Mein "not so dry" January

„Dry“ January?

Der „Dry January“ ist sicherlich eine ähnlich gute Idee wie die Christliche Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern. Beide gemeinsam ist, dass sie auf verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol aufmerksam machen und Körper und Leber eine Pause gönnen. Und warum mache ich keinen Dry January? Weil ich ein anderes, vor längere Zeit von einem Arzt (und Weintrinker) empfohlenes Rezept umsetze. Er empfahl den kompletten Verzicht auf gebrannten Alkohol (Setze ich komplett bis auf das gelegentliche Glas Portwein konsequent um) und zweimal 36 Stunden alkoholfrei pro Woche, was auf ungefähr 100 alkoholfreie Tage pro Jahr hinausläuft. Und über diese 100 Tage (im letzten Jahr waren es bei mir sogar 130) führen meine Freunde und ich Buch. Wein ist für uns kein Besäufnis und keine tägliche Notwendigkeit, sondern sehr bewusster Hochgenuss und Vergnügen. Und so habe ich auch im Januar, der bei mir nicht komplett „dry“ ist, schon etliche Alkoholpausen hinter mir, aber auch ein paar schöne Verkostungen, die ich gerne jetzt auf der Wineterminator Website mit Euch teile. In diesem Sinne wünsche ich Euch nur das Allerbeste für 2025 und ein wunderbares, bewusstes Weinjahr.

RIP Franz Josef

Spontan trafen wir uns an diesem Sonntag im Landhaus Mönchenwerth zu einem feinen Weinlunch. Und da uns am Vortag die schreckliche Nachricht vom unerwarteten, plötzlichen Tod unseres Freundes Franz Josef Schorn getroffen hatte, war klar, dass ein Wein aus seinem Geburtsjahr dabei sein musste.

Wir starteten mit einem 2016 Erdener Prälat Riesling Reserve von Dr. Loosen. Das war ein großartiger, immer noch so junger Riesling, sehr mineralisch mit puristisch schöner Frucht, mit toller Statur und Struktur, einmalig balanciert mit druckvoller Aromatik, gewaltiger Länge und großer, langer Zukunft – WT97. Wieder voll auf der Spur war der in seiner Jugend so großartige, aber lange etwas verschlossene 1995 Mouton Rothschild. Jetzt überzeugte er wieder mit saftiger Cassis Frucht, Minze, einem Hauch Eukalyptus, sogar Röstnoten, cremiger Textur und der klassischen Bleistift Mineralität. Die immer noch kräftigen Tannione blieben im Hintergrund. Das war die zugänglichste Flasche dieses Weines, der noch eine großartige, sehr lange Zukunft hat, seit langer Zeit – WT96. Klar wurde am Tisch diskutiert, ob der 1996 Mouton Rothschild aus diesem tanninreicheren Jahr nicht der größere Wein ist. Für mich war auch das ein genialer, großartiger Mouton, sehr straff und druckvoll mit großartiger Struktur, aber auch deutlich spürbareren Tanninen. Ein Mouton mit Mega-Potential, der langfristig sicher dem 95er überlegen ist – WT95+.

Und dann stießen wir mit diesem genialen 1951 Vina Real Reserva Especial aus der Halben auf Franz Josef Schorn an. Vor dreißig Jahren hatte ich in einem Weinantiquariat die erste halbe Flasche aus diesem so schwierigen Weinjahr erworben und sofort spontan mit Franz Josef getrunken. Die war wie Franz Josef selbst, einfach das pralle Leben, dabei altersfrei und sehr würzig – WT97. In der Folge bin ich auf die Suche gegangen und habe noch etliche Flaschen erwerben können, die wir dann häufiger zu jeder sich bietenden Gelegenheit genossen. Auf die heutige Gelegenheit hätte ich gerne verzichtet, denn Franz Josef hinterlässt eine riesengroße, schmerzliche Lücke. Und der 1951 Vina Real? War so zeitlos und großartig wie vor 30 Jahren, wieder auf WT97 Niveau. Danach tranken wir noch einen 1954 Vina Real Reserva Especial aus der Halben. Der war dichter und kräftiger, hatte aber nicht diese Finesse des 71ers, trotzdem so beeindruckend mit noch viel Potential – WT95. Ältere Weine von CVNE sind einfach eine Bank.

Und natürlich wurden auch wieder Weine mit Nachbartischen getauscht. Sehr beeindruckend ein 1964 Haut Brion, den ich noch nie auch nur annähernd so gut im Glas hatte. Perfekt gereift, aber keineswegs alt mit feiner, rotbeeriger Frucht, Kräutern, Minze, Cigarbox, Tabak und Teer, finessig mit feinem Schmelz, nur im Abgang etwas kurz – WT94. Sehr reif schon aus dieser Flasche der La Mission Haut Brion in einer Vandermeulen Abfüllung, den ich deutlich besser kenne – WT94. Und dann war da noch ein Schluck 1990 Pichon Baron, kräftig, dicht, aber auch zugänglich. Da müsste aber noch mehr kommen, vielleicht nicht lange genug dekantiert – WT96+. Da setzte der der 1999 Pavie mit einem freudigen Lächeln in unseren Gesichtern noch richtig eins drauf. Wie dieser immer noch jugendlich frische Gigant sich geradezu irre im Glas entwickelte, das war schon atemberaubend. Will der dem eigenen 2000er ans Leder? – WT97+.

Beim Holger

Aus Holger Berens Geburtstag hatten wir zwei 64er Baroli mitgebracht. Noch so frisch mit hoher Säure und delikater, rotbeeriger Frucht war der 1964 Barolo von Voerzio, dabei recht schlank – WT93. Kerniger, kräftiger, rustikaler und authentischer war der 1964 Barolo Riserva von Rinaldi – WT94. Wie schön, dass es Weine gibt, die ein zweites oder sogar drittes Leben haben. Ich habe diesen 1990 Canon-la-Gaffelière in seiner Jugend geliebt, aber vor 10 Jahren in 2015 schien er sehr reif und am Ende seines Lebenszyklus. Gut, dass ich noch ein paar Flaschen aufgehoben und im Keller vergessen habe. Jetzt aus einer dieser Flaschen war er so dicht und kräftig mit tiefer Farbe, absolut altersfrei. Er verwöhnte uns mit reifer Brombeere, Cassis, vielen Kräutern, Trüffel und einem Schuss Espresso mit feinem Schmelz im langen Angang. Da waren ohne weiteres WT95 fällig. Ich liebe diese Kellerüberraschungen, mit denen Geduld belohnt wird. Eines meiner Lieblingsjahre in Burgund ist der zu Anfang völlig übersehene Jahrgang 1991. Diese Weine haben sich prächtig entwickeln und zeigen jetzt nach über 30 Jahren Reife großes Burgunder Kino, so auch dieser 1991 Echezeaux von Charles de Vallière. Der war sehr kräftig, dicht und würzig, dabei auch sehr elegant und voller Finesse. Zeigte keinerlei Alter und dürfte sich über lange Jahre weiterentwickeln – WT95+. Und dann kam dieser 1996 Harlan Estate ins Glas. Das war wie zuletzt im Frühjahr natürlich mit dieser unbändigen Kraft und Dichte ein Kulturschock. Kalifornien trifft Premier Grand Cru aus Bordeaux. Superdicht mit puristisch schöner, süßer, dunkelbeeriger Frucht, mit Präzision, Länge und Komplexität, einfach perfekt – WT100. Ich weiß, dass Harlan viel dirkutiert wird. Wobei ich manchmal das Gefühl habe, er wird am meisten diskutiert und auch kritisiert von denen, die keinen haben. Und ich habe auch Verständnis für die, denen diese kalifornische Ikone „just too much“ ist. Und ich habe auch völliges Verständnis für die, denen die Stilrichtung dieses hoch eleganten 1995 Haut Brion lieber ist. Aber die Qualität dieses gewaltigen Harlans bleibt eigentlich unstrittig, auch wenn Wein eine Geschmackssache ist, und über Geschmack lässt sich natürlich streiten. Zurück zu diesem Haut Brion, der jetzt in erster Reife sowohl diese wunderbare 95er Frucht aus roten und dunklen Beeren zeigt, als auch die Struktur eines großen Haut Brion mit der klassischen, rauchigen Cigarbox Aromatik und mentholige Frische. Mit sehr viel Tiefgang, der gewaltigen Statur und einem intakten Gerüst kräftiger, aber reifer Tannine dürfte sich dieser Haut Brion noch über lange Jahre weiterentwickeln – WT96+. Da ist keine Eile, sondern eher noch cleverer Zukauf angesagt.

In der D-Schänke

In kleinem Kreis trafen wir uns zum Abschlusstraining am Abend vor meiner großen Raritätenprobe in der D-Schänke in Niederkassel bei unserem Freund Thomas. Spannend gleich zu Anfang der Vergleich von 1989 Domaine de Chevalier Blanc und Rouge. Sehr spannend, immer noch taufrisch und animierend zeigte sich der 1989 Domaine de Chevalier Blanc. Floral die Nase mit Grapefruit, Zitronengrass und Mandeln, sehr mineralisch mit guter Säure, hat sich noch gute Zukunft und könnte weiter zulegen – WT93+. Schöne Frucht, Rote Johannisbeere und bemerkenswerte Frischer zeigte auch der 1989 Domaine de Chevalier Rouge mit guter Säure. Ein sehr stimmiger Wein, leicht rauchig mit teeriger Mineralität und der klassischen Pessac Cigarbox Aromatik. Dürfte ebenfalls noch eine gute Zukunft haben und wie viele der besseren 89er aus Bordeaux noch zulegen – WT94+. Ein Gedicht war wieder eine meiner letzten Flaschen des 1998 Trilogia aus Griechenland von meinem leider kürzlich verstorbenen Freund Christos Kokkalis. Der war immer noch so frisch mit tiefer, dichter Farbe und traumhafter Frucht mit dezenter Exotik. Opulenz und hedonistische Süße war perfekt gepaart mit der Struktur eines großen Cabernets. Voll da mit schöner Fülle dürfte sicher noch eine gute Zukunft haben – WT96. Sehr kräftig, druckvoll und sehr würzig präsentierte sich der 1994 Artadi Grandes Anadas aus einem Tempranillo Weinberg mit inzwischen wohl 100 Jahre alten Reben. Bei aller Kraft und Fülle zeigte er sich auch elegant mit geradezu betörender Finesse und Leichtigkeit. Mich würde nicht wundern, wenn dieser große Wein mal das faszinierende Alter der spanischen Raritäten erreichen sollte, die wir am nächsten Tag in meiner großen Raritätenprobe verkosteten – WT97. Überraschend schön zeigte sich der 1978 Gazin aus Pomerol, bei dem nur das leicht zerflederte Etikett von Alter zeugte. Das war einfach Pomerol pur mit traumhaft schmelziger Nase und pflaumiger Frucht, was sich am Gaumen fortsetzte, dazu schokoladige Fülle und schöne Länge – WT95. Es macht immer Spaß, wenn man von einem solchen Wein eigentlich eher skeptisch weniger erwartet und dann so schön überrascht wird. Umso mehr freut mich das, wo doch in meinem Keller noch eine Imperiale dieses Weines wartet. Die etwas modernere Variante eines schokoladigen, fülligen und üppigen Pomerols bekamen wir dann mit 2000 La Fleur Petrus ins Glas – WT95. Der zu Anfang etwas enttäuschende Fleur Petrus hat inzwischen gut zugelegt und an Komplexität gewonnen. Geduldige mit gutem Keller können sich da sicher noch auf die ein oder andere Überraschung freuen. Und das Beste kam zum Schluss. Dieser in seiner Jugend so atemberaubende 2000 Pavie war etliche Jahre leicht verschlossen, ist jetzt aber wieder voll auf der Spur. Ein einfach nur geiles Geschoss mit traumhafter Frucht, mit Kraft, Dichte und Fülle, mit explosiver Aromatik und irrer Länge – WT100. Eine moderne Pavie Legende, die mich an den außerirdischen 1929 Pavie erinnerte der 1999 aus der Magnum unsere Augen für das irre Potential des Pavie Terroirs öffnete. Schön, dass dieses Potential seit 1998 unter der Regie der Familie Perse wieder ausgeschöpft wird.

Burgundy and Friends with Friends

Gespannt war ich an diesem Nachmittag auf die 2023 Hermannshöhle GG von Dönnhoff. Ich bewundere(?) immer die Frühverkoster dieses Weines, denn die Hermannshöhle braucht in der Regel bis zum Ende des Folgejahres, bis sie sich einigermaßen typisch zeigt. Erstaunlich zugänglich und bereits gut trinkbar zeigte sie sich jetzt im Januar 2025, brillant, rassig, präzise und mineralisch mit sehr guter, aber reifer Säure, wird sicher noch zulegen – WT96+. Bestechend schön war immer noch der Chardonnay Nuits-Blanches „Why Not“ von Au Bon Climat, reif, aber nicht alt, exotische Früchte, reife Banane, gebuttertes Popcorn, sehr cremig, dicht und füllig, würzig, karamellig mit enormer Kraft und Länge – WT96. Klar, mit 14,5% Alkohol war das Kkein Kind von Traurigkeit, von der Fülle und Üppigkeit her so eine Art kalifornischer Batard Montrachet. Aber mit seinen schlankeren, präzisen, weniger alkoholischen Chardonnays konnte Jim Clendenen bei Parker nie landen. Als kreierte er 1997 diese Wuchtbrumme mit dem Zusatz „Why?“. Und mit dem 98er folgte jetzt dieser „Why Not“. Untypische Weine für Au Bon Climat eigentlich, aber Jim Clendenen, der eine andere Stilrichtung bevorzugte, zeigte damit, dass er, wenn gewünscht, auch diese alles andere als unattraktiven Wuchtbrummen kann. Weiter ging es mit einem 1993 Clos de Vougeot von Meo-Camuzet. Das war wieder gut (an)gereifter Burgunder vom Feinsten. Herrliche, präzise Frucht, reife Kirsche und Himbeere, perfekte Balance von Eleganz und Kraft, cremige Textur mit erstem, feinem Schmelz, sehr gute Struktur mit Tiefgang und Länge, mit soviel Spannung und Energie, sicher noch mit sehr langer Zukunft – WT96. Prächtig entwickelt zeigte sich der 1991 Nuits-Saint-Georges Les Vaucrains1er Cru von Robert Chevillon, der deutlich das Potential des zu Anfang so unterschätzten Jahrgangs zeigte. Wunderbare Kirschfrucht, Kraft, Jugend, druckvolle Aromatik, entwickelte sich toll im Glas und zeigte immer mehr Länge, aber da kommt noch mehr – WT94+. Sehr schöner Abschluss unserer kleinen Verkostung war ein perfekt gereifter, aber keineswegs alter 1978 Chateauneuf-du-Pape Les Cedres von Jaboulet-Ainé, der die Klasse dieses Weingutes auch an der südlichen Rhone zeigte. Feine Frucht, Erdbeere, getrocknete Kräuter, sehr würzig, dezente Süße, bei aller Intensität so elegant und balanciert – WT94.