Oktober 2019

In Reha am Tegernsee

Ich hab mich nicht um diese neue Hüfte gerissen. Aber irgendwann in diesem Sommer ging nichts mehr. Und als mir dann der Arzt meines Vertrauens das was er auf der MRT sah, mit den Worten schilderte „nicht etwa, dass da kein Profil mehr auf dem Reifen wäre, da ist einfach kein Reifen mehr“, war klar, es musste sein. Als anschließende Reha legte er mir die Klinik im Alpenpark in Bad Wiessee ans Herz. 650km weit in die Reha? Ja, das war jeden Kilometer wert. Ein vorbildlich geführtes Haus in bester Lage mit sehr guter Therapie, einem hoch motivierten, sehr freundlichen Team und außergewöhnlich guter Küche. All das in Verbindung mit diesem fantastischen Alpenklima in 800m Höhe war eine traumhafte Kombi. Und trotzdem gab es da natürlich unerfüllte Sehnsüchte. Die ***Überfahrt lag fast nebenan, war aber als Krückenhumpler mit 20kg Teilbelastung im Traininganzug nicht sinnvoll, zumal mehrstündiges Sitzen für ein langes Gourmet Menü einfach nicht machbar war. Und auf den prächtigen Wallberg, den ich von meinem kleinen Balkon immer bewunderte, konnte ich natürlich auch nicht.

Aber dann kam für die letzten Tage die Familie an den Tegernsee und führte mich noch in ein paar Lokalitäten die ich sehr empfehlen kann.

Soweit die Stöcke tragen ist keine Neuverfilmung von „Soweit die Füße tragen“, sondern einfach ein spontaner, erster Ausflug aus der Reha Klinik. Nur ein paar hundert Meter entfernt liegt hier in Bad Wiessee das sehr empfehlenswerte Ristorante da Mimmo mit vorzüglicher, italienischer Küche und top-frischen Fischgerichten. Die feine Weinkarte ohne große Namen adressiert mit wohlfeilen, kleineren Gewächsen eher einheimisches Stammpublikum als Münchner Wochenend Schickeria. Sehr gut gefiel uns der 2016 Nozze d‘Oro von Tasca aus Sizilien, eine frisch, fröhlich animierende Cuvée aus Inzolia und Sauvignon Blanc mit sehr guter Struktur (WT90). Auch der frische, fruchtige 2018 Bramito Chardonnay, der kleine (und deutlich preiswertere) Bruder des Cervaro della Sala, konnte mit dezenten Röstnoten und einem Hauch Vanille überzeugen (WT89). Und dann war da noch ein klassischer kernig kräftiger Old School Barolo, der 2006 Barolo Vinorum Riserva von Salvano, der in der Karaffe sehr schön aufblühte (WT91). Wie schön, dass mich die Stöcke nicht zurück tragen mussten. Dafür sind wir aber gleich am nächsten Abend noch mal hin.

Und weil es so schön war, verbrachten wir dort noch einen weiteren Abend. In den starteten wir mit einem 2017 Sauvinon Lahn von St. Michael Eppan mit feiner, exotischer Frucht und kräuertiger Frische (WT89) , gefolgt von einem spannenden, sehr pikanten, weiß gekelterten 2017 Pinot Noir von La Crotta di Vegneron aus dem Vallée d´Aoste (WT90). Höhepunkt des Abends ein perfekt gereifter 2001 Barolo Cortiniano Riserva von Michele Chiarlo mit beachtlichem Tiefgang (WT92).

„mai Liabba“ - das Motto der Fischerei Tegernsee passt einfach perfekt, nicht nur zu der wunderbaren Hauscuvée des malerisch am See gelegenen Bistros. Sehr schmackhafte Fischküche mit dem Besten, was der See hergibt, ein hoch motiviertes, herzliches Team und spannende Weine. So eine Art kleine Sansibar des Südens, wo im Hochsommer der berühmte Bär steppt. Eingestiegen sind wir mit einem absolut göttlichen 2017 Honivogl Grüner Veltliner von Hirtzberger, der sich mit seiner fantastischen, kräuterwürzigen Art mit tiefer Mineralität jetzt in bestechender, jugendlicher Bestform zeigt - WT96+. Den in 20 Jahren, das wird ein Gigant in bester Montrachet Art. Und dann dieser unglaubliche 1991 Terlaner, eine Cuvée aus Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon Blanc, die 25 Jahre auf der Feinhefe lag. Da hat sie wohl das Gen der ewigen Jugend erwischt. So unglaublich frisch mit traumhafter Frucht, cremiger Textur und innerer Dichte, der machte richtig was her und wirkte dabei deutlich jünger. Faszinierend vor allem, wie dieser Wein im Glas immer mehr zulegte und ausbaute - WT95 . Und dann noch aus dem österreichischen Top Jahr der immer noch so frische, nachhaltige 1999 Zöbinger Heiligenstein Riesling von Topf mit traumhafter Marille – WT95. Dazu den Blick über diesen wunderbaren See und die Berge schweifen lassen, Herz, was willst Du mehr?

Einen der schönsten Blicke auf den kompletten Tegernsee hat man vom Gut Kaltenbrunn, das von Käfer betrieben wird. Hier hatten wir dann erst ein Erlebnis der anderen Art. Schlichtweg korkig war der 2016 Chardonnay Grand Select von Wieninger. Beim klitzekleinen Probeschluck war das nicht zu erkennen, zeigte sich aber schnell im gefüllten Glas. Klar wurde der Wein dann ausgetauscht, aber wenn Blicke töten könnten…. Und dann der Gau. Die neue Flasche war scheinbar ok. Doch auch hier entwickelte sich mit der Zeit ein leicht stechender, korkiger Ton. Mangels eines erfahrenen Sommeliers als Ansprechpartner verzichteten wir auf erneuten Aufstand, stellten uns einfach in Gedanken vor, wie gut so ein Wieninger ohne Fehlton schmecken müsste, gossen den Rest in die Blumen und siegen auf einen blitzsauberen, glockenklaren 2016 Löwengang Chardonnay von Lageder um. Klarer Höhepunkt war dann ein 2011 Sperss von Gaja. Kräftig und elegant zugleich überzeugte der in erster Trinkreife mit verführerischer, dunkler Kirsche, Rosenblättern, Minze, Kräutern, Leder, Trüffeln und teeriger Mineralität. Dürfte mit seiner guten Struktur und den massiven, aber reifen Tanninen gut altern – WT96.

Und dann haben wir am allerletzten Tag noch auf der prächtigen Terrasse des hoch gelegen Freihaus Brenner zu Mittag gegessen, wiederum mit traumhaftem Blick. Aus der eher preiswert orientierten Karte starteten wir hier mit einem 2017 Kartäuserhof Grünen Veltliner Ultimo von Stierschneider. Der war kräftig, würzig, extraktreich und entwickelte eine schöne, cremige Textur – WT92. Eher enttäuschend der 2015 Chablis 1er Cru Vaillons von Droin, der zwar gute Substanz zeigte, aber einen etwas verschlossenen Eindruck machte – WT88+. Dafür verwöhnte uns zum Schluss der üppige, aber auch seidig elegante 2017 Pinot Noir von Paul Achs aus dem Burgenland in Österreich mit pflaumiger Frucht und Röstaromen – WT91.

Bye bye Sommer

Ein Traum war er noch mal dieser wohl allerletzte Spätsommer Nachmittag und Abend. Auf der Terrasse des Marli in Düsseldorf bei und mit Franz Josef Schorn haben wir uns gebührend vom Sommer verabschiedet. Franz Josef hat einfach genial für uns gekocht. Feinste Steinpilze, sein legendäres Möhrengemüse „bürgerlich“ mit herrlichen Trüffeln und dann ein frischer Angelsteinbutt auf Linguini mit einer schlichtweg atemberaubenden Beurre Blanc. Franz Josef ist einfach ein Küchengott, der die große, klassische Küche perfekt beherrscht. Klar gehörten dazu auch große Weine, für die ich einen schnellen Fischzug durch die Bordeaux-Abteilung meines kalten Kellers gemacht habe.

Als Apero öffnete Franz Josef einen perfekt gereiften 2007 Ockfener Bockstein 1.G. von Othegraven. Der war auf dem Punkt mit schöner Edelfirne und feiner Petrol-Schiefermineralität – WT92. Begonnen haben wir danach unsere Bordeaux-Verkostung mit einem 1990 Conseillante mit einfach göttlichem, schokokadigem Schmelz, bei dem auch ein Schweizer Maitre Chocolatier ionvolviert sein könnte. Reif und auf dem Punkt ist dieser sinnliche Conseillante, dürfte sich auf diesem Nioveau aber noch etliche Jahre halten – WT97. Dem folgte mit dem 1989 Grand Puy Lacoste ein großartiger Charmeur aus Pauillac mit feiner, rotbeeriger Frucht, Zedernholz, Leder, Bleistift-Mineralität und eben großartiger Pauillac Struktur und Persönlichkeit. Einer meiner Lieblings-Bordeaux, so elegant und stimmig, wirkt reif, macht es aber locker noch 1 bis 2 Dekaden – WT95. Wie gut der GPL war, zeigte der nachfolgende 1996 Mouton Rothschild, der zwar in der Nase mit mehr Röstaromatik auftrumpfte, es am Gaumen mal so gerade auf Augenhöhe mit dem GPL schaffte. Allerdings sollte man der Fairness halber erwähnen, das der Mouton als eine Art modernerer 86er noch mächtige Tannine und eine große Zukunft hat – WT95+. Eine Liga darüber dann der 1999 Lafleur mit fantastischer Frucht und seiner lakritzig-kräuterigen Aromatik. Auch der hat noch enormes Potential und könnte weiter zulegen – WT96. Highlight unserer Sause natürlich der grandiose 1989 La Mission Haut Brion, der nach verschlossener Phase wieder auf bestem Wege zur großen Klasse ist, die er in seiner Jugend gezeigt hatte. Ein mineralisch-ätherischer Traum mit Cigarbox ohne Ende und gewaltigem Rückgrat, dürfte eine sehr lange, glorreiche Zukunft haben – WT98+. Natürlich sind die WT100 wieder in Sicht. Anders, aber kaum schlechter danach mit schon fast brutaler Kraft der immer noch zu junge 1986 Haut Brion, ein maskuliner, sehr druckvoller Wein, der noch etliche Jahre Lagerung vertragen kann – WT97+. Generöser Abschluss der 1989 Gazin, der nach längerer, verschlossener Phase wieder an seine jugendliche Hochform anknüpft und sich als saftiger, druckvoller Vollblutmerlot zeigt – WT94.