In Franz Josefs Keller

Legendär ist dieser Keller bei Franz Josef Schorn in seinem klassischen Restaurant Schorn. Seit Jahrzehnten finden hier immer wieder große und größte Proben statt. So war schnell klar, dass die erste Best Bottle des neuen Jahres nicht nur mit Kölner Freunden, sondern sogar einem Bergbauern aus den Eifeler Alpen hier stattfinden sollte. Und ebenso klar war, dass für die feine 8er Runde allerfeinste Weine aus unseren Kellern in die Gläser kommen sollten.

Mit zwei perfekt gereiften, trockenen deutschen Rieslingen von zwei verschiedenen Winzern aber aus derselben Lage und demselben Jahrgang, vor allem aber auch aus perfekter Lagerung, ging es los. Noch so unglaublich frisch war dieser 1999 Rüdesheimer Berg Schlossberg von Breuer. Helle, klare Farbe, glockenklare Frucht, kein Petrol, gute Säure, feine Würze, frische Kräuter, absolut trocken, kein Alter – WT97. Der 1999 Rüdesheimer Berg Schlossberg aus der Vintage Collection von Wegeler war etwas kräftiger, fülliger, auch reiferer mit dichterer Farbe, baute aber auch sehr schön im Glas aus und entwickelte enormen Tiefgang – WT94.

In Memoriam Sir Anthony Barton tranken wir zwei ältere Jahrgänge dieses so zuverlässigen Chateaus. Der 1949 Leoville Barton war zwar optisch in gutem Zustand, muss aber Luft gezogen haben. Überreif, balsamisch immer mehr Oxidation, keine Bewertung. Sehr schade, denn ich kenne den als großen Wein. Dafür entschädigte uns der 1959 Leoville Barton um so mehr. Dies hier war die letzte Flasche eines Lots, dass ich vor 30 Jahren in Belgien gekauft hatte. Alle Flaschen besaßen ein Etikett mit 1955, aber einen Korken mit 1959, was eindeutig der richtige Jahrgang war. Rauchig die Nase mit schöner, dunkler Frucht, viel Minze und etwas Eukalyptus, Tabak, Leder, dunkle Schokolade, Zigarrenkiste und Kaffee, dazu sehr kräftig mit guter Struktur und sogar noch Frische zeigend. Dürfte sich sicher noch 10+ Jahre weiterentwickeln – WT97. Leoville Barton ist immer eine Bank, nicht nur, weil die Preise halbwegs vernünftig sind. Leoville Barton braucht in der Jugend oft länger, altert dafür sehr gut. Mein ältester Leoville Barton war vor 19 Jahren ein immer noch faszinierender und gut trinkbarer 1863er.

Sehr erstaunlich von der nördlichen Rhone ein 1962 Cornas Chante-Perdrix von Delas. Sehr kräftig, kernig und charakterstark war dieser Syrah, der kaum Alter zeigte, und mit feinem Schmelz verwöhnte. Sicher ein Anbaugebiet, dass man sich mal näher ansehen sollte. Die Weine aus Cornas können nicht nur gut altern, sie müssen es auch. Dieser hier war sicher auf einem WT96 Niveau. DIE Überraschung der Probe war natürlich der legendäre 1947 Cheval Blanc in einer Händlerabfüllung mit sehr gutem Füllstand. Der Cheval zeigte eine tiefe Farbe mit wenig Alter, immer noch viel Kraft, enormen Tiefgang, Komplexität und Länge, war elegant und entwickelte sich sehr gut im Glas. Mit der Zeit kam dann auch immer mehr von der hedonistischen Süße, für die dieser 1947 Cheval Blanc so bekannt ist. Und warum gab es von mir „nur“ konservative WT98 für diesen Giganten? Die Besitzer von Cheval Blanc, die Familie Fourcaud Lussac, verkauften einen Teil der Ernte in Fässern an Händler, die den Wein dann selbst abfüllten. Natürlich behielten sie die besten Fässer für sich selbst. Auch die finanzstarken Vandermeulens bekamen wohl sehr gute Fässer, denn ihre Abfüllung ist mit der Chateauabfüllung voll vergleichbar (zuletzt 2020 in atemberaubender Qualität auf WT100 Niveau getrunken). Aber selbst aus den anderen Fässern war und ist dieser Wein ein Gigant. Und den jetzt hier in unserer relativ kleinen 8er Gruppe noch mal aus gut gefülltem Glas trinken zu dürfen, das war ein bewegendes Erlebnis. Eigentlich verdient das ein perfektes Rating. Und wenn man es mit der derzeitigen Punkte-Inflation vergleicht, bei der die diversen Weinführer mit den 100 Punkten nur so um sich werfen, dann reichen 100 Punkte für so einen Klassiker nicht ansatzweise.

Ein absoluter Traumflight war dann 1970 Latour und 1970 Ridge Monte Bello. Der 70er Latour ist einer der besten Latour des letzten Jahrhunderts, ein sehr dichtes, konzentriertes Monument mit voll intakter Tanninstruktur. Tobias, der edle Spender der beiden Flaschen, hatte meinen Rat und dem Latour ein mehrstündiges „Wannenbad“ gegönnt. Selbst danach brauchte der Latour noch viel Luft und Zeit im Glas um sich zu entfalten und dann nach einiger Zeit geradezu zu explodieren. Dann zeigte er diese unglaubliche Struktur eines perfekten Latour und entwickelte sogar allererste Süße. Ein klarer WT100 Wein mit Potential für 50(!) weitere Jahre. Der Monte Bello trat diesem Giganten ohne Probleme auf Augenhöhe entgegen, absolut irre. Er machte noch so einen fast jungen Eindruck, war so enorm dicht und kräftig, mit wunderbarer, dunkler Kirschfrucht und viel Minze. Dabei zeigte er generöse Süße in Kombination mit großartiger Struktur und gewaltiger Länge. Auch das war ohne Wenn und Aber ein WT100 Monument mit sicher noch 10+ Jahren Zukunft. Diese beiden Ikonen hier in Bestzustand gemeinsam erleben zu dürfen, das war schwer beeindruckend.

Die Zusammenstellung des nächsten Flights verstehe, wer will. Da prallten Welten aufeinander. Absolut genial dieser 2001 Colgin Carriad. Ich habe dieses kalifornische Monument mit seiner verschwenderischen, süßen Fülle, mit seiner unglaublich druckvollen Aromatik und seiner großartigen Struktur schon häufig trinken dürfen und meist mit perfekter Note bewertet. Hier habe ich an diesen Kulturschock zwischen all diesen reifen Raritäten mal vorsichtig WT99 dran geschrieben. In jedem Fall ist das ein kalifornischer Wein, der noch Geschichte schreiben wird. Im anderen Glas sollte ein 1960 Vega Sicilia Unico sein. Geniales Zeugs, schmeckte wie Mon Cherie gefüllt mit Mokkalikör, aber konnte das ein 60jähriger Unico sein? Trotzdem WT97.

Und dann kam nochmal Kalifornien gegen Bordeaux ins Glas. Der 1975 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve hatte eine feine, immer noch frische rotbeerige Frucht, viel Minze, Eukalyptus, Schwarztee, Sattelleder und das alles mit der Struktur eines großen Bordeaux. Ein großartiger Wein, der es aus guter Lagerung sicher auch noch 10+ Jahre machen dürfte – WT97. In 10 Jahren könnte der 1975 Latour im anderen Glas ebenfalls dieses Niveau erreicht haben und in der Dekade danach vielleicht noch daran vorbeiziehen. Er ist immer noch ein ziemlich tanniniges Monster, das sich nur im Schneckentempo entwickelt. Damit erinnert er an den inzwischen legendären 1928 Latour, der 50 Jahre brauchte, um überhaupt trinkbar zu werden. Sehr enttäuschend und völlig zugenagelt zu Anfang (ich habe diese OHK Anfang der 80er gekauft) öffnete sich jetzt Flasche #7 von 12 stückweit, brauchte aber ebenfalls viel Zeit und Luft im Glas. Wer das zu schnell leerte, sah vom Film nur den Vorspann. Immer mehr kam Rote und Schwarze Johannisbeere und eine fantastische Struktur mit intensiver Mineralität, viel Bleistift, einfach ein großer Latour auf seinem langen Weg zu wahrer Größe – WT96+. Jetzt könnte die richtige Zeit sein, einem frustrierten Besitzer, der den 1976 in der Subskription kaufte, ein Angebot zu machen, dass er nicht ablehnen kann.

Nicht die allerbeste Flasche war leider der 1989 Barolo Granbussia Riserva von Aldo Conterno, die auf hohem Niveau schon leichte Ermüdungserscheinungen zeigte. Aber mit schöner, roter Kirsche, mit viel Würze, Kräutern, mit erdiger Mineralität und viel Tiefgang war das immer noch ein großer Wein – WT95. Schlimmer erging es der 1990 Barolo Granbussia Riserva von Aldo Conterno. Die war schlicht und einfach oxidiert. Aber das kann bei jedem Wein und bei jeder Best Bottle passieren. No risk – no fun. Ganz Vorsichtige bringen da schon mal eine Reserveflasche mit. Beim edlen Spender des geilen 70er Flights war das wahrlich unnötig. Der gute Tobias öffnete trotzdem seine Reserveflasche, einen eigentlich wunderbaren 1955 Latour. Aber auch der war oxidiert und hin. Zum Erstaunen auch seines Lieferanten, der direkt neben ihm saß.

Ein Gedicht dann der 1990 Angelus, immer noch so jung und frisch, allein schon von der Farbe. Wunderbare, süße, dunkle Frucht, Schwarze Johannisbeere, so minzig, druckvoll mit enormer Pracht und Fülle, dabei kräftig und lang am Gaumen, Trinkspaß auf sehr hohem Niveau und Potential für sicher noch zwanzig Jahre – WT97. Völlig anders, deutlich kräftiger, dichter mit noch sehr stabilem Tanningerüst und doch auf Augenhöhe war im anderen Glas der 1988 Haut Brion. Schon irre, wie der einstmals eher ruppige, typische 88er immer mehr Eleganz und Finesse zeigt. Die lange Reise dieses Weines ist noch nicht zu Ende, da dürfte noch deutlich mehr kommen – WT97.

Und wer meinte, Pingus sei nur eine überteuerte neumodische Wuchtbrumme, der wurde jetzt eines Besseren belehrt. Dieser 2000 Pingus zeigte sich in erster Reife ausgesprochen fein und elegant, sehr balanciert mit schöner, cremiger Textur. Da passten jetzt alle Elemente perfekt zusammen – WT97. Dafür aber brauchte er ein paar Jahre und die entsprechende Reife. Ich kann mich noch gut an unsere Kultweinprobe 2006 im Saittavini erinnern. Damals notierte ich: Klar, das ist ein laut auftretender Wein-Dandy, Hedonismus mit ausladenden Aromen und einer Superfarbe, ein wilder, ungezähmter Wein, der einfach alles hat, bis eben genau die Harmonie eines großen Weines, die hier fehlte - 93/100. Trotzdem kann ich niemandem verübeln, der diese Weine im wilden, jugendlichen Stadium bevorzugt.

Und dann kam zum Schluss noch ein großartiges Highlight, das eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. Dieser 1914 Malaga aus der berühmten Massandra Collection war zunächst erstmal ein reifer, sauleckerer Malaga. Aber da tat sich mit der Zeit eine Menge im Glas. Zur intensiven Süße kamen getrocknete Datteln und Feigen und immer mehr Facetten. Gerne hätte ich diesem raren Giganten mehr Zeit und Aufmerksam gegönnt. Sicher mindestens WT97. Eigentlich gehören solch rare Süßweine an den Anfang einer Probe oder als Solitär getrunken.

Und wer meinte, jetzt sei Schluss (vor der Tür warteten schon Taxis für diverse Himmelsrichtungen), der hatte nicht mit Franz Josef gerechnet. Der kam noch mit einer ganz besonderen Rarität um die Ecke. Der clever am Tag der Wiedervereinigung gelesene 1990Dalsheimer Steig Huxelrebe TBA Vereinigungswein. Mit etwas Honig gesüßter Aprikosenlikör, kupfergolden die Farbe, Orangenzesten, durch die immer noch knackige, balancierende Säure perfektes Süße-/Säurespiel und eigentlich deutliche Riesling-Anmutung, so fein, so stimmig, fast tänzelnd, bleibt sehr lang am Gaumen, ohne klebrig zu wirken. Das war wieder großes Süßweinkino - 97/100.

Was für eine wunderbare, spannende Probe, die dringend nach Wiederholung schreit.