Jahrgang gut genug für einen Nachfolger, diesen raren 1980 Penfolds Bin 80A. Immerhin jetzt auch schon 42 Jahre alt wirkte der aus dieser wohl perfekt gelagerten Flasche noch so unglaublich jung und fast primärfruchtig. Wunderbare, dunkle Frucht, Schwarzkirsche, aber auch Veilchen, großartige Struktur, immer noch mit gutem Tanningerüst, dabei elegant und gut balanciert, diese Komplexität und den Tiefgang konnte man bei schlappen 12% Alkohol kaum glauben – WT96.

Ich liebe Burgunder aus dem großen Burgunderjahrgang 1959. Selbst kleiner Weine aus diesem Jahrgang können bei entsprechender Lagerung noch ein Hochgenuss sein. Aber wenn man einen großen Wein wie diesen 1959 Corton Cuvée Charlotte Dumay vom Hospice de Beaune in gutem Zustand findet, dann ist das ein Fest für alle Sinne. Tiefe, altersfreie Farbe, herrliche, verführerische und pikante rotbeerige Frucht, soviel Pracht und Fülle kombiniert mit der kräftigen Struktur eines Corton und feiner, süßer Schmelz machten aus diesem Corton einen echten Traumburgunder – WT97.