Grosse Gewächse aus 2012 im Wine Live
So langsam trudeln sie überall ein, die Großen Gewächse aus 2012. Anfang September gab es ja die umfassende Probe, wo man spuckender Weise mit mehreren hundert dieser Weine das Durchhaltevermögen des eigenen Gaumens testen konnte. Die Ergebnisse sind ja mit teils gravierenden Unterschieden in den unterschiedlichsten Gazetten publiziert worden. Ich habe mir das erspart. Pure Arbeit ist eine solche Probe. Und da ich ja kein bezahlter Verkostungsknecht bin, sondern quasi ehrenamtlich schreibe, kann ich mir das auch leisten. Spucken ist eh nicht meine Welt, und wie jemand mehr als drei Dutzend Weine in kurzer Zeit an seinen Gaumen lassen kann, ohne dass irgendwann alles gleich schmeckt, bleibt mir eh ein Rätsel.
Überschaubar war das Angebot bei der Probe im Wine Live. Wir hatten allen Platz und alle Zeit dieser Erde, konnten beliebig nachverkosten und wurden aus der drastisch aufgewerteten Küche des Wine Live auch kulinarisch bestens versorgt. Und wir hatten jede Menge Spaß. Klar waren eigentlich alle Weine zu jung. 2012 ist ein großer Jahrgang für deutsche Weine, aber eher in der Tradition von 2004 und 2008 mit hoher Säure. Da ist Warten angesagt. Was heute schroff und anweisend wirkt, kann – entsprechende Substanz vorausgesetzt – in 5 Jahren oder sogar später durchaus richtig punkten. Aber mehr als eine Momentaufnahme, unterfüttert durch Erfahrung und gemischt mit etwas Kaffeesatzleserei ist auch bei den Profis in diesem frühen Stadium nicht drin.
Wie in einer Arbeitsprobe kam ich mir bei den ersten Weinen trotzdem vor. Schlank mit rassiger Säure, aber auch etwas mager mit wenig Substanz wirkte die 2012 Brauneberger Juffer Sonnenuhr GG von Fritz Haag – WT89. So sehr ich die restsüßen Weine dieses Hauses mag, den trockenen konnte ich noch nie etwas abgewinnen. Etwas mehr Kraft und Fülle hatte 2012 Niederberg Helden GG von Schloß Lieser, wirkte aber auch recht rustikal – WT89. Ist um Lichtjahre von dem weg, was von Lieser 2011 als Brauneberger Juffer Sonnenuhr GG gefüllt wurde. Bonbonhaft die Nase des 2012 Saarburger Rausch GG von Geltz Zilliken, am Gaumen furztrocken mit guter Mineralität und Länge, aber alles andere als aufregend – WT89. Gut gefiel mir 2012 Röttgen GG von Heymann Löwenstein, der für das Gut erstaunlich trocken und säurebetont ohne Boytritis war. Massiver, hefiger Spontistinker, brauchte viel Zeit und Luft und baute enorm im Glas aus. Ein Wein mit enormer Substanz – WT92.
Schlank, rassig, mineralisch mit reifen Zitrusfrüchten, viel Substanz und Kraft 2012 Felsenberg GG von Dönnhoff, im jetzigen Stadium deutlich offener als die zwei Wochen vorher getrunkene Hermannshöhle – WT93. Eine ganze Klasse drunter im direkten Vergleich 2012 Hermannsberg GG von Gut Hermannsberg, das im direkten Vergleich eher weichgespült wirkte. Kein GG, sondern eher ein NG (nettes Gewächs) – WT91. Nochmal zur Hermannshöhle GG von Dönnhoff. Die läßt momentan überhaupt nichts raus und gehört dringend weggelegt. Bei der ersten Begegnung Anfang Oktober war sie schlank, rassig mit deutlicher Säure, floral die Nase mit weißen Blüten und viel Waldmeister, sehr mineralisch mit toller Struktur, aber eben auch noch in embryonalem Zustand - WT91+. Bei der zweiten Begegnung Anfang November hatten wir undekantiert und frisch aus der Flasche das Gefühl, einen jungen Sauvignon Blanc vor uns zu haben. Unbedingt länger weglegen.
Richtig Freude kam dann auf mit den in 2012 wieder ausnehmend gut gelungenen Weinen von Emrich-Schönleber. Das 2012 Frühlingsplätzchen GG war typisch fruchtbetont und wirkte trotz seiner Jugend und der deutlichen Säure animierend und einfach fröhlich – WT94. 2012 Halenberg GG war das mineralischere Gegenstück dazu, enorm tiefgründig und komplex, erst ganz am Anfang, aber schon mit größtem Vergnügen antrinkbar – WT95. Wer so etwas spucken muss ist wirklich zu bedauern. Am nächsten Tag hatte ich vor einer anderen Probe noch die Chance, von der Nahe zwei Weine von Schäfer-Fröhlich zu probieren. 2012 Kupfergrube GG wirkte sehr schlank, filigran mit feiner Frucht und hoher Mineralität, etwas kurz im Abgang, entwickelte sich im Glas - WT92+. 2012 Felseneck GG lag deutlich darüber, die reifere Frucht, mehr aromatischer Druck. Ein intensives, zu Anfang sehr verschlossen wirkendes Konzentrat, das mit genügend Zeit und Luft im Glas förmlich explodiert, gewaltige Länge, ein großer, sehr spannender Wein, der erst in einigen Jahren richtig zeigt, was er drauf hat und noch deutlich zulegen kann - WT95+.
Ungeheuer viel Holz hat das 2012 Ungeheuer GG aus dem Hause von Winning gesehen und war dadurch schwierig zu verkosten. Hat durch das Holz viel von der Primärfrucht verloren und wirkte etwas plump, trotz mit der Zeit aufkommender, floraler Noten. Massive Säure, enorme Kraft, im jetzigen Stadium eher Wachau als Pfalz – WT92. Der extrem junge, dichte 2012 Idig GG von Christmann ist für mich ein Remake des sich derzeit hervorragend trinkenden 2004ers. Hat enormes Potential, entwickelt mit viel Zeit (hatten wir) und Luft diese traumhafte, typische Idig-Nase und war schon sehr gut antrinkbar – WT95.
Sehr fein, elegant, aber auch etwas zurückhaltend trotz deutlichen Extraktes und enormer Kraft am Gaumen das 2012 Kirchspiel GG von Keller. Wird sicher noch zulegen, braucht aber lange – WT93. Eine traumhaft verspielte Nase hatte das 2012 Kirchspiel GG aus der großartigen Kollektion von Wittmann,floral mit weißen Blüten und auch Früchten. Erinnerte stark an das großartige 2012 Brunnenhäuschen GG, mit dem uns Sebastian Bordthäuser vor ein paar Wochen bei Steinheuer in Bad Neuenahr verwöhnt hatte. Sehr animierend, etwas schlanker als das Kirchspiel von Keller, aber heute und zumindest in den nächsten Jahren sicher der schönere Wein – WT94.
Eine sehr gute Kollektion hat in 2012 auch Van Volxem zustande gebracht. Wenn sie an diesem Abend nicht so richtig sangen, lag das möglicherweise an der von uns gewählten Reihenfolge, aber auch an der harten Konkurrenz. Das 2012 Gottesfuß GG wirkte für Van Volxem erstaunlich trocken (was für die gesamte Palette gilt, und den Weinen gut steht) mit hoher Mineralität und rassiger Säure, aber irgendwo wirkte dieser Wein auf hohem Niveau auch etwas harmlos – WT91. Deutlich spannender, tiefgründiger, mineralischer und komplexer 2012 Altenberg Alte Reben GG – WT93. Solo getrunken brillierte der Altenberg vor ein paar Tagen im Saittavine, ebenso wie der saftige Volz.
Den Abschluss unserer Verkostung bildeten zwei Weine vom Mosel Weingut Carl Loewen, das zwar große Gewächse prozuziert, aber als nicht-VDP-Mitglied eben keine GGs. Der 2012 Ritsch (großes Gewächs) ist ein hoch spannender, absolut stimmiger Moselriesling mit betörender Frucht und großartiger Schiefer-Mineralität, lang und kraftvoll am Gaumen - WT94. Bei einer Spezialabfüllung des 2012 Maximin Herrenberg, für deren nur 1200 Flaschen eine alte Korbpresse in Betrieb genommen worden war, lag wohl unsere Erwartungshaltung zu hoch. Der Wein war dichter, komplexer und zeigte mehr Fülle als der Ritsch, wirkte aber durch die 14g Restzucker erstaunlich reif und etwas diffus. Spontan fühlte ich mich an große Weine von Zind Humbrecht erinnert, mit denen man mich in ihrer Jugend auch jagen kann. Dieser Wein hier dürfte in 10 Jahren mal ein absoluter Knaller werden. Ich habe mir nicht nehmen lassen, 1% der Ernte (12 Flaschen) zu erwerben.
Ich werde in den nächsten Wochen und Monaten bei jeder sich bietenden Gelegenheit weitere 2012er GGs probieren und meine subjektiven Eindrücke hier und in den Facebook-Posts wiedergeben.
Und noch ein Tipp für alle, die diese Weine jetzt schon genießen wollen, oder schlichtweg müssen, weil sonst nichts auf der Weinkarte des Restaurants steht. Rechtzeitiges Dekantieren und ein großes Bordeaux-Glas wirken Wunder. Gute Sommeliers bieten das ohnehin an, bei den anderen einfach weghören und drauf bestehen.