Boxenstopp 2024
Schlichtweg atemberaubend wieder unser klassischer Boxenstopp auf dem Weg ins Engadin im Rössli in Bad Ragaz. Mit Martha und Daniel Gantenbein und weiteren Schweizer Freunden haben wir die letzte, große Probe des Jahres gemacht.
Mit zwei Champagnern starteten wir in den Abend. Reif mit guter, reifer Säure, feinem Schmelz und gutem Trinkfluss zeigte sich der Jestin Extra Brut – WT94. Eher enttäuschend war der 2007 Egly Ouriet, der rasch abbaute und wohl zumindest einen leichten Fehler hatte. Dann sind wir in das Reich gereifter, Weißer Burgunder eingetaucht. Das war schon irre, wenn ein 1959 Puligny Montrachet Clos de la Mouchère von John Avery lange Zeit wie eine Eins im Glas stand ohne abzubauen. Am Tisch ging er als maximal 30 Jahre alt durch. Kräftiges goldgelb, cremige Textur, reife, gelbe Frucht, feiner, nussiger Schmelz, baute neben der betörenden Nase auch am Gaumen immer mehr aus und zeigte tolle Länge – WT96. Großartig war der ausdrucksstarke, druckvolle 1993 Chevalier Montrachet von Domaine D´Auvenay (Lalou Bize-Leroy) mit Kraft und Fülle. Wirkte erst wie ein Weißer Rhone Wein, dann kam etwas mehr Exotik, dezente Honignote, wurde karamelliger, mineralischer und frischer – WT96. Wirkte aber insgesamt deutlich reifer als der daneben stehende, immer noch so frische, mit guter Säure feiner und jünger wirkende 1978 Puligny Montrachet Les Chalumeaux von SA Leroy, der sich im Glas mit enormem Tiefgang und Länge fantastisch entwickelte und perfekte Balance und Frische zeigte – WT97. Das waren noch Zeiten, als Weiße Burgunder so gut altern konnten. Ob da so ein gelungener 2019 Corton Charlemagne von Pierre Girardin dran anknüpfen kann? Der war sehr fein und elegant, frisch mit guter Säure feinem Schmelz und guter Mineralität – WT94+.
Der älteste Wein der Runde war ein 1923 Richebourg von Henri de Bahèzre, der sehr viel Luft und Zeit brauchte. Dunkel und etwas trüb die Farbe, deutliche Torfnote, Zugsalbe, Jod, enorme Kraft am Gaumen, baute enorm aus und entwickelte feine Süße – WT96. Der beste Wein war ein schier unglaublicher, absolut perfekter 1937 Bourgogne Réserve Privée von Colmcombet Frères mit dichter, wenig Alter zeigender Farbe, fast noch jugendlicher Frische, superber, kirschiger Frucht und dazu feinem, süßem Schmelz - WT100. Damals waren die Händler sehr solvent und konnten sich die besten Fässer leisten. In dieser Privatreserve muss ein ganz großer Wein gelandet sein.
Einfach nur träumen konnte man trotz 6 cm Schwund bei einem großen, perfekt gereiften Klassiker wie dem 1945 Vougeot Clos de la Perriére von André Guy – WT97. Auf gleichem Niveau der enorm kräftige 1947 Chambertin von Morin mit Dichte, schmelziger Fülle und Länge – WT97. Überragend auch ein 1952 Richebourg von Bichot, so fein, so elegant und so würzig mit einer Traumnase, was sich am druckvollen Gaumen mit irrer Süße fortsetzte – WT98. Drei große Weine, die allesamt in großartigen Zustand mit der Perfektion flirteten.
Der überraschenste Wein des Abends war ein 1954 Nuits St. Georges von Doudet Naudin aus diesem schwierigen Jahr. Aber das ist halt Burgund, wo zumindest damals auch in Unjahren immer mal wieder große Weine erzeugt wurden.Der hier war ein perfekt balancierter, sehr fruchtiger, immer noch frisch wirkender Traum – WT97. Damit war er auf sehr hohem Niveau auf Augenhöhe mit einem enorm kräftigen, dichten, unglaublich konzentrierten 1955 Clos de Tart von Vandermeulen mit sehr tiefer Farbe, den wir wahrscheinlich so, wie den legendären 47er Chambertin von Vandermeulen, mehrere Stunden vorher hätten dekantieren müssen. Haben wir leider nicht, so konnte er mit WT97 längst nicht alles zeigen, was er draufhat.
Und dann kamen noch drei Weine aus dem großen Burgunder Jahrgang 1959 ins Glas. Der noch so fruchtig wirkende 1959 Vosne Romanée von Paul Bouchard zeigte diese für die guten 59er immer noch so typische, frische, betörende, rotbeerige Frucht und war sehr elegant mit feinem Schmelz – WT96. Absolut betörend auch mit ebenfalls traumhafter, frischer Frucht der 1959 Beaune Les Grèves von de Cannière, der am Gaumen förmlich explodierte, bei aller Kraft ein sehr feiner, eleganter, großer Wein – WT97. Einfach nur perfekt der große, komplette 1959 Clos de la Roche von Remy. Der hatte einfach von allem alles, superbe Frucht, gewaltigen Druck, verführerischen Schmelz mit schöner Süße, gute, kreidige Mineralität und tolle Länge – WT100. Überraschender, sehr schöner Abschluss der Burgunderriege war dann, wiederum aus vermeintlich schwächerem Jahr ein sehr eleganter, eher etwas filigraner, feiner, finessiger 1980 Chambertin Grand Cru von Leroy – WT96.
Heftig und auf sehr hohem Niveau dann noch das Abschlussfeuerwerk. Gewaltig und immer noch so jung wirkend der sehr dichte, kräftige und sehr würzige 2008 Barolo Gran Bussia Riserva von Aldo Conterno mit Kirschfrucht und Brombeere, mit so druckvoller Aromatik, mit Rosenblättern und teeriger Mineralität – WT98. Ein echter Barolo Bolide. Auf gleichem Niveau der schlichtweg atemberaubende 1987 Dunn Howell Mountain ein gewaltiges, lakritziges Konzentrat ohne jedes Alter – WT98.
Perfekt verwöhnt wurden wir von der lieben Doris, die alle Weine großartig ins Glas brachte, und dem Ueli, der grandios dazu kochte. Die komplette Probe kommt ausführlich dokumentiert und bewertet Anfang Januar auf die Website, auf der es aber jetzt für die Weihnachtstage viel zu lesen gibt.
Das Rössli in Bad Ragaz, Boutique Hotel und Top Restaurant mit fantastischer Weinkarte kann ich nur empfehlen.