November 2023
Das pralle Leben
Das war schon genial, was da an diesem Abend mehr oder weniger ungeplant in der Düsseldorfer D-Schänke in unsere Gläser kam. Damit, dass so ein eigentlich kleiner Wein wie dieser 1950 Hanteillan aus Medoc im zarten Alter von 73 Jahren noch so viel Leben und Frische zeigen würde, hatte niemand gerechnet. Den verdankten wir dem spontan angereisten Uwe Bende, der zufrieden die Räumlichkeiten der D-Schänke für mögliche, zukünftige Proben inspizierte. Der Hanteillan hatte eine helle, aber voll intakte Farbe ohne Brauntöne, wirkte mit feiner, rotbeeriger Frucht deutlich jünger und entwickelte sich gut im Glas – WT90.
Danach kam ein prächtiger, leicht kerniger 1949 Volnay von Bichot. Der verwöhnte, nachdem erster Kellermuff in der Nase rasch verflogen war, mit feiner Süße – WT94. Weiter ging es mit einem kleinen 71er Feuerwerk von drei Weinen, denen man ebenso wenig wie unserem lieben Freund René das Alter von immerhin 52 Jahren anmerkte. Der 1971 Gruaud Larose in einer perfekten, englischen Berry Brothers Abfüllung wurde mit seiner dichten, altersfreien Farbe, seiner enormen Kraft, seiner druckvollen Aromatik mit Zedernholz, Leder und Tabak blind in die 90er gesteckt. Einfach ein großer Gruaud mit toller Struktur und guter Säure, den ich noch nie auch nur annähernd so gut im Glas hatte – WT96. Das galt auch für den großartigen 1971 Barolo Gia Opera Pia Riserva von Marchesi di Barolo, der nichts von der oft kratzbürstigen, säurebetonten Art älterer Barolos hatte. Der stand wie eine Eins im Glas und machte dem großartigen 71er Barolo Jahrgang alle Ehre – WT96. Und ein 1971 Volnay Clos de la Barre von Moillard zeigte eindrücklich mit Pracht und Fülle, mit Kraft, Süße, feinem Schmelz und toller Länge, dass dieser grandiose Burgunderjahrgang sich zu ähnlicher, fast unsterblicher Klasse wie 1959 entwickelt – WT96.
Schlichtweg atemberaubend die letzten drei Weine. Sowohl 1988 als auch 2002 Mouton Rothschild in ihrer jugendlichen Dichte und Dramatik waren sehr nahe der Perfektion und straften Jahrgangstabellen Lügen. Der 1988 Mouton Rothschild zeigte sich wieder als die Kraft und die Herrlichkeit mit der typischen Mouton Aromatik. Mit seiner großartigen Struktur und seinem stabilen Tanningerüst war er enorm druckvoll und wird er sich noch länger weiterentwickeln. Hinter den Legenden aus 1982 und 1986 muss sich dieser Wein nicht verstecken – WT97+. Das galt auch für den 2002 Mouton Rothschild, ein dichter Powerwein mit verschwenderischer Röstaromatik , mit einem kräftigen Gerüst reifer Tannine ein flüssiger Traum, der sich über etliche Dekaden weiterentwickeln und entfalten wird. Immer noch zu halbwegs vernünftigen Konditionen zu finden definitiv ein 2000er Mouton für Schlaue – WT97+. Und „Tante Martha“, dieser vibrierende Minze und Eukalyptus Cocktail 2005 Heitz Martha‘s Vineyard zeigte, dass Heitz mit diesem wohl besten Jahrgang seit der Neuanpflanzung wieder die Klasse der Legenden aus den 70ern erreicht – WT97.
Kann man solche Weine in einer bummsvollen Dorfschänke genießen? Aber ja doch. Wir hatten das pralle Leben in den Gläsern und drumherum. Mehr geht nicht.