August 2019

Thank God it’s Friday im Saittavini

Herrlicher Freitagnachmittag bei und mit Michelangelo Saitta im Saittavini. Zu authentischer, italienischer Küche verwöhnen wir unsere Seelen mit drei großen Weinen aus der einmaligen 1000+ Karte. Traumhaft balanciert, elegant, floral und mineralisch der 2015 Chateauneuf-du-Pape Blanc Magis von Rotem & Mounir Saouma, bleibt bei aller Fülle und spürbarem, aber gut eingebundenen Holz sehr elegant und stimmig – WT95. Unter dem Namen Lucien le Moine bauen die beiden seit längeren Jahren engagiert und erfolgreich Burgunder aus, die sie Faßweise bei Winzern kaufen. In Chateauneuf haben sie jetzt eigenen Besitz. Modern, gefällig und etwas süß wirkte danach der 2015 Gaja&Rey Langhe Chardonnay, der die mineralische Präzision früherer Jahrgänge vermissen ließ und eher wie eine amerikanische Exportabfüllung wirkte – WT92. Es mag auch dem heißen Jahrgang geschuldet sein, denn ^der im letzten Jahr verkostete 2016 (WT95) gefiel mir deutlich besser. Als wunderbarer, druckvoller, sehr würziger Gaumenschmeichler zeigte sich der 2015 Redigaffi von Tua Rita, der mich mitten im Hochsommer unwillkürlich an Weihnachten denken ließ. Da war in dieser sehr offenen Fruchtphase neben Mokka so viel Zimt und Weihnachtsgewürz. Gewann mit der Zeit im Glas wieder mehr Struktur und dürfte sich über längere Zeit weiterentwickeln und zulegen. Die WT96+ sind noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Kein Wunder, dass der Thomas aus der Schweiz für italienisches Viva la Vita zielgerichtet nach Norden fährt. Das Saittavini ist einfach einmalig.

Dumm gelaufen

Verabredet waren wir für diesen Abend mit und bei einem Weinhändler. Spannende Weine hatten wir ausgesucht und freuten uns auf den Abend. Doch eine gute Stunde, bevor es losgehen sollte, wurden wir wieder ausgeladen. Unser Beinahe Gastgeber hatte für den Abend noch eine andere Veranstaltung mit älteren Rechten angenommen. Aber wir bekamen dann noch ganz kurfristig Asyl im Berens am Kai, wo zu guten Weinen dann auch noch erlesene Küche kam. Danke, liebe Barbara und Holger, dass ihr den Abend noch gerettet habt.

Mit einer Hochrisikoflasche stiegen wir ein. Als ich den 1955 Meursault von Bichot vor ein paar Tagen hinlegen wollte, tröpfelte es nicht nur aus der Flasche, es lief, bei eigentlich noch sehr gutem Füllstand. Gülden war die Farbe, oxidativ die Nase, der Gaumen besser mit guter Säure, immer noch einigermaßen gut trinkbar – WT86. Chenin Blanc aus Kalifornien? Oh ja. Der 1978 Stone Creek Chenin Blanc brachte echtes Loire-Feeling ins Glas. Kräftiges Goldgelb, immer noch so frisch, cremige Textur, reife Aprikose, immer noch spürbare, aber gut integrierte Restsüße bei 10,5% Alkohol – WT91. Leicht krautig die Nase des 1978 Round Hill Chardonnay, der aber am Gaumen eine schöne Fülle zeigte und gut trinkbar war – WT90.

Einfach traumhaft schön und zeitlos elegant der sehr feine 1985 Le Montrachet von Gagnard-Delagrange mit floralen Noten, weißem Pfirsich und feiner Mineralität. Kein Blockbuster, einfach Finesse pur mit enormem Tiefgang, legte im Glas immer mehr zu und dürfte in dieser Form noch eine lange Zukunft haben – WT96.

Große Überraschung dann auch der immer noch so quicklebendige, frische 1976 Nuits St. Georges von Remoissenet, einem der damals großen, klassischen Häuser in Burgung. Alles andere als einfach war dieser einfache Nuits mit betörender Frucht, feiner Würze, guter Mineralität und sehr guter Struktur, der deutlich jünger wirkte – WT94.

Alt und etwas runzelig war beim 1975 Lafite Rothschild nur das Etikett. In absolut bestechender Form war dieser Lafite mit altersfreier, dichter, brillianter Farbe. Enorm kraftvoll mit wunderbarer Frucht, präziser Struktur, nobler Eleganz, Zedernholz, Bleistift-Mineralität und sehr guter Länge, einfach so, wie man sich einen perfekt (an)gereiften, großen Lafite vorstellt – WT96. Meine bisher beste Flasche dieses Weines, die deutlich zeigt, dass die Suche nach gut gelagerten Weinen auch vom linken Ufer in 1975 noch lohnt.

Mit schöner Cassisfrucht, minziger Fülle und feinem Schmelz im langen Abgang überzeugte der großartige 1977 Beringer Cabernet Sauvignon Private Reserve, der ebenfalls noch kein Alter zeigte – WT95.

Soweit die vielen Überraschungen dieses Abends. Blieb noch ein mögliches Wunder. René Gabriel hatte vor wenigen Tagen auf seiner Bordeauxpabstseite die Suche nach 2000 l`Hermitage empfohlen mit den Worten „Dieses Weingut gibt es heute nicht mehr. François Gaboriaud hat seinen Anteil an Canon verkauft. Die Parzelle liegt grad neben Angélus und schmeckt auch (fast) genau so. 19/20“ Da bin ich natürlich sofort auf die Suche gegangen und hab eine sehr gut gelagerte Flasche gefunden. Und um jetzt nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, musste dieser Wein natürlich gegen den Angelus dieses Jahrgangs antreten. Grinsen am Tisch, als die beiden Karaffen blind hingestellt wurden. Klar konnte nur der 2000 Angelus dieses tiefdunkle, tintige Geschoss sein, dass gleich mit dem ersten Schluck den Gaumen mit Beschlag belegte. Was für ein genialer, dichter, komplexer, großer Wein mit Pracht und Fülle, so super-sexy mit konzentrierte, dekadenter Frucht, mit etwas Minze, Perigord Trüffel, dunkler Schokolade und intensiver Mineralität, locker WT98 mit sicher 20-30 Jahren Zukunft. Nein, da konnte der feine, gefällige, elegante 2000 l´Hermitage nicht mit – WT90, was dann in der 20er Skala etwa 17/20 sein müssten. Aber dafür kostet er auch nur ein Zehntel des Angelus.

Für uns war damit dieser Abend dann doch nicht dumm gelaufen, sondern eher wie der Angelus, einfach prächtig.

Auf der Terrasse der Casa Mattoni

Und dann war da noch diese feine Best Bottle auf der Terrasse der Casa Mattoni in kleiner Runde. Ich gehe persönlich immer mehr von den großen Proben weg, bei denen man nur einen Minischluck ins Glas bekommt. Viel mehr Spaß macht es, wenn man einen großen Wein mehrfach nachverkosten kann. So wie das an diesem Abend dann gleich mit dem sehr raren 1997 Point Rouge Chardonnay von Peter Michael möglich war. Erstaunlich, wie gut der sich aus diesem reifen, üppigen Kalifornien-Jahr gehalten hat. Reif, aber sehr kräftig und komplex mit eormem Tiefgang und intensiver Mineralität, sehr burgundisch in der Anmutung und eine Art kalifornischer Montrachet – WT96. Auch der 2002 Quarry Chardonnay von Aubert zeigte immer noch Frische und einen faszinierenden Spagat zwischen mineralischer, burgundischer Finesse und buttriger, amerikanischer Opulenz – WT94.

Reif war der 1974 Beaulieu Cabernet Sauvignon Private Reserve George de Latour, aber mit betörender Eleganz, süßer Kirschfrucht, viel Minze und etwas Eukalptus, wirkte geradezu burgundisch mit feinem, süßem Schmelz – WT94. Einfach atemberaubend der schlichtweg geniale 1988 Penfolds Grange, der sich hier immer noch blutjung von seiner allerbesten Seite zeigte. Fantastische, puristisch schöne, rotbeerige Frucht, unbändige Kraft, geniale Struktur und fantastische Länge, hatte ich schon oft, aber noch nie so gut im Glas. Scheint ein echter Spätstarter zu sein, dieser 88er. Bei Parker (zuletzt 2002 verkostet) steht übrigens 91/100 und „old“. Bei mir gibt es klare WT98 für den Wein des Abends.

Mit feinem, burgundischen Schmelz verwöhnte uns danach der immer noch sehr junge, elegante 2014 Gantenbein Pinot Noir, der noch eine enorme Zukunft haben dürfte – WT95. Uwe hatte ihn zur Tarnung in eine Rieslingflasche umgefüllt, aber er war zumindest für mich nicht schwer zu erkennen, war er doch formidabler Schlusspunkt unserer Schweiz-Probe zwei Tage vorher gewesen.

Und dann gab es die italienischen Lafite-Zwillinge, zweimal Sassicaia. Sehr gut entwickelt zeigte sich der 1990 Sassicaia, der nie zu den großen Sassicaia-Jahrgängen zählte und in seiner Jugend meist enttäuschte. Aber jetzt konnte der 90er mit Charme, Grazie und sehr guter, Pauillac-ähnlicher Struktur und Mineralität punkten – WT94. Einfach von allem mehr hat der immer noch so jugendliche, kraftvolle 1988 Sassicaia, der dem legendären 85er auf den Fersen ist – WT97.

Auf Augenhöhe mit dem 88er Sassicaia danach aus perfekter Flasche der überraschend geniale 1988 Ornellaia, der mit kraftvollem Auftritt überhaupt kein Alter zeigte. Sehr minzig, sogar mit einem Hauch Eukalyptus, dunkle Frucht, Bitterschokolade, wohldosierte Fülle, noch genügend Rückgrat für viele Jahre – WT97. Würde ich in der Form gerne noch mal für die damaligen, schlappen € 20(!!!) nachkaufen.

Taufrisch danach dieser betörende 1999 Taittinger Comtes de Champagne, der über die Jahre immer weiter zugelegt hat und sich jetzt als hedonistischer Champagnertraum zeigte mit feiner Zitrusfrucht, Eleganz, cremiger Textur und flüssigem Brioche – WT95.

Ein paar feine Prümchen gab es danach zu später Stunde noch von Uwe, aber da war ich schon auf dem Weg ins Reich der Träume.

Der 37. Hochzeitstag

Ein Traumnachmittag war das bei und mit Michelangelo Saitta auf der Terrasse des Saittavini. Wir hatten etwas zu feiern, und das haben wir ausgiebig getan. Auf 37 glückliche Ehejahre haben wir mit großen Weinen aus unserem Hochzeitjahr angestoßen. Los ging es mit dem göttlichen 1982 Krug, diesem kräftigen, sehr komplexen Traum-Champagner, für mich so eine Art perfekt gereifter Montrachet von DRC mit bubbles - WT99. Weiter ging es mit der wunderbaren 1982 Pichon Comtesse de Lalande mit ihrem traumhaften Schmelz. Braucht gut eine Stunde im Dekanter, bis sich die große Pralinenpackung öffnete - WT99. Dieser Wein begleitet seit Mitte der 80er meine Zeit als Weinliebhaber. Und warum nicht WT100? Weil anschließend der schlichtweg perfekte 1982 Mouton Rothschild kam, dieser legitime Nachfolger des legendären 1945ers - WT100. Von alten Zeiten erzählte danach der 1988 Sori Tildin von Gaja, der sich im Glas aber noch mal aufbäumte - WT94. Und neugierig haben wir dann auch noch den gerade eingetroffenen, viel zu jungen 2016 Sassicaia probiert, auf den sich nach den 100 Parkerpunkten die Spekulanten dieser Erde gestürzt haben. Ein großer Wein zweifelsohne, aber für mich weder ein WT100 Kandidat noch vergleichbar mit 1985. Eher auf Augenhöhe mit 2015, nicht so offen und fruchtbetont, dafür mit mehr Struktur und Tiefgang - WT97+. In 20 Jahren wissen wir mehr.

Herrlich ein älteres Ehepaar, das unsere Flaschenparade sah und sagte: „Das macht Ihr richtig. Besser man hat Neider als Bemitleider“.

Bei Pius im Manne Pahl

Grandioser Abend mit Freunden bei und mit Pius Regli im Manne Pahl auf Sylt, wo wir mit wunderbarer Küche zu großen Weinen verwöhnt wurden. Gelungener Einstieg mit einem 2011 Corton Charlemagne von Rapet. Der wirkte zu Anfang schon ziemlich reif mit schöner Fülle und Feuerstein-Mineralität, baute mit Luft im Glas aber aus und entwickelte feinen Schmelz – WT92. Großartiges Doppel der altersfreie 1955 l‘Eglise Clinet in einer französischen Nony Abfüllung und der enorm druckvolle 2001 l‘Eglise Clinet. Der 55er reif, aber nicht alt mit süßer, pflaumiger Frucht und generöser Fülle. Dürfte sich auf diesem Niveau noch länger halten – WT95. Der 2001er ebenfalls mit pflaumiger Frucht, getrüffelter Bitterschokolade, Lakritz und genialer Struktur wirkte wie eine jüngere Version des 55ers und hat genügend Rückgrat für eine lange Zukunft – WT96. Große Überraschung der lange unterschätzte 1986 Latour, der sich langsam aus seinem Tanningerüst schält und (zu Recht) demnächst bei den Großen des Jahrgangs mitspielen möchte. Zeigt immer mehr Frucht, wird langsam zugänglicher mit viel Kraft und Druck, da passiert in den nächsten 30 Jahren noch eine Meng – WT94+. Perfektion der seidig elegante, einfach komplette 1990 Margaux, die enorme Kraft gut verpackt, feine Süße, einfach wieder die legendäre Eisenfaust im Samthandschuh – WT100.