Dezember 2019

Boxenstopp in Bad Ragaz

Advent, Advent ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei dann vier - dann steht der Wineterminator vor der Tür, natürlich vor der Tür des Rössli in Bad Ragaz.

Mit dabei 6 sorgfältig ausgewählte, reife Burgunder für den traditionellen Boxenstopp auf dem Wege ins Engadin. Gestartet sind wir mit zwei prächtigen, sehr burgundischen Gantenbein Chardonnays . Etwas offener der 2011 Chardonnay. Mit Präzision, Fülle, Mineralität und Würze war das ein echtes Prachtstück - WT95. Blutjung und sehr rassig der konzentrierte 2013 Gantenbein, ein Meisterstück, das damals durch Verrieselung in der Blüte mit 80% Ernteverlust aus einzeln gelesenen Trauben entstand, ein genialer Wein mit Mörderpotential - WT97+.

Atemberaubende Höhen, aber auch Untiefen bei den reifen Burgundern. Mit absoluter Weltklasse ging es los. Dieser perfekte 1929 Pommard von Violland war der Inbegriff eines großen, gereiften Burgunders. Noch so unglaublich vital stand der wie eine Eins im Glas, filigran und mit spielerischer Eleganz, aber auch druckvoll mit toller Länge. So unglaublich stimmig mit immer noch feiner Frucht, guter Struktur und Säure, mit Kaffee, Weihnachtsgewürzen und feinstem Schmelz. Zeigte sich auch nach Stunden noch unverändert im Glas, einfach einmalig - WT100. Dafür fiel leider beim 1937 Vosne Romanée von Grivelet der völlig durchnässte Korken schon bei der kleinsten Berührung in die oxidierte Suppe. Und auch beim sehr streng und leicht korkig wirkenden 1947 Volnay Clos des Chènes von Jacques Bouchard überzeugte nur die tiefe Farbe. Beide Weine übrigens erst kürzlich bei einem deutschen Auktionshaus ersteigert. Sowohl Farbe als auch Zustand stimmten bei beiden, im Katalog vorbildlich beschriebenen Flaschen. Aber ein Restrisiko bleibt natürlich immer.

Frisch mit traumhafter Frucht erinnerte der beeindruckende 1954 Nuits St. Georges von Doudet-Naudin fast an einen großen Syrah oder Grenache aus den Neunzigern - WT95. Ich konnte von diesem großartigen Wein aus schwachem Jahr, der einfach nicht altern will, Mitte der 90ern eine Partie kaufen und war seitdem stets von diesem Wein beindruckt. Die beiden letzten Flaschen hebe ich bis 2024 auf, wenn in meinem Umfels ein 70. gefeiert wird. Absolute Weltklasse dann wieder der 1955 Clos de Tart von Vandermeulen, der sich in absoluter Bestform zeigte, klare WT100. Sehr schöner Abschluss unserer kleinen Probe der ebenfalls noch so frische, zeitlos schöne 1959 Pommard Rugiens von Henri Ganoux, filigran und hoch elegant mit sehr feiner, rotbeeriger Frucht, feinem, süßem Schmelz und guter Säure - WT96.

Bei reifen Burgundern gehört neben großer Sorgfalt einfach auch Mut zum Risiko dazu. Dann lassen sich auch jenseits von DRC&Co fantastische Entdeckungen machen.

Ich freue mich schon auf den nächsten Boxenstopp bei Doris und Ueli Kellenberger in diesem gastlichen Haus mit seiner großartigen Küche.