April 2021

Dem Syrah hatten wir diese kleine, spannende Probe gewidmet. Perfekter, sehr spannender Einstieg dieser 1993 Orion Old Vines von Sean Thackrey aus Kalifornien. Dieser wilde, charakterstarke, immer noch etwas ungestüme Wein stammt von einem 1905 hauptsächlich mit Syrah bepflanzten, verwilderten Rebberg, dem Rossi Vineyard in der Nähe von St. Helena im Napa Valley. Präzise, frische und kühle dunkle und rotbeerige Frucht, sehr würzig, schwarzer Pfeffer, frische Kräuter und das, was man am Mittelmeer Garrigue nennt. Diese, meine letzte Flasche hat sich hervorragend entwickelt und hat locker noch 20 Jahre vor sich. So schreibt es sehr treffend auch der Winzer auf dem Etikett: „It will age better than most of us, or can be drunk with pleasure now, depending on your affection for your heirs“. – WT96. Ich wünschte, ich hätte noch mehr davon.

Und ungewöhnlich ging es weiter. Verwittertes, lausiges Etikett, aber großartiger Inhalt einer perfekt gelagerten Flasche mit high fill. Ich hatte diesen 1974 Hunter Valley Dry Red von Tyrrell´s als Überraschung mitgebracht, weil die charmante Gattin unseres Gastgebers aus 1974 stammte. Ein schwieriges Weinjahr war das in Europa, aber ein Traumjahr in Kalifornien. Und obwohl der Decanter den Jahrgang 1974 für australischen Rotwein als katastrophal bezeichnete, gab es dort Ausnahmen . Dieser Shiraz hier „from Hermitage grapes grown on volcanic soil“ war einzigartig. Tiefe, altersfreie Farbe, sehr würzig, pfeffrig mit generöser, samtiger Fülle, so elegant mit burgundischen Konturen, aber auch mit viel Bumms dahinter, war ein Wein zum Verlieben – WT97. Auf dem Etikett stand „will improvewith a further 2-3 years of bottle age“. Warum so bescheiden. Dieser 47jährige Tyrell´s könnte in perfekten Flaschen wie dieser auch noch seinen 60. Geburtstag erleben.

Der zweite Jahrgang von Guigals drittem Lala war dieser 1986 La Turque. Nach dem großartigen 100 Punkte 1985er galt 1986 als schwächerer Jahrgang mit schnell alternden Weinen. Damit hätte das jetzt trotz perfekter Lagerung eine Risikoflasche sein müssen. Aber manchmal ist es ganz gut, wenn ein Wein im Keller in Vergessenheit gerät. Dieser La Turque hat sich entgegen allen Voraussagen prächtig entwickelt. Er zeigte noch eine geradezu unglaubliche Frische, und eine kräftige, altersfreie Farbe. Mit feiner, süßer, dunkler Frucht war dieser Wein so würzig und pfeffrig, mit getrockneten Kräutern und Frühstücksspeck füllig und einfach super-sexy. Dürfte noch eine gute Zukunft haben – WT96. Es lohnt halt, einen guten, kalten Keller zu haben.

Blutjung ist er noch, dieser 2015 Porseleinberg Syrah aus Südafrika, ein Wein mit gewaltigem Potential. Ich habe ihn 2017 auf dem Gut mit dem Winzer, Callie Louw, als Faßprobe probieren dürfen. Damals konnte ich auch diese einmalige Heidelberger Druckmaschine aus 1933 bewundern, mit denen Callie die Etiketten dieses Weines einzeln von Hand druckt. Puristisch schöne Frucht von dunklen und roten Beeren, sehr elegant und fein, pfeffrige Würze, etwas Lakritz, bleibt dabei aber bei aller Nachhaltigkeit so elegant und stimmig, fast filigran, aber mit toller Länge. Wird sich über lange Jahre entwickeln und zulegen – WT94+.

Als Abschluss kam dann noch ein trotz 30 Jahren jugendlich frischer 1991 Penfolds Grange ins Glas. Tiefdunkle Farbe ohne jedes Alter, kühle, süße Frucht, wie ein Eisbonbon von der Schwarzen Johannisbeere, ätherische Noten, Eukalyptus, einfach hedonistisch schön mit feinem Schmelz, aber auch gewaltiger Struktur und genügend Substanz für lange Jahre. Ein sehr stimmiger, großartiger Grange, der durchaus noch zulegen könnte – WT96.

Kleine, feine Samstagsprobe, begleitet vom legendären Meuser Pfannkuchen mit frischem Spargel. Wir starteten mit einem 2014 Pouilly Fuissé Vieilles Vignes Les Deux Roches von Colloray et Terrier. Der war noch frisch mit guter Frucht und fruchtiger Fülle, mit cremiger Textur und feiner Mineralität – WT90. Und danach gleich eines der vielen Highlights der Probe.

Als Rotwein starteten wir mit einem sehr überzeugenden 1970 La Lagune. Kräftig, robust, maskulin mit altersfreier, brillianter, tiefer Farbe zeigte dieser La Lagune präzise Schwarze Johannisbeere, Leder und gute Mineralität. Dabei war er sehr dicht mit großartiger Länge – WT95. La Lagune ist ein klassischer Old School Cabernet, ein Wein, der hervorragend altern kann, aber auch muss um alles zu zeigen. Meine ältesten La Lagunes waren aus 1923 und 1926, beide immer noch voll intakt. La Lagune ist einer der unterbewertetsten Weine des Bordelais und bietet ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis. Wenn ich gut gelagerte, ältere La Lagunes auf Auktionen finde, schlage ich gerne zu.

Als danach der 1994 Penfolds Cabernet Sauvignon Bin 707 ins Glas kam, konnten wir kaum glauben, was wir da vor uns hatten. Die Farbe dieses Weines aus perfekter Lagerung war so jung und dicht, zeigte sogar noch Purpur. Explosiv die Aromatik mit viel Cassis, Minze und Eukalyptus. Erinnerte mich an die besten Flaschen Caymus Special Selection aus den 90ern, unglaublich gut – WT97. In solchen Momenten merkt man, wieviel Sinn es macht, einen Teil des eigentlich für Wein vorgesehenen Geldes in gute Lagerung zu stecken, am besten in den Bau eines guten Weinkellers.

Wie so viele Weine dieses Jahrgangs blüht der 1989 Gazin aus Pomerol jetzt wieder auf. In seiner Jugend wurde er unterschätzt (ich habe ihn sehr geliebt und gekauft), dann verschloss er sich auch noch für längere Jahre. Jetzt feierte er in unseren Gläsern ein grandioses Revival. Immer noch frisch und jugendlich wirkend mitreifer, dunkler Frucht, viel Minze und dunkler Schokolade war das eine geniale, flüssige Version von After Eight. Sehr elegant und balanciert hat dieser Wein sicher noch 10+ Jahre vor sich, in denen er vielleicht sogar noch zulegen könnte – WT95. Angesichts meist ziemlich mieser Bewertungen (außer hier) könnte das ein interessantes Auktionsschnäppchen sein.

2002 Palmer ist einer der großen Erfolge dieses sonst nicht hoch angesehenen Jahrgangs. Auf Sylt habe ich mich vor einigen Jahren in diesen Wein verliebt und mit Genuss auf der Terrasse des Hotel Rungholt in Kampen deren Bestände geleert. Jetzt hier zeigte er sich immer noch jung und druckvoll mit der typischen, anmutigen Eleganz. In allererster Reife machte er so harmonisch und balanciert seinem Namen als burgundischer Wein alle Ehre – WT95. Auch dieser Palmer hat sicher noch eine Dekade vor sich.

Schlichtweg atemberaubend war danach der 1982 Lynch Bages aus einer nie bewegten OHK. Das war altersfreier, kompletter, gut gereifter Bordeaux in Vollendung. Feinste, rotbeerige Frucht, Eleganz pur, soviel Tiefgang, Spannung und Länge, dazu generöse Fülle und wohl dosierte Opulenz, ein Wein der sprachlos und glücklich zugleich machte. Noch mindestens 10+ Jahre hat dieser unsterbliche 1982 Lynch Bages vor sich, der sich dabei weiter in Richtung Perfektion entwickeln könnte – WT97+.

Grandioser Abschluss dieses denkwürdigen Abends ein 1998 Vieux Certan, der endlich zeigte, was er drauf hat. Auch den mochte ich in seiner frühen Phase sehr. Ein von massiven Tanninen geprägter, konzentrierter Blockbuster war das in den Arrivageproben mit genug Potential, an die legendären Vieux Certans aus 1945, 1947, 1948, 1949, 1950, 1952, 1953 und 1955 anzuknüpfen. Klar waren da sofort zwei OHKs fällig, wohl wissend, dass jetzt mindesten 20 Jahre geduldigen Wartens angesagt waren. Jetzt aus dieser Flasche hier war das immer noch ein gewaltiger Kraftprotz, der aber inzwischen eine geradezu explosive Aromatik zeigte. Dichte Kirschfrucht, feine Kräuter, sehr dunkle Schokolade, altes Leder und gute Mineralität wurden eingerahmt von sehr guter Struktur und immer noch massiven, aber gut integrierten Tanninen, die diesen Wein durch mehrere Dekaden tragen werden. Die Glücklichen und Geduldigen unter uns werden diesen Wein irgendwann nach 10+ Jahren in Perfektion erleben. Aus dieser Flasche hier (2 Stunden dekantiert, ich glaube nicht an das fruchtraubende Überdekantieren) waren wir nicht soweit davon entfernt. Der Vieux Certan entwickelte sich mit der Zeit fabelhaft im Glas – WT98+. Dazu gönnten wir uns passend zur legendären rosa Kapsel dieses Weines Edith Piaf mit La Vie En Rose.