Vatertag vom Feinsten

Was für ein genialer Vatertag war das. Statt mit dem schwer mit Bier beladenen Bollerwagen durch die Lande zu ziehen, wie das die vielen Möchtegern-Väter tun, trafen wir uns in schöner Runde in Alt-Niederkassel. Wir hatten Mario Romano vom La Casetta überreden können, für uns zu öffnen und uns kulinarisch aufs Feinste zu verwöhnen. „Best Pasta ever“ tönte es da häufig am Tisch. Gut ausgerüstet waren wir dazu mit schönen Tropfen aus unseren Kellern.

Mit zwei schönen Aperos starteten wir. Immer noch recht jung mit deutlicher Fülle und Süße, aber nicht genügend Säure die 2012 Wehlener Sonnenuhr Auslese von JJ Prüm, die sicher noch eine gute Zukunft hat und zulegen dürfte – WT92+. Die 1983 Maximin Grünhäuser Abtsberg Auslese floss mit kräftigem Goldgelb ins Glas, mit Petrol-/Schiefernase, feiner Honigsüße, etwas Bienenwachs, immer noch mit guter Säure, so elegant und finessig, jünger wirkend – WT95.

Der liebe Oliver, unser Weltklassesommelier aus Leidenschaft, hatte nicht nur seinen Werkzeugkasten mitgebracht und sich perfekt um unsere Weine gekümmert. Er brachte auch aus seinem Geburtsjahr einen wunderbar gereiften 1962 Gruaud Larose mit. Das war ohne spürbare Tannine ein einfach wunderschön gereifter Bordeaux mit natürlich deutlichen Brauntönen in der Farbe, aber so elegant, weich und stimmig mit cremiger Textur, trank sich einfach sehr gut – WT94. Perfekt gereift zeigte sich auch der 1964 Barbaresco von Damilano, eines klassischen, in vierter Generation geführten Betriebes, der für sehr langlebige Weine bekannt ist. Reife Farbe, in der Nase alte Ledertasche, Minze, viele Kräuter und etwas Lakritz und Teer, am Gaumen gute Säure und Standvermögen, schöner Abgang – WT94. Erstaunlich stabil zeigte sich für das schwache Jahr noch mit reifer Farbe der 1973 Lafite Rothschild, elegant in klassischer Lafite Stilistik mit Bleistift Mineralität und prägnanter Säure – WT91.

Mario Romano fand an unseren Weinen sicher ähnlichen Gefallen wie wir an seiner Küche. Das gilt natürlich insbesondere für die 83er aus seinem Geburtsjahr. Der 1983 Chambertin Cuvée Heritiers Latour von Louis Latour war wohl nicht die beste Flasche. Die sehr helle, reife Farbe machte Sorge, aber der Wein erwies sich als immer noch stabil. Bei aller Reife war er sehr elegant, feingliedrig und weich mit feiner, generöser Süße und trank sich gut – WT93. Absolut grandios war wieder dieser schon so oft mit Begeisterung getrunkene 1983 Hermitage La Chapelle von Jaboulet Ainé. Der war immer noch so kräftig, kernig, dezent animalisch, würzig mit dunkler Frucht, Lakritz und dem großen Kräutergarten, dabei so balanciert mit burgundischen Konturen und feinem Schmelz. Mit seiner immer noch stabilen Tanninstruktur dürfte er über lange Jahre gut altern – WT97. 1983 La Lagune war aus der Magnum ein großer Wein in erster Reife, ein klassischer Bordeaux vom linken Ufer, kräftig, dicht und in Farbe und Anmutung jünger wirkend. Er zeigte sich so balanciert mit feiner rotbeeriger Frucht, Zedernholz, Tabak und Leder, dazu mit guter Tanninstruktur für längere Alterung. Ein sehr gelungener La Lagune, der sich hinter großen Namen nicht verstecken muss – WT95.

Sehr schön und druckvoll mit immer noch junger Frucht, feinem Schmelz und guter Struktur war der 1991 Chateau Corton André, einem Corton Grand Cru von Pierre André – WT94. Sehr überzeugend war auch der 1970 Rouget, ein sehr maskuliner, kräftiger, deutlich jünger wirkender Pomerol in bestem Trotanoy Stil. Der hat sich gegenüber meiner letzten Flasche 2014 dramatisch weiterentwickelt, wie übrigens viele der besseren 70er – WT95. Danach genossen wir als Highlight eine perfekt gereifte Flasche 1994 Guado al Tasso, die eindrucksvoll gut abgeschnitten hat. Es war so würzig mit feinen dunklen Früchten, mit vielen Kräutern, die einem das Gefühl gab, die toskanische Macchia zu riechen. Mit 30 Jahren war der noch so vital und lebendig, vollmundig mit guter Tanninstruktur für eine längere Zukunft. Es mag eine außergewöhnlich gut gelagerte Flasche gewesen sein, aber an unserem Tisch der erfahrenen Weinnüsse bekam sie eine unbestrittene WT97 Bewertung. Erstaunlich schön zeigte sich der 2003 Chateau Musar aus dem Libanon. Ich bin eigentlich eher ein Fan der gereiften, älteres Musars aus den 80rn und davor. Aber auch dieser ist ja mit 21 Jahren kein Youngster mehr und hat sich nach dem etwas holprigen Start der ersten Jahre prächtig entwickelt. Sehr würzig mit feiner Beerenfrucht und schmeichlerischer Fruchtsüße zeigte er sich weich, elegant und balanciert, durchaus noch mit Potential für etliche Jahre – WT94. Als echtes Prachtstück zeigte sich der 1999 Sassicaia, der von Mal zu Mal besser wird und immer mehr zulegt. Sassicaias kann man jung in der ersten Fruchtphase genießen, aber dann sind je nach Jahrgang 10 und deutlich mehr Jahre Geduld angesagt. Und dieser 99er hier zeigte deutlich, dass Warten lohnt. Der war noch so jung mit tiefer, dunkler Farbe. Wunderbare, frische und betörende, dunkle Kirschfrucht, Eleganz, Finesse und Kraft, dazu mit Tabak, Leder und Bleistift Mineralität, enorme Tiefe und Spannung, gepaart mit dieser einmaligen, noblen, aristokratischen Struktur. Klare WT97 waren da jetzt im Glas, und das muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Auf diesem, hohen Niveau zeigte sich auch der immer noch jugendlich frische 1999 Pavie aus einer gerade erst geöffneten, en primeur gekauften OHK. Wie dieser Gigant sich geradezu irre im Glas entwickelte, das war schon atemberaubend – WT97+. Da könnte über lange Jahre noch mehr kommen.

Inzwischen waren wir schon im Abend gelandet, und Mario servierte uns zu einem weiteren, genialen Pasta Gang den würzigen, fruchtigen 2019 Barolo Palas von Michelle Chiarlo, Chiarlos gelungenen, zugänglichen Barolo für jeden Tag – WT90. Danach kam als letzter Roter noch der 2004 Avan Cepas Centenarias von Juan Manuel Burgos ins Glas. Diese einstige Wuchtbrumme von über 100 Jahre alten, wurzelechten Reben zeigte sich immer noch sehr kräftig und dicht, aber offener, dabei immer noch jugendlich frisch, sehr druckvoll mit süßer Frucht und vielen Kräutern, mit enormem Potential für lange Jahre – WT96.

Als sehr hochkarätige Erfrischung und eher schon als ein Weckruf für alle Sinne kam dann noch eine 2011 Hermannshöhle GG von Dönnhoff ins Glas, wieder immer noch so jung, aber mit unerhörter Brillianz, messerscharfer Präzision und "liquid rock" Mineralität in totaler Harmonie - WT97. Aber das war es noch nicht. Michael und Tanja hatten dann als Abschluss-Knaller noch einen 1983 Chateau D´Yquem herbeigezaubert. Der erinnerte an diesen sprachlos machenden Goldregen, mit dem immer das große japanische Feuerwerk endet, ein grandioser Yquem auf dem (noch langen) Weg zur Legende, der mit seiner fantastischen Aromatik alle Sinne betörte. Ein riesengroßer Yquem, gemacht für die Ewigkeit, sehr druckvoll mit Kraft, Süße, Fülle, Komplexität und Länge, dazu Crème Brulée und Orangen-Bittermarmelade – WT97+.

Warum ist Vatertag eigentlich nur einmal im Jahr?