Der Schweizer Nationalfeiertag
Spontan hatten wir uns für den 1.8., den Schweizer Nationalfeiertag, im Passion du Vin zu einer feinen Gantenbein-Vertikale verabredet zu denen wir in schöner Runde aus unseren Kellern beitrugen. Ergänzt wurde das um ein paar Weine aus 1972, denn unser Freund Sascha Bürgel hat nun mal am selben Tag Geburtstag wie die Schweiz. Das war schon große Klasse, was da in die Gläser kam, auch wenn notgedrungen ein paar Flaschen stehenblieben, denn wir hatten zwar keinen Ausfall bei den Weinen, aber einen sehr bedauerlichen bei den Mittrinkern. Wenn so ein begnadeter Schluckspecht plötzlich ausfällt, hinterlässt das trotz aller Anstrengungen der anderen eine empfindliche Lücke. Unser Freund Thomas, extra aus der Schweiz angereist, war plötzlich malad. So mussten wir die Zahl der Weine etwas zusammenstreichen und es gab es dann einen spontanen kleinen, zweiten Teil dieser Probe mit den übriggebliebenen Flaschen im Oktober.
Doch hier erstmal zum großen, ersten Teil der Probe, bei der wir an diesem Tag sicher mehr Gantenbeins auf dem Tisch und im Glas hatten, als die gesamte Schweiz.
Grandioser Start war der perfekt balancierte, animierende, mineralische 2017Gantenbein Riesling, absolut trocken und trotzdem mit feiner Extraktsüße und rassiger Säure, der sich in seiner Brillanz, seiner rassigen Art und der intensiven Mineralität wie eine Art „Fläscher Hermannshöhle“ zeigte – WT96.
Sehr begehrt und gesucht sind inzwischen die Gantenbein Chardonnays. Die Tatsache, dass der 2022 Gantenbein Chardonnay kürzlich im Wine Advocate mit 99 Parker Punkten dekoriert wurde, macht die Suche nach diesem Ausnahme Chardonnay sicher nicht leichter.
Wir haben in unserer Probe drei ältere Jahrgänge verkostet, die deutlich zeigten, wie gut diese Weine altern. Eine tolle Ausnahmeflasche, die aber auch beeindruckend das Alterungspotential der weltweit so gesuchten Gantenbein Chardonnays zeigte, war dieser 2005 Gantenbein Chardonnay. Der war noch so ausnehmend frisch und geradezu jugendlich, auch in der hellen Farbe, mit feiner Karamellnote und immer noch guter Säure – WT97. Deutlich reifer war aus dieser Flasche hier (ich kenne ihn deutlich besser und frischer) der 2006 Gantenbein Chardonnay mit kräftiger Toffeenote, Dörrobst, dezent oxidativ, aber auch mit Kraft und Fülle – WT93. Groß und komplett zeigte sich der 2010 Gantenbein Chardonnay mit der Mischung aus der jugendlichen Frische des 2005ers und der Kraft und Fülle des 2006ers – WT97. Mit diesem Jahrgang erfolgte beim Gantenbein Chardonnay ein deutlicher Stilwandel, weg von den eher etwas dicken, fetten Geschossen, hin zu rassigen, klassischen, burgundischen Stil, schlank im positiven Sinne, mineralisch, würzig und mit präzisen Konturen. Seit dem 2016er Jahrgang setzen die Gantenbeins zur weiteren Qualitätssteigerung beim Chardonnay übrigens eine alte Korbpresse ein.
Absolut genial und ohne Altersnoten zeigte sich der perfekt gereifte 1999 Gantenbein Pinot Noir, sehr elegant und fein mit cremiger Textur und mit wunderbarem Schmelz, aber auch mit Kraft, Struktur und Dichte, dazu mit burgundischem Charme, noch voll da, mit sehr schöner Länge – WT96. Noch etwas kräftiger und jünger wirkte der 2001 Gantenbein Pinot Noir, so elegant und balanciert mit betörender Frucht, feiner Kräuternote und sehr schöner Länge. Da war noch kein Alter, sondern eher noch eine längere Zukunft – WT97.
Dazwischen packte ich blind als Piraten den faszinierenden 1990 Gantenbein Fläscher Blauburgunder. Der war immer noch so frisch und animierend mit schöner Frucht und Frische, noch ohne Barrique, und machte einfach unglaublich Spaß. Auf das Alter wäre am Tisch niemand gekommen – WT96. Die Gantenbeins hatten mir diese perfekt erhaltene Flasche vor langen Jahren geschenkt.
Einfach super sexy mit göttlichem Schmelz war der 2005 Gantenbein Pinot Noir, ein perfekt (an)gereifter Schmuse-Ganti mit seidiger Eleganz und burgundischer Pracht und Fülle – WT96.
Enorme Kraft und Länge zeigte der 2006 Gantenbein Pinot Noir, ein balancierter, druckvoller, burgundischer Traum mit noch langer Zukunft – WT96.
Der schon sehr häufig getrunkene sehr elegante 2007 Gantenbein Pinot Noir war von Anfang an mit seiner einfach dekadent leckeren, schokoladigen Art voll trinkbar, hat sich aber gut gehalten und entwickelt. Mit burgundischem Charme zeigte er auch aus dieser Flasche keinerlei Alter – WT95.
Mutter Natur bescherte den Gantenbeins mit dem 2013 Gantenbein Pinot Noir einen absoluten Ausnahmewein. Starke Verrieselung während der Blüte führte zu einer sehr kleinen, konzentrierten Ernte. Die Reben hatten halte alle Kraft und Extrakt in die wenigen, verbliebenen Trauben gepackt. Das war dann jetzt eine Art Essenz von Gantenbein, mächtig, kräftig, röstig, auch etwas wild und verrückt, und doch gleichzeitig so fein und elegant, ein am Gaumen kaum endender Pinot Traum mit noch gewaltiger Zukunft, schon häufig getrunken und jetzt mit dieser perfekten Kombination aus burgundischer Eleganz und gewaltiger, druckvoller Aromatik einfach perfekt – WT100.
Als Abschluss des ersten Probenteils kamen dann noch zwei schöne Weine aus Sascha Bürgels Geburtsjahr ins Glas. Der erste war dann aus dem recht schwierigem Bordeaux Jahrgang ein noch ein gut erhaltener 1972 Chateau Latour ins Glas. Das war ein schöner, klassischer, perfekt gereifter Latour, immer noch mit etwas guter Frucht, mit Unterholz, Trüffeln, und dieser intensiven Bleistift-Mineralität. Hielt sich erstaunlich gut im Glas und entwickelte sich sogar – WT92. Vor acht Jahren hatten wir diesen Latour am 1.8.2016 schon mal im Glas gehabt, damals noch etwas druckvoller auf WT94 Niveau. Latour altert auch in sogenannt schwierigen Jahren verdammt gut mit sehr zuverlässiger Qualität. Bei gut gelagerten Flaschen greife ich da immer wieder gerne zu. Weniger erstaunlich war die große Klasse des 1972 Chambolle Musigny Premier Cru von Henri de Villamont, der wie schon so viele Burgunder aus diesem Jahrgang fast altersfrei mit betörender Eleganz, noch erstaunlicher Kraft und feinem Schmelz punktete - WT94..
Sorgsam im klimatisierten Weinregal des Passion du Vin verstaut mussten die verbliebenen Flaschen dann deutlich länger als geplant warten, denn jetzt fiel ich leider mit einem schweren Unfall für längere Zeit aus.
Im Oktober fand dann ganz spontan in noch kleinerem Kreise der zweite Teil der Probe mit den übrig gebliebenen Flaschen statt.
Sehr überzeugend als Einstieg gleich der 2008 Gantenbein Pinot Noir, der sich immer noch so frisch und einfach genial zeigte mit betörender Frucht und spielerischer Eleganz – WT96. Immer noch so jung und kräftig mit viel Potential zeigte sich der 2010 Gantenbein Pinot Noir – WT95+. Der schon häufig getrunkene 2012 Gantenbein Pinot Noir zeigte sich auch jetzt wieder zugänglich, aber altersfrei mit burgundischer Pracht und Fülle, dazu feinem schokoladigem Schmelz – WT95. So elegant und druckvoll mit burgundischer Pracht und Fülle, dazu feinstem Schmelz aber auch noch erstaunlich frisch und jugendlich mit viel Potential war der 2014 Gantenbein Pinot Noir – WT95+.
Erstaunlich druckvoll und kräftig in bester Corton Manier zeigte sich der immer noch weitgehend altersfrei wirkende 1972 Corton-Perrières von G. Prieur, ein echtes Prachtstück – WT95. Richtig großes Flaschenglück hatten wir dann auch bei einem sehr gut erhaltenen 1972 Chateau Lafite Rothschild, der ja nicht nur aus einem schwächeren Bordeaux Jahr stammte, sondern auch dazu aus einer Phase, in der sich Lafite nicht gerade mit Ruhm bekleckerte. Aber aus dieser Flasche hier war er einfach nur wunderschön, so elegant und stimmig, voller Leben mit feiner, betörender rotbeeriger Frucht, Bleistift Mineralität und dieser noblen, aristokratischen Struktur eines großen, klassischen Lafite. Da waren locker WT96 fällig.
Gelungener Abschluss dann eine sehr schöne Flasche 2000 Spätburgunder Alte Reben von Bernhard Huber, die Julian Huber als „Medizin“ für meinen Heilungsprozess mitgegeben hatte. Der war noch so erstaunlich vital, perfekt balanciert mit seidiger Eleganz, würzig, floral mit feiner Frucht und ohne jedes Alter – WT94.