Cellar Devils Dinner 2024

Sehr tief wird immer in den Kellern gegraben, wenn unser amerikanischer Freund Jeff Leve (www.winecellarinsider.com) zum inzwischen traditionellen Cellar Devils Dinner zu uns nach Düsseldorf kommt. Verstärkt wurden die Cellar Devils diesmal mit Kellerteufeln aus Köln, Dorsel und der Schweiz und was die alle aus ihren Kellern mitbrachten, war schlichtweg atemberaubend

Als Apero starteten wir auf der Terrasse des Berens mit dem 2020 Vogelsang Kabinett von der Domaine Serrig, der ehemaligen Staatsdomaine, die von Markus Molitor übernommen wurde und jetzt zu neuem Leben erweckt wurde. Schlank, kräftig, präzise, animierend und sehr mineralisch wirkte dieser Kabinett mit verhaltener Süße eher halbtrocken und dürfte eine sehr gute, lange Zukunft haben – WT95+.

Gleich in die Vollen ging es dann an der großen Tafel im Berens, auf der auch perfekt weinbegleitend ein kulinarisches Highlight das andere jagte. Nein, aus seinem Jahrgang gäbe es nicht vernünftiges, hatte mir der gute Jeff noch vor der Probe erklärt. Gut, 1957 ist ein ziemlich schwieriges Weinjahr. Aber bei reifen Burgundern findet sich in fast jedem Jahrgang irgendein großer Wein. Und so zeigte sich auch dieser 1957 Echezeaux Marquis de Jouennes, eine Händlerabfüllung von Roger de Jouennes, von seiner allerbesten Seite. Gesunde Farbe, wunderschöne Frucht, feine Kräuter, gute Struktur, Kraft und schöne Süße, aber auch gute Säure, einfach ein großer, kompletter, gut gereifter Burgunder – WT97. Das war meine zweite und leider letzte Flasche dieses erstaunlichen Weines.

Dem stellte Uwe Bende dann diesen schier unglaublichen 1872 Assmannshäuser gegenüber, der mit 152 Jahren immer noch erstaunlich gut trinkbar war. Er hatte vielleicht nicht mehr die schönste Nase, zeigte aber am Gaumen immer noch Reste rotbeeriger Frucht, Unterholz, feuchte Erde und erstaunlich viel Leben. Das war „Drinking History“ von einer sehr spannenden Seite. Der Weinbuchhalter in mir gab WT93. Dieses einmalige Erlebnis, den wohl ältesten, noch existierenden Deutschen Rotwein trinken zu dürfen verdient eigentlich deutlich mehr. Uwe wird uns von den noch verbliebenen Flaschen diesen Wein hoffentlich in 10, 20 und 30 Jahren nochmal probieren lassen. Getragen von der deutlichen Säure sollte der Assmannshäuser das wohl schaffen, aber wir?

Und schon kam der nächste Senior ins Glas, ein 96 Jahre alter 1928 St. Emilion Aalholm Slots Kjelder in einer dänischen Händlerabfüllung. Der hatte noch eine intakte, dichte Farbe, war kräftig mit der Herbe dieses tanninreichen Jahrgangs und wirkte leich austrocknend, aber faszinierend und am Gaumen balanciert mit guter Länge – WT93. Der 1952 L´Evangile im anderen Glas war ein hinreißender, verschwenderischer Pomerol, immer noch so kräftig mit Pracht und Fülle, mit feinem Schmelz und großartiger Länge – WT96. Aus perfekt gelagerten Flaschen wie dieser sollte er es noch locker 10-20 Jahre machen. 1952 ist ein guter Bordeaux Jahrgang, der noch für viele Überraschungen gut ist.

Überragend war wieder wie schon vor drei Jahren der 1971 Palmer, perfekt gereift mit sehr dichter Farbe, traumhaftem Charme und burgundischen, einfach ein großer, kompletter Margaux – WT95. Gut zeigte sich auch der 1953 Pichon-Longueville Comtesse de Lalande in einer Nicolas Flasche. Leicht metallisch in der Nase, immer noch kraftvoll zeigte er den typischen Comtesse Charme und wirkte insgesamt jünger – WT94.

Ein Hammerflight war dann 1970 Trotanoy gegen 1970 Giscours. Beide Weine stammten aus einem feuchten, kalten Keller und zeigten mit perfektem Füllstand, aber lausigen Labeln keinerlei Alter. Der maskulin wirkende Trotanoy mit dichter, praktisch altersfreier Farbe zeigte feine, reife, dunkle, pflaumige Frucht, Tabak, Schwarze Trüffel und eine beeindruckende Balance aus Kraft und Eleganz mit feinem Schmelz und toller Länge. Ich hatte diesen Trotanoy schon so oft im Glas, wo er mit massiven Tanninen meist unfertig wirkte. Jetzt im zarten Alter von über 50 Jahren blüht er auf, beeindruckend – WT97. Mit seinem intakten Tanningerüst hat er sicher noch 20-30 Jahre vor sich. Schlichtweg atemberaubend war der Giscours, schon immer ein Geheimtipp. Aus der wohl bisher besten Flasche zeigte er eine superdichte Farbe, geradezu wilde Kraft und eine explosive Aromatik mit viel Lakritz und einer leicht portig wirkenden Süße, die an die besten der legendären Vandermeulen Abfüllungen aus den 40ern und 50ern erinnerte. Das war schon irre, wie dieser Giscours im Glas zulegte und ausbaute. Erst hinter Trotanoy, ging er auf die Überholspur, und meine Bewertungen stiegen mit jedem Schluck. Bei WT98 war mein Glas leer

Der 1952 Pichon Longueville in einer Barrière Abfüllung im nächsten Flight konnte nur ein Baron sein. Der war mit dichter, junger Farbe so unglaublich kräftig mit großartiger Struktur, einfach Pauillac pur. Ein beeindruckender Wein, der deutlich jünger wirkte und noch eine gute Zukunft haben dürfte – WT96. Glück hatten wir auch mit dem 1978 Phelps Insignia aus einer wohl gut gelagerten Flasche mit sehr gutem Füllstand. Vor sechs Jahren hatten wir beim Cellar Devils Dinner eine oxidierte Flasche gehabt. Aus dieser hier war gut gereift, aber noch so vital mit dunkler Beerenfrucht, minzig, elegant und weich mit reifen Tanninen, sehr aromatisch und üppig mit Eukalyptus, auf dem Punkt mit schöner Länge – WT97.

Zweimal absolute Perfektion kamen dann ins Glas. Aus großartigen Flaschen ist der 1975 Heitz Martha´s Vineyard der legitime Nachfolger des legendären 1974ers. So dicht, so unglaublich kräftig und jung zeigte er sich etwas wilder als der 74er mit der typischen, explosiven Aromatik von Minze, Eukalyptus und Cola, ein aufregender, druckvoller Powerwein mit grandioser, langer Zukunft – WT100. Absolutes Flaschenglück hatten wir auch mit dem perfekten 1978 Mayacamas, den ich auch deutlich schlechter kenne. Aber hier stimmte einfach alles. Etwas reifer als der Martha´s, aber so unglaublich balanciert und elegant mit sehr viel Minze, einem Hauch Eukalyptus, feinstem Schmelz und einem fantastischen, kaum endenden Abgang – WT100. Beide Weine perfekte Beispiele für die große Klasse dieser Old School Kalifornier.

Zwischendurch ließ der gute Uwe jeweils noch einen großartigen Chateauneuf einfließen. Der 1957 Chateauneuf-du-Pape Clos de l´Oratoire aus Jeff Leves Geburtsjahr war ein traumhaft balancierte, kompletter, deutlich jünger wirkender Chateauneuf mit immer noch schöner Frucht, feinem Schmelz und burgundischer Eleganz, voll auf Augenhöhe mit dem 57er Echezeaux – WT97. Und netterweise schmuggelt Uwe auch immer wieder mal einen Wein aus Wineterminators Geburtsjahr ein. Dieser 1950 Chateauneuf-du-Pape von Noel Sabon war noch voll da, sehr kräuterig und süß, so eine Art Jägermeister aus Chateauneuf – WT95.

Ein Traumflight, auf den ich mich schon so lange gefreut hatte, war der Vergleich von 1959 und 1990 Beausejour Duffau-Lagarrosse. In 1990 hatte man auf dem Gut wohl alles richtig gemacht und den bisher besten Wein erzeugt, einen echten Jahrhundertwein. So unglaublich dicht mit superber Frucht, laserscharfer Präzision und intensiver Mineralität, immer noch so jung wirkend mit einer großen Zukunft für mindestens 30+ Jahre, aber jetzt hier in unserem Tasting wieder absolut perfekt mit irrer Länge – WT100. Aber haben sie das vielleicht doch früher schon einmal geschafft, einen solchen Ausnahmewein zu erzeugen? Mit viel Glück konnte ich vor einiger Zeit (danke, Uwe) eine perfekte Flasche des 1959 Beausejour Duffau-Lagarrosse erstehen. Und die stand jetzt neben dem 90er. In perfektem Zustand brillierte die jetzt trotz 31 Jahren mehr Alter auf fast dem gleichen Niveau. Auch das ein sehr dichter Wein, perfekt balanciert mit feinem Schmelz und fantastischem Abgang – WT98. Atemberaubend!

Natürlich braucht es für eine solch grandiose Probe Flaschenglück, und das hatten wir. Er hätte einer der granz Großen werden können und sollen, dieser mit dem Jubiläumsetikett ausgestattete 1985 Heitz Martha´s Vineyard. Wenn, ja wenn es nicht den Altersgeiz des Joe Heitz und die vielen alten TCA-verseuchten Fässer gegeben hätten. So hatten halt sehr viele der Martha´s diesen ekligen, kork-ähnlichen Ton. Aber es gab ein paar deutlich bessere Ausnahmeflaschen, und eine solche hatten wir hier. Wie zuletzt vor 4 Jahren aus eigenen Beständen (ich konnte vor 25 Jahren bei Christies eine 6er „Glückskiste“ erwerben) war das hier mit tiefroter, altersfreie Farbe, konzentrierten, dunklen Beerenfrüchten, noch so unglaublich jugendlich mit unbändiger Kraft, Minze satt und natürlich auch der Signature-Eukalyptus, dazu Jod, intensive, erdige Mineralität, immer noch strammes Tannin- und Säuregerüst, ein einfach genialer, enorm druckvoller, zupackender Wein mit gewaltigem Tiefgang und Länge, ein richtiges Tier von Martha mit sehr guter Zukunft – WT97+. Ewig und drei Tage hat auch 1989 Latour, bis er sich richtig entfaltet. Jetzt war er auf dem richtigen Wege, ein großer Latour zu werden. Ein gewaltiger, kraftvoller Wein mit großartiger Struktur, soviel Tiefgang und Spannung, unglaubliche Länge, präzise Cassisfrucht mit Minze, die klassische Latour Walnuss Aromatik, dazu immer noch stramme Tannine für sehr lange Lagerung – WT97+.

Mit dem nächsten Flight hatte unser Kölner Freund Dieter richtig tief in seinen Keller gegriffen. Der ultrarare 1959 Penfolds Grange Hermitage Bin 95 hatte immer noch eine intakte Farbe und war immer noch ein im besten Sinne aufregender, lebhafter, animierender Wein mit frischer Schwarzkirsche, etwas dunkler Schokolade und Mokka, feinstem Schmelz und langem Abgang – WT98. Dieser Grange, ohne Holz ausgebaut, war einer der drei heimlich von Max Schubert entgegen der Company Order, die Produktion einzustellen, produzierten Grange, die erst später in den Vertrieb gelangten. Ich hatte diesen inzwischen sündhaft teuren Grange vor langen Jahren schon einmal, aber nicht in dieser bestechenden Qualität. Das war Drinking Grange History vom Allerfeinsten. Der 1964 Penfolds Grange hat in seiner Jugend viele Wettbewerbe und Goldmedaillen gewonnen, alterte aber leider schnell. Aus dieser Flasche hier war er deutlich besser, als ich ihn bisher kannte. Reif zwar aber immer noch mit viel Genuss trinkbar, weich mit süßer Frucht, viel Unterholz, altem Leder und feinem Schmelz – WT94.

Von seiner allerbesten Seite zeigte sich auch eine andere, australische Legende, der 1988 Henschke Shiraz Hill of Grace. Der mag in einigen Flaschen schon etwas müde sein. Aus dieser hier aus bestem Keller war er noch quicklebendig. Kräuterig und würzig mit reifer, dunkler Frucht und etwas Lakritz war dieser Wein komplex, sehr balanciert und elegant mit feiner Süße – WT96. Flaschenpech leider beim sonst so grandiosen 1991 Ridge Monte Bello, der aus dieser Flasche überreif mit Steinpilzaromen wirkte – WT90.

Im letzten Flight dieser denkwürdigen Probe wirkte der 1990 Cos d´Estournel, den ich besser und jünger kenne, auf hohem Niveau mit sonst guter Struktur schon recht reif – WT94. Er hatte es aber ohnehin schwer gegen den fantastischen 1985 Lafleur, der mit seiner klassischen kräuterig, lakritzigen Aromatik überzeugte, mit enormer Fülle am Gaumen, unter der sich aber auch reichlich Kraft verbarg, reif zwar, aber immer noch kräftig mit gewaltigem, aromatischem Druck, aber auch mit generösem Schmelz – WT97.