Spontanprobe mit Turbolader

Es war der Tag nach unserer legendären Magnum Best Bottle. Drei unserer Weinfreunde aus der Schweiz waren noch hier und fragten, ob wir nicht noch ganz entspannt ein paar schöne Weine trinken könnten. Also trafen wir uns bei und mit unserem Freund Thomas Demske in feiner Runde in der D-Schänke. Was sich dann daraus entwickelte, war eine schlicht atemberaubende Spontanprobe mit Turbolader.

Los ging es mit einem immer noch so taufrischen 1988 Meursault Charmes Cuvée Bahèzre de Lanlay vom Hospice de Beaune. Aus der Vor-Premox Zeit zeigte dieser Wein eindrücklich, wie gut Weiße Burgunder damals altern und dabei deutlich zulegen konnten. Der hier war ein wirklich großer Meursault mit immer nach klarer, brillanter Farbe, sehr würzig mit guter Säure und feinem , nussigem Schmelz. Schlichtweg unfassbar, wie der sich im Glas mit Luft und Temperatur entwickelte und eine enorme Komplexität und Tiefgang zeigte und dabei sehr lang am Gaumen blieb. Sicher eine perfekt gelagerte Ausnahmeflasche, denn das waren ohne Wenn und Aber WT97. Die Lage selbst scheint auch sehr hochwertig zu sein. Ich habe vor etlichen Jahren 24(!) Magnums 2009 gekauft, ebenfalls vom Hospice de Beaune und abgefüllt von Lucien le Moine. Die Magnums erzielten in den letzten Proben Bewertungen von WT98.

In durchaus ähnlicher Stilistik kam danach ein 2014 Ridge Monte Bello Chardonnay ins Glas, den wir blind sofort ins Burgund schoben. Noch so frisch war der mit heller, klarer Farbe, die Nase floral und finessig mit feiner Frucht, Zitrus, grüner Apfel, Weißer Pfirsich, sehr würzig mit schöner Mineralität. Immer mehr kam dann dieser feine, nussige Schmelz im schönen, langen Abgang – WT95. Vor sieben Jahren hatte ich diesen 2014er zum ersten Mal. Da war er noch sehr von neuem Holz geprägt und zeigte sich jetzt eine Klasse besser. Also wie beim roten Monte Bello auch ein Wein, bei dem Lagerung lohnt.

Aus dem Keller eines viel zu früh von uns gegangen, guten Weinfreundes hatte sein Sohn zwei schöne Weine aus meinem Geburtsjahr mitgebracht, die dort wohl noch für damals geplante, gemeinsame Proben lagen. Das war schon ein sehr bewegender Moment. Der 1950 L´Evangile in einer französischen Händlerabfüllung von Ricard & Doutreloux hatte eine dichte, kräftige Farbe, aber auch einen rustikalen Charme mit deutlich metallischer Note. Er war alles andere als gebrechlich und zeigte gutes Standvermögen – WT90. Damals wurden diese Weine fassweise an Händler verkauft, wobei in der Nachkriegszeit wohl die besseren Fässer an solvente Käufer aus dem Ausland gingen. Ich habe diesen L´Evangile sowohl in deutschen R&U Abfüllungen als auch in einer belgischen Le Coq Abfüllung in den letzten Jahren in Perfektion getrunken. Sehr überzeugend war wieder der 1950 Angelus, der sich bei aller Kraft sehr elegant und eigentlich jünger zeigte und mit feiner Schokonote blind als gut gereifter Pomerol durchging – WT97. Das muss hier eine, auf dem Etikett nicht deutlich zu erkennende Chateauabfüllung gewesen sein. Ich habe den 1950 Angelus schon mehrfach in dieser Qualität getrunken.

Revanchieren konnten wir uns beim edlen Spender dieser beiden 50er mit einem 1984 Caymus aus Kalifornien. Der zeigte sich aus dieser wohl optimalen Flasche noch so lebendig und beinahe jugendlich frisch. Das war kalifornischer Cabernet pur mit Kraft und Struktur, sehr minzig die wunderbare Frucht mit viel Cassis und dunkler Kirsche, zeigte sehr gute Länge – WT95. Für den sonst eher schwierigen Jahrgang 1984 ist Kalifornien mein klarer Favorit. Allerdings muss man hier nicht nur ein gutes Händchen haben bei der Auswahl der Weine, sondern zusätzlich auch noch Glück bei der Lagerung. Diese Flasche hier war solch ein Glücksfall.

Was dann kam, passte irgendwie perfekt in diese Probe. Gefreut hatte ich mich auf diese gerade ersteigerte Flasche 1983 Clos de Tart von Mommessin. Und als ich sie aus dem am Vortag gelieferten Karton packte, dann das. Da schwamm der Korken selenruhig auf dem Wein. Die Kapsel hatte Gottseidank dichtgehalten und war trocken. Was tun? Ab in den Karton, zurück zu Koppe und reklamieren?

No risk - no fun. Die Farbe des Weins war trotz nicht prickelndem Füllstand voll intakt und sehr gut. Also schnell mit der Flasche ab zu Thomas Demske in die D-Schänke. Als der liebe Thomas diesen Wein aus seinem Geburtsjahr dekantiert präsentierte, war das ein glücklich machendes, kaum zu glauben Erlebnis. Das war mit dichter Farbe ein kompletter, großer, sehr feiner Burgunder in erster Reife, kraftvoll und dicht, aber auch sehr elegant mit betörender Frucht und feinem Schmelz, lang an Gaumen. So wie man das von einem Burgunder aus dieser Top Lage und gutem Jahrgang erwartet - WT95. Full risk - great fun.

Anschließen gab es ein atemberaubendes Feuerwerk von perfekt (an)gereiften Bordeaux Giganten. Einfach göttlich, Perfektion und Pomerol vom Allerfeinsten war dieser 1982 L´Evangile, der nach langer Entwicklung inzwischen zu meinen Lieblingsweinen gehört. Einfach hedonistisch schön war der und animierend mit süchtig machender Nase, am Gaumen trotz ebenfalls immer noch viel Kraft auch mit opulenter Fülle, verschwenderischem, süßem Schmelz und kräuteriger Würze. Sehr langer Abgang und sicher noch längere Zukunft – WT100. Grandios war auch der 1989 La Mission Haut Brion, wieder ein mineralisch-ätherischer Traum mit Cigarbox ohne Ende, so unglaublich druckvoll, aber auch elegant und finessig und mit gewaltigem Rückgrat. Hat jetzt nach längerer, verschlossener Phase wieder die Klasse der ungestümen Jugend erreicht und dürfte eine sehr lange, glorreiche Zukunft haben – WT100. Jammerschade war es am Vortag, als der eigentlich perfekte 1989 Clinet aus top gelagerter Magnum einen üblen Kork zeigte. Ich hatte deshalb aus meinem eine 1tel mitgebracht. Das war wieder wie zuletzt vor einem Jahr einer der besten Pomerols, die ich je im Glas hatte mit grandioser Frucht, hedonistischer Süße, dunkler Schokolade und schwarzen Trüffeln, dabei einfach super elegant und perfekt balanciert – WT100. Spannend hier auch der Vergleich mit 1990 Clinet. Der war kräftiger, dichter mit gewaltiger Struktur und wirkte jünger mit noch sehr viel Potential. Rückt dem 89er immer dichter auf die Fersen – WT97+.

Und es ging weiter, einfach der helle Wahnsinn. Brachte da doch einer unserer Schweizer Freunde den unsterblichen 1971 Barolo Monfortino Riserva Speciale von Giacomo Conterno ins Glas. Den durfte ich schon mehrfach genießen, aber noch nie in dieser unglaublichen Perfektion mit betörender Frucht, Rosenblättern, Unterholz und Trüffeln, mit enormer Spannung, Tiefgang und Eleganz – WT100.

Sehr gut spielte 1987 Dominus wieder seine Rolle als kraftvoller, großartiger Bordeaux mit Leder, Tabak und Cigarbox, sehr druckvoll mit beeindruckender Struktur, mit erster Süße und feinem Schmelz, aber alles andere als alt und immer noch mit Potential für lange Jahre - WT97. Etwas reifer, aber auch noch so schön mit toller Frucht, der inzwischen sehr feine, elegante 1987 Mondavi Cabernet Sauvignon Reserve – WT95.Bei dem gibt es Flaschenvariationen, wir hatten mal wieder großes Glück.

Halt, da war doch noch ein Wein, der auch unbedingt ins Glas wollte. 1978 war eigentlich der Jahrgang, mit dem das Revival von Bordeaux begann. Bei Lafite startete man schon etwas eher wieder durch. Nach dem überraschend gelungenen 1975er kam der 1976 Lafite Rothschild, den wir als Abschluss im Glas hatten Der zeigte sich aus einer gut gelagerten Flasche mit sehr gutem Füllstand und Farbe noch ausgesprochen vital. Mit feiner Frucht und geradezu burgundischer Eleganz, mit viel Schmelz und Tiefgang , mit Zedernholz, der typischen Bleistift Mineralität, mit der noblen, aristokratischen Struktur eines klassischen Lafite und beachtlicher Länge, war das ein wunderbarer Abschluss dieser Spontanprobe und eine schöne Überleitung zu süßen Träumen – WT96.

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