April 2020

Der 1000 Eier Brunch

Eigentlich war das für Ostern geplant gewesen, dieser 1000 Eier Brunch. Aber eine Woche später machte das im kleinen Familienkreise auch noch Spaß. Eine Kaviar Dose wollte vor Ablaufdatum vernichtet werden. Dazu gab es von den fleißigen Damen reichlich Beilagen, Salate und eine wunderbare Käseplatte. So konnte der Brunch sich nahtlos in ein Linner (LunchDinner) wandeln. Göttlicher Start ein 1996 Bollinger Grande Année aus der Magnum. Das war einfach die Pracht und die Herrlichkeit. Kräftige, goldene Farbe und mit sehr gutem Mousseux, enormer Tiefgang und Länge, dazu eine cremige Textur, großer Champagner für Rotweintrinker – WT97. Ebenfalls aus der Magnum folgte danach ein bestechendes 2009 Felseneck GG von Schäfer-Fröhlich in erster Reife, aber noch so unglaublich frisch mit saftiger Frucht, reichlich Steinobst, intensiver Mineralität und großartiger Struktur. Sollte sich über lange Zeit weiter entwickeln – WT96. Prächtige, burgundische Fülle, aber auch Präzision, viel Spannung und Mineralität zeigte der 2015 Chardonnay Unique von Donatsch – WT95. Sehr gut entwickelt zeigte sich der 2006 Chablis Premier Cru Montée de Tonnerre von Raveneau mit viel Präzision, guter Säure, Zitrusfrucht und viel Feuerstein – WT95. Ein geiles, immer noch so jung wirkendes Geschoss war der 1984 Dunn Howell Mountain. So zupackend und kernig mit kühler, rot und dunkelbeeriger Frucht, würzig und pfeffrig mit Zedernholz, Leder, Tabak, so druckvoll mit viel Spannung und gewaltiger Länge, dürfte noch eine lange Zukunft haben – WT97+. Zeit wurde es langsam bei diesem 1975 Heitz Fay Vineyard, der sich schon recht reif zeigte. Wirkte wie eine sehr feine, elegante, aber femininere Version des Martha´s mit Minze, Eukalyptus und Sattelleder – WT95. Und dann kam mein Lieblings-Latour zum jetzt trinken, dieser sehr fruchtige, geradezu saftige, großartige, (an)gereifte 1983 Latour mit sehr guter Struktur, viel Walnuss, kraftvoll im Abgang, zum jetzt und in den nächsten 20-30 Jahren genießen – WT96. Und wie immer forderte die Gier noch einen allerletzten, großen Tropfen. Ich entschied mich für 1982 Trotanoy, der sich im großen Jahrgang 82 inzwischen prächtig entwickelt hat, und hinter keinem anderen Wein mehr verstecken muss. Das war wieder schlichtweg perfekt, ein Wahnsinnswein mit unendlichem Schmelz, bei dem einfach alles stimmte, wie ein perfekter Hybrid aus Lafleur und Petrus mit der Kraft und kräuterigen Dichte von Lafleur und dem opulenten süßen Schmelz eines Petrus - WT100.

Freitag mal anders

Thank God it’s Friday. Leider nicht, wie sonst immer, in einem unserer Lieblingslokale. Das hat uns und unseren Gastrofreuden fürs erste die Corona Paranoia versaut. Um so dankbarer sind wir für die vielen Gastronomen, die nicht aufgeben, sondern sich mit kreativem To Go halbwegs über Wasser halten. Heute war es das Gasthaus Stappen, das uns mit einem mehrgängigen, absolut köstlichen Menü verwöhnt hat. Dazu haben wir im engen Familienkreis auf der frühsommerlichen Terrasse den (noch) gut gefüllten Weinkeller geplündert.

Der berühmte Rote Hang in Nierstein ist wieder in aller Munde, und für Spitzenlagen wie Hipping werden teils absurde Preise gezahlt. Wir haben heute einen Klassiker genossen, den immer noch so jugendlich frischen 2004 Hipping von St. Antony, mit rassiger Säure und mineralischer Präzision - WT96. Etwas mehr gelbfruchtige Fülle und Schmelz zeigte der ebenfalls noch so frische 2004 Orbel von St. Antony - WT94. Ob Dirk Würtz dieses Gut wieder zur damaligen Klasse führt? Keine Frage ist das bei Theresa Breuer, deren Weine Kultstatus haben. Dieser grandiose 1994 Nonnenberg mit seiner immer noch unglaublichen Frische, seinem großartigen Extrakt und seiner fantastischen Statur ist mit lausigen 11,5% Alkohol ein zeitloses Riesling Monument - WT97. Spannend und auf seine Art einzigartig der 1969 Wallufer Walkenberg Riesling Fass 6944 von J.B. Becker der mit tiefgüldener Farbe harmonisch trocken mit guter Säure wie ein Appenzeller Alpenbitter aus dem Rheingau wirkte - WT94. Damals, als ich Ende der 80er die kalifornischen Weine für mich entdeckte, gehörte Jordan zu den Top Weingütern. Wie schön, dass der 1985 Jordan Cabernet Sauvignon aus dem Alexander Valley heute immer noch voll da war. Mit wunderbarer Kirschfrucht und feiner Minze könnte dieser elegante, balancierte Old School Kalifornier auch aus St. Julien stammen - WT94.

Riesling Weinreise von Morstein zu Morstein

Mit richtigen Reisen ist nichts in dieser Zeit, in der uns die Regierung auf zukünftige Käfighaltung vorbereitet. Da findet alles nur noch virtuell statt. Also haben wir tief im Keller gegraben, und dann eine virtuelle Rieslingreise gemacht, aber mit echten Weinen.

Startpunkt war der wunderbare 2015 Morstein Alte Rebenvon Seehof, der jetzt in allererster Reife sehr viel Spaß macht. Viel frische, charmante Trinkfreude mit sehr gutem Preis-/Leistungsverhältnis – WT93. Es lohnt sich, dieses Weingut von Julia Kellers Bruder Florian Fauth im Auge zu behalten. Von dort ging es weiter zu den Kellers, die im nicht ganz unproblematischen Jahrgang 2018 schlichtweg atemberaubend gute Weine auf die Flasche gebracht haben. Dieser 2018 Hubacker GG zeigte sich so präzise, schlank und von betörender Eleganz. Der einstige Barockengel zeigte sich nach einer Diät als Supermodell – WT97. Wie geht so etwas? Man muss es können und es sich auch leisten können. Die Kellers haben auf Laubarbeit weitgehend verzichtet, wodurch die Trauben nicht der prallen Sonne ausgesetzt waren. Und wenn man dann noch weitgehend Rückseitige Trauben für das Große Gewächs verwendet, dann kommt so ein großartiger Wein dabei heraus. Jetzt muss man sich den selbst nicht nur leisten können, sondern auch noch das Glück haben, den auch zu bekommen. Eine meiner leider nur ganz wenigen Flaschen habe ich jetzt probiert, der Rest kommt für lange Zeit weg. 30 Jahre sollte dieser Hubacker locker schaffen. Grandios auch das puristisch schöne, schlanke, sehr druckvolle 2018 Felseneck GG von Schäfer-Fröhlich – WT96+.. Der war nicht ganz einfach zu verkosten, denn diese hefige Spontinote ist nicht „jederfraus“ Sache. So bekam ich in unserer kleinen Runde halt mehr ab. Ansonsten ein paar Jahre, am besten 10, warten, dann wird das ein Knaller, so wie die göttliche Magnum des 2009ers am letzten Wochenende. Überraschen gut in der Riege der deutschen Riesling Granden konnte da wieder der 2017 Potter Valley Riesling von Chateau Montelena mithalten. Furztrocken mit glockenklarer Frucht überzeugte dieser sehr rare Wein aus einer kühlen Nordlage mit Präzision, einer steinigen Mineralität und sehr guter Struktur – WT96. Gut, dass ich davon noch habe, denn aus 2018 wird es diesen spannenden, eigenständigen Riesling wegen der damaligen Feuer nicht geben. Und dann wurde es älter, und zwei großartige Rieslinge zeigten uns, dass 15 Jahre und mehr für solche Weine eine einfache Spielerei sind. Das war schon beeindruckend, mit welcher Frische dieser altersfreie, kraftvolle, edel-rustikale 2004 Idig GG von Christmann da ins Glas kam – WT96. Gut gelagerte Rieslinge aus dem kühlen, zu Anfang verkannten Jahrgang 2004 sind jede Suche wert. Große Überraschung auch das sehr komplexe, würzige, mineralische 2003 Ungeheuer GC von Bürklin-Wolf, dem man das eher schwierige, weil zu warme Jahr 2003 in keinster Weise anmerkte. Da stimmten Frische, präzise Frucht und gute Säure. Gut, die Flasche lag seit ewiger Zeit iin meinem Eiskeller. Aber mit diesem genialen Auftritt hatte ich nicht gerechnet, einfach Klasse – WT97. Da half jetzt nur noch ein denkwürdiger Schlusspunkt. 2011 GMax und 2013 Morstein von Keller standen zur Auswahl. Ich habe zum Morstein gegriffen. Der war noch blutjung, zeige aber in unglaublichen Form ,dass uns allen die Spucke wegblieb, die Rasse und Klasse des Jahrgangs und das meisterliche Händchen von Klaus Peter Keller. Das war ganz nah dran an der Perfektion. Und warum dann nur WT99 und nicht gleich 100? Weil der sicher noch 20 Jahre vor sich hat und gewaltiges Potential besitzt. Diese jugendliche Unbekümmertheit eines Rassehengstes lässt sich sicher nicht mehr steigern. Aber da gibt es ja noch Komplexität und Tiefgang (hatte er beides reichlich), die noch stärker in den Vordergrund treten könnten.

Ich freue mich schon auf unsere nächste Weinreise.

Krisengeburtstag

Ganz anders dieser 71. Geburtstag eines guten Freundes. Nicht die große, feucht-fröhliche Runde der Vorjahre mit Großflasche a go go, keine Geburtstagküsschen, keine Umarmungen. Aber schöne, sogar sehr schöne Weine gab es trotzdem für das kleine Häuflein Aufrechter, dass sich mit viel Abstand an der langen Tafel verteilte. Auch ich war eigentlich nur zum kurzen, schnellen Gratulieren gekommen. Klar, mit einem schönen Wein anstoßen, das musste auch sein. Aber es gibt ja die Tendenz zum zweit, dritt, undsoweiter Glas. Da ging das halt alles seinen wunderbaren Lauf.

Gelungener Start aus der Magnum die 2010 Hermannshöhle GG von Dönnhoff. Und wenn ich jetzt hier etwas meckere, dann auf hohem Niveau. Das war ein sehr feiner, stimmiger Wein, jugendlich mit guter Säure, zugänglich mit schöner Frucht und cremiger Textur, aber die Dramatik und Rasse der besseren 10er fehlte mir. Aber diese Hermannshöhle aus dem kühleren Jahr dürfte demnächst wieder die Klasse erreichen, die sie vor ein paar Jahren noch hatte – WT95+. Großer Pauillac danach aus der Magnum die 1996 Pichon Comtesse de Lalande mit ihrem unverkennbaren Charme. Aus dieser Magnum hier schon gut trinkbar, diese Comtesse aus der Lafite-Klasse – WT96. Viel zu jung danach eine absolut authentische Magnum, die Laufe der Jahrzehnte irgendwann ihr Etikett verloren hatte. Aber sollte man deshalb diesen Giganten nicht trinken? Ein blutjunges Wahnsinnsgeschoss, dieser 1982 Mouton Rothschild, der aus dieser auch ohne Label perfekten Magnum ein mehrstündiges Vollbad verdient gehabt hätte. So entwickelten sich die Aromen über längere Zeit Stück für Stück. Das wohl perfekte Ende bekam ich nicht mit. Da war ich schon weg.

Und dann ging es weiter über den großen Teich nach Kalifornien. Mir schon fast zu heftig war der opulente, hedonistische 2010 Harlan. Für mich war Harlan in den 90ern so eine Art Quadratur des Kreises, ein junger, reifer Latour. Inzwischen ist Harlan voll in Kalifornien angekommen. Big is beautiful scheint die Devise zu sein, denn von Latour hatte dieses Monster mit seiner dichten, dunklen Frucht nichts mehr. Aber wer weiß, vielleicht wirken da 10 weitere Jahre Keller ein Wunder – WT96+. Korkig war leider der 2009 Dominus, aber der zeigte trotz Kork eine tolle, stramme Textur. Und dann gab es noch 1992 Dominus in einer Topform, wie ich ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte. Ein traumhaft balancierter, perfekt gereifter Pauillac aus Kalifornien, minzig, ledrig, mit wunderbarer, süßer, aber nicht überladener, kalifornischer Frucht und großartiger Struktur. Da waren dann WT100 fällig.