Kalifornien gegen den Rest der Welt

Köln ist immer eine Reise wert, vor allem, wenn dort wieder im sehr aktiven Kölner Weinkreis eine schöne Weinprobe ansteht. Unser Freund Dieter hatte diesmal, wie schon vor zwei Jahren, zu „Kalifornien gegen den Rest der Welt“ eingeladen. Ein spannendes Thema, zu dem wir als absolutes Highlight wieder von Steffen Kimmig mit einem atemberaubenden Menü auf ** Niveau verwöhnt wurden. Die Probe selbst war ein schönes, unterhaltsames Ratespiel, so eine Art Topfschlagen für große Jungs, bei dem es der liebe Dieter mit der geschickten Auswahl der Weine nicht leicht machte, jeweils den Kalifornier herauszufinden.

Grandios gleich im ersten Flight der 2019 Ried Pössnitzberger Kapelle Chardonnay von Sabathi. Der startete mit einer etwas üppigen, fetten Nase, die an große Chardonnays von Peter Michael erinnerte. Mit mehr Luft wurde der Sabathi zivilisierter, deutlich präziser und erinnerte mit guter Säure und fantastischem Trinkfluss mehr an große Gantenbein Chardonnays. Das war große Klasse – WT97. Da hatte der etwas einfacher gestrickte 2020 Bogle Chardonnay Reserve mit cremiger Textur, exotischer Frucht, Banane und etwas Marzipan mit guter Fülle keine Chance gegen – WT93.

Hohes Niveau dann auch gleich im ersten Rotwein-Flight, bei dem es nicht so einfach war, den Kalifornier herauszufinden. Schließlich war das mit dem 1994 Dominus ein trotz erster Reife immer noch so jung wirkender Gigant mit puristischer Frucht, Leder, Tabak und etwas Lakritz in bester Bordeaux Stilistik – WT97+. Da wirkte im Vergleich der ebenfalls grandiose 2000 l´Evangile mit seiner üppigen Art, seiner dunklen Frucht mit intensiver Fruchtsüße, mit Minze und sogar schon etwas Eukalyptus deutlich kalifornischer, aber ebenfalls noch mit viel Potential – WT97+.

Schwierig im nächsten Flight der 1995 Shafer Merlot, der mit seiner Sauerkrautnase und einer Essignote, die sich in reife Astringenz wandelte trotz feiner Süße sicher einen leichten Fehler hatte – WT91. Er stand gegen einen großen Merlot aus Pomerol, den 1989 La Conseillante. Dieser „Petrus für Arme“ ist einfach so saulecker, reif und schmelzig, da ist jedes Glas zu klein – WT97.

Das ist ein großer, perfekt gereifter Martha´s Vineyard (ich selbst habe auf den unsterblichen 78er getippt) so die Meinung am Tisch beim ersten Wein des nächsten Flights. Aber das war weder Heitz noch überhaupt ein Kalifornier, trotz der vergleichbaren, einmaligen Aromatik mit Minze und Eukalyptus, mit traumhafter Süße, tollem Schmelz und wunderbarer, cremiger Textur. Es war ein famoser, perfekter 1998 Hill of Grace von Henschke aus Austalien, klare WT100 und der beste Wein der Probe. Sein Konkurrent, der sonst so prall-geniale 1999 Hayne Vineyard Zinfandel von Turley entwickelte leider Kork und schied aus. Stattdessen kam als vollwertiger Ersatz ein ebenfalls großartiger 1993 Dalla Valle Maya ins Glas. Der hatte satte, pflaumige Frucht, war schokoladig mit Eukalyptus und Minze, üppig und reif mit schöner Fülle, aber auch mit toller Struktur. Die über 2 Stunden Vorsprung des Henschke konnte er natürlich nicht aufholen, lag aber nicht weit dahinter – WT98.

Ein echter Überflieger war wieder der enorm kräftige, üppige und sehr druckvolle 1998 Lava Cap El Dorado Petite Sirah Reserve, eine Allzweckwaffe, die meine Kölner Freunde immer wieder als überraschenden Piraten in Proben einsetzen. Der hatte wieder üppige, süße Frucht, wie man sie auch von den großen Petite Sirahs von Hellen Turley kennt, reichhaltige Kräuter, Bitterschokolade und natürlich Kraft ohne Ende. Möchte ich von dieser fantastischen Wuchtbrumme eine ganze Flasche trinken? Bitte nicht, aber dieses Glas hier, das war schon vinophiler Ausnahmezustand und verdient WT97. Klar kam da jetzt im direkten Vergleich der 1989 Chateau Canon aus St. Emilion nicht mit, obwohl der sich ausnehmend gut entwickelt hat. Dieser Cheval Blanc für Schlaue hat das Rustikale der ersten Jahre abgelegt und zeigt sich jetzt bei aller, immer noch vorhandener Kraft immer noch so jung und ausgesprochen fein mit schöner, Schwarzer Johannisbeere, viel Minze und schöner Kräuternote. Da kommt in den nächsten Jahren sicher noch mehr – WT95+.

Wofür Blindverkostungen gut sind, das zeigte eindrücklich der nächste Flight. Unser Gastgeber hatte den Wein unseres Freundes Michael Hallek eingebaut, den 2015 Chateau Le Pin Beausoleil aus St. Emilion, der sich schon fast unglaublich schön präsentierte. Der war in erster Reife so fein, so elegant mit betörend schöner Frucht, eine echte Wohltat unter all diesen Wuchtbrummen – WT96. Hätte ich mich „sehend“ getraut, diesen wunderschönen Wein so hoch zu bewerten? Egal, ich habe es getan. Und es ist schon ein Unterschied, ob so ein Wein in der Primeurverkostung eine Punktzahl verabreicht wird, die dann quasi als Etikett für immer dranhängt, oder ob man sehen und schmecken darf, was so ein Wein aus dem feinen Jahrgang 2015 heute kann. Da werde ich mir jetzt schnell noch bei Alpina ein Kistchen von besorgen. Die 18 Liter Melchior, derzeit bei den Ungers für wohlfeile € 745 im Angebot, ist mir allerdings etwas zu groß. Deutlich kräftiger war im Vergleich der immer noch sehr vitale 1992 Far Niente Estate Cabernet Sauvignon Napa Valley, den ich schon lange nicht mehr im Glas hatte. Zeigte sich noch erstaunlich schön und altersfrei, was sicher auch am guten Keller unseres Gastgebers lag – WT94

Gut gefiel mir auch der gereifte 1993 Shafer Hillside Select, sehr fein, elegant, mit dezent pflaumiger Frucht, würzig, jodig und etwas medizinal – WT94. Kam natürlich an die zufällig erst vor wenigen Tagen getrunkene, perfekte Magnum (WT96 – steht auf Instagram) nicht dran. Erstaunliche Kraft, Dichte und Länge zeigte mit schöner Balance der 1995 Valandraud, der aber auf hohem Niveau etwas die verschwenderische, opulente Fülle der früheren Jahre vermissen ließ – WT95.

Dicht, kräftig, voluminös mit süßen, dunklen Beeren, Eukalyptus und schwarzem Pfeffer zeigte sich der immer noch so lebhafte 1985 Penfolds Grange mit wohldosierter Opulenz – WT97. Doch der 1991 Opus One, der sich prächtig entwickelt hat, konnte da voll mit. Auch der war so dicht und kräftig, immer noch so frisch und minzig, dunkelbeerig, Leder, mit enormer Kraft und Länge, in der Aromatik mehr Mouton als Mondavi zeigend – WT97.

Als großer, kalifornischer Klassiker aus diesem Spitzenjahrgang zeigte sich im letzten Flight der 1994 Pahlmeyer Proprietary Red. Da war keinerlei Alter, immer noch superbe Frucht und eine großartige Struktur mit Kraft und Länge – WT96. Sehr fein, sehr elegant und sehr würzig mit enormem Tiefgang zeigte sich der 1989 Vega Sicilia Unico, der aber durch die Wucht des Pahlmeyers fast etwas erdrückt wurde. Er brauchte viel Luft zur Entfaltung. Das ist trotzdem, auch wenn er hier nicht richtig zur Geltung kam, ein großer Unico mit Langstreckenpotential, der ein enorme, gut verpackte Kraft zeigte und an die klassische Eisenfaust im Samthandschuh von Margaux erinnerte – WT 95.

Als Abschluss dieser tollen Probe kamen noch zu einem wiederum großartigen Dessert ein feiner Port, 1970 Taylor Vintage, und ein 1945 Port aus der Massandra Collection ins Glas. Aber da saß ich leider schon im Taxi zurück nach Düsseldorf.

Vielleicht noch ein paar nachdenkenswerte Worte zur Ausrichtung dieser Probe. Im Kölner Weinkreis, der sich sehr regelmäßig trifft, ist es bei den monatlichen Proben wohl üblich, dass jeder sein Menü selbst bezahlt und auch eigene Gläser mitbringt. Das senkt den Aufwand für den jeweiligen Gastgeber nicht unbeträchtlich und sorgt dafür, dass solche geselligen, schönen Proben im privaten Kreis häufiger stattfinden. Sicher eine schöne Alternative zu den immer mehr um sich greifenden, kommerziellen Proben.