September 2015

Besuch aus Sylt

Oh, was war das für ein feiner Abend. Liebe Freunde aus Sylt überraschten uns nicht nur mit ihrem Besuch. Nein, sie nahmen auch unsere Küche in Beschlag und verwöhnten uns kulinarisch auf das Feinste. Und sie stellten dazu auch noch den ersten Wein, dem wir dann natürlich reichlich weitere folgen ließen.

Schlichtweg genial dieser 2013 Coche von Niepoort, der für mich bisher beste, sehr mineralisch, salzig, mit schöner Frucht, Frische, toller Struktur und einer unglaublichen Länge. Kommt dem Ebenbild eines großen Burgunders und dem Vorbild Coche-Dury verdammt nahe – WT95. Spannend an diesem ambitionierten Niepoort-Projekt ist auch, dass hier sehr früh gelesen wird mit dem Ziel, Frische, gute Säure und einen niedrigen Alkoholgrad zu erzeugen. Dankenswerterweise verlassen immer mehr Winzer den Irrweg der Überreife und des hohen Alkohols. Jahrelang hat man geglaubt, nur so Weine mit hohen Parkerpunkten erzeugen zu können und dabei völlig vergessen, dass das Zeugs ja irgendwann auch mal jemand trinken muss.

Und natürlich macht es Spaß, wenn „Herr Ben“ am Tisch sitzt und Benn im Glas ist. Der 2013 Benn von Katharina Wechsler zeigt trotz bissiger Säure und Kraft bereits cremige, fruchtige Fülle, wird aber noch zulegen – WT91+. Reif ist inzwischen die 2004 Hermannshöhle GG von Dönnhoff, zeigt etwas mehr fruchtige Fülle und cremige Textur, aber auch dieser unerhörte, mineralische Brillianz, diese präzise Struktur und das sehr gute Säuregerüst für ein langes Leben – WT95. Mit einem immer noch deutlichen Spontistinker, der aber rasch verflog, kam der 2012 Halenberg GG von Schäfer-Fröhlich ins Glas. Ein im besten Sinne kerniger, kräftiger Wein, komplex, zupackend, sehr lang – WT95+. Und wie schmeckt 2014 Hubacker von Keller, wenn man ihn nicht in einer großen Probe spucken muss, sondern aus der ersten, gerade eingetroffenen Flasche hemmungslos trinken darf? Einfach saugut. Das ist Hubacker pur mit der klassischen, barocken Fülle, mit traumhafter, süßer Frucht, kräftiger, aber reifer Säure und einfach unglaublicher, süchtig machender Trinkigkeit. Da kommt jetzt ein Vorhängeschloss an die Kiste, sonst ist die ratz fatz leer. Den in seiner irren Frühform spucken zu müssen hat bestimmt verdammt weh getan. Den jetzt in großen Schlucken trinken zu dürfen macht einfach glücklich. Ein großer, kompletter Wein, für den es jetzt geizige WT96 gibt.

In Topform zeigte sich auch 1994 Silver Oak Napa Valley mit süßer, verschwenderischer Frucht, viel Cassis, feinem Schmelz und der typischen Dill-Note – WT94. Immer noch blutjung, aber schon gut (an)trinkbar der 1995 Dunn Howell Mountain mit salziger, teeriger Mineralität, Jod, frischer Meeresbrise, dunklen Früchten, sehr kräftig mit gewaltiger Struktur und deutlichem Tanningerüst und guter Länge – WT95+. Ein Wein, der sich über Jahrzehnte weiterentwickeln wird. Dunn ist sicher nicht Everybody´s Darling, aber ich mag diese kräftige, zupackende Art. Mehr dem Archetypus eines üppigen Kaliforniers entspricht da schon der 1999 Switchback Ridge Peterson Family Vineyard Cabernet Sauvignon mit süßer würziger Fülle, ein dekadentes Geschoss, Wollust in flüssiger Form – WT95.

Nette Pärchen

Eingeladen waren wir zu einem famosen Sonntagslunch bei Freunden, die es kulinarisch richtig drauf haben. Da kamen dann feine Sachen auf den Teller und dazu natürlich feine Weine ins Glas.

Das erste dieser spannenden Weinpärchen bestand aus 2009 Abtserde GG und 2009 Hubacker GG von Keller. Viel zu jung war noch die Abtserde, die wie schon auf unserer großen Abtserde-Vertikale geprägt war von enormem Bagyspeck und hoher Extraktsüße, unter der sich die gewaltige Struktur, die Mineralität und die Säure dieses großen Weines quasi versteckten. Kann man jetzt trinken, wenn man darauf steht. Ich würde lieber noch ein paar Jahre warten, bis dieser WT95+ Wein zeigt, was er drauf hat. Deutlich schlanker, frischer, säurebetonter der Hubacker, der seine typische barocke Fülle vermissen ließ und ebenfalls wohl in einer Art Übergangsstadium war – WT92+.

Begeisternd in der nächsten Paarung der 2006 Meursault Genevrières von Lucien Le Moine, den wir wohl gerade in diesem raren Moment erwischten, wo dieser Wein über sich hinaus wuchs. So unglaublich cremig, nussig, mineralisch mit süchtig machendem Schmelz, dabei keinesfalls breit, sondern mit guter Struktur und Säure. Einfach nur geil dieses Zeugs! Mehrfach gingen unsere Bewertungen hoch, bis wir bei WT97 landeten. Der 2010 Meursault Charmes von Comte Lafon im anderen Glas überzeugte mit der jahrgangstypischen, präzisen Struktur gepaart mit guter Säure und intensiver Mineralität, noch so jung und zupackend – WT95.

Vier große Pinots kamen jetzt nacheinander und nebeneinander ins Glas. Prächtig gemacht hat sich der immer noch so frische 2003 Clos de Tart. Der hat nichts jahrgangstypisches, nichts dickes, keine überreife, eingekochte Frucht. Einfach nur Eleganz, feine Süße, Spiel und schöne Länge, eher filigran in der Anmutung mit feiner, pikanter Frucht – WT95. Eher ein Burgunder für Bordeauxtrinker war der sehr kräftige, bullige 2006 Bonnes Mares von Comte de Vogüe mit intensiver Schwarzkirsche – WT93+. Gut möglich, dass sich das mit den Jahren noch abschleift und mehr burgundische Finesse kommt. Auf der eleganteren Seite waren wir dann wieder mit dem 2009 Pinot Noir von Friedrich Becker, der sich in einfach bestechender Frühform zeigte, sehr elegant, mineralisch, filigran mit guter Säure und im besten Sinne burgundisch. Aber da ist auch eine enorme Substanz und Kraft. Ein Wein, der sicher noch zulegen wird und gut altern kann – WT94+. Jede Menge Charme, Kraft und Fülle hatte auch der wunderbare 2009 Chambertin von Henri Boillot, bei dem mit den Jahren auch noch mehr kommen dürfte – WT94+. Aber dann kam noch dieser unglaubliche 2013 Gantenbein Pinot Noir ins Glas – und machte sie alle platt! Und bevor ich jetzt hier eine weitere Hymne auf diesen Wein schreiben muss, einfach hier nachlesen. So schmeckt ein WT97+ Pinot Noir.

Mit zwei großen Bordeaux endete dieser Mittag, der langsam schon zum Abend wurde. Überraschend schlank, elegant, sehr mineralisch mit viel Bleistift, Zedernholz der 2003 Lafite Rothschild. Erwartet hatte ich eine jahrgangstypische Wuchtbrumme, aber das hier war ein riesengroßer, klassischer Lafite – WT97+. Blutjung immer noch der 1998 Cheval Blanc, genial schon diese Nase mit diesem unnachahmlichen Cheval Parfüm, am Gaumen irrer Druck, aber auch dieser wiederum Cheval typische, gelungene Spagat aus Kraft und Finesse mit wunderbarer Textur und Länge. Ich bin mir sicher, dass wird mal eine Cheval-Legende – WT97+.

Spätsommer

Ein formidabler Glattbutt im Ganzen war nur eine der Überraschungen, die Holger Berens an diesem feinen Spätsommernachmittag auf unsere Teller zauberte. Bei prächtigem Wetter stiegen wir in eine kleine, feine Probe ein.

Gleich die erste Flasche eine Riesenüberraschung. Nicht gerade vom Hocker gerissen hatte mich vor zwei Jahren dieser 2005 Chablis Grand Cru Les Preuses von Dauvissat. Jetzt war dieser Wein wie verwandelt. Immer noch so taufrisch, nicht mal ein Hauch von Oxidation, perfekte Kombination aus kalkiger Mineralität, präziser Struktur und Säure eines großen Chablis mit reifer Zitrusfrucht und feinem, burgundischem Schmelz – WT95. Wie schön, dass es immer noch weiße Burgunder gibt, die ohne Premox gut reifen. Und dann gleich die nächste Überraschung. Blind wurde am Tisch unter den großen Weinen der Côte de Nuits gesucht. Aber es war ein 1999 Spätburgunder R von Molitor. Reife Farbe, sehr burgundisch mit cremiger Textur, unglaublich druckvolle Aromatik, Kräuter, Wilder Fenchel, ein Hauch von Lakritz, gewaltige Länge – WT96. Markus Molitor erklärte mir am Telefon, dass er diesen Wein damals mit den Öchslegraden einer guten BA geerntet hatte. Wahnsinn!

Mit zwei Burgundern aus 1992 ging es weiter. Die besseren Weine aus diesem seinerzeit weitgehend übersehenen Jahrgang haben sich prächtig entwickelt und sind nach wie vor jede Suche wert. Eine Traumnase hatte der 1992 Chambertin Clos de Bèze von Duroché. Am Gaumen war er erst etwas verhalten, legte aber enorm zu und war dann so fein, so aromatisch und so lang – WT94. Der 1992 Chapelle Chambertin von Pierre Damoy war wie schon vor einem Jahr ein kompletter, riesengroßer Burgunder mit Kraft, Druck, Länge, Finesse und mit der Fülle eines großen Chambertin, nur ein leicht Brett-ähnlicher Ton in der Nase störte diesmal leicht – WT97.

Großer Kalifornier aus den 70ern/80ern hieß es sofort., als der nächste Wein ins Glas kam. Dieser 1976 Oude Libertas von den Stellenbosch Farmers Wineries hatte eine noch junge, dichte Farbe, in der Nase Minze und Eukalyptus, am Gaumen Fülle, Kraft und feine Süße. Ein kompletter, großer Cabernet war das mit noch reichlich Zukunft – WT96. 11,82 % Alkohol hieß es dazu auf dem Etikett. Was konnten die Winzer der südlichen Hemisphäre, was die heutigen nicht mehr können?

Und dann war es Zeit für ein echtes Gipfeltreffen. Schlichtweg perfekt dieser 1986 Penfolds Grange mit Cassis pur in der Nase, Eukalyptus und unglaublicher Kraft am Gaumen. Dabei mit perfekter Struktur, da ist nichts überladenes, überreifes, einfach nur die geballte Kraft eines großen Weines, der mit seinem unglaublichen Druck den armen Latour im anderen Glas schier erdrückte – WT100. Nicht, dass dieser 1990 Latour ein Schwächling wäre. Im direkten Vergleich wirkte er feiner, eleganter. Ein großer Latour auf dem Wege von der geradezu kalifornischen Opulenz der früheren Jahre ins Charakterfach. Derzeit auf sehr hohem Niveau vielleicht etwas verhalten, aber da kommt noch deutlich mehr – WT97+.

Einfach sexy 1994 Penfolds Cabernet Sauvignon Bin 707 mit opulenter, kalifornisch anmutender Frucht – WT93.

Ich werde immer mehr zum Fan reifer Barolos. Das, was dieser einfache 1964 Barolo von Conterno (kein Rieserva) hier zeigte, das war schon beeindruckend. Hell die Farbe, aber ohne Brauntöne, in der Nase immer noch rotbeerige Frucht, Rosenblätter, Tabak, Leder, am Gaumen mineralisch, dabei so elegant mit feinem, süßem Schmelz – WT94. Wie die jüngere, deutlich kräftigere Version davon im anderen Glas der 1988 Barolo Sperss von Gaja, der erste Wein Gajas aus dieser Lage, Kirschfrucht, Rosenblüten, teerige Mineralität, mit intaktem Tanningerüst noch so jung mit reichlich Zukunft – WT95.

Wunderbarer Abschluss der 2013 Schubertslay Kabinett von Julian Haart, der jetzt erst langsam richtig zeigt, was er drauf hat. Ein spannender, extraktreicher, mineralischer Riesling mit rassiger Säure, schlank und nachhaltig zugleich, sehr animierend im Trinkfluss, einfach ein Bilderbuch-Kabinett – WT93.

Tonis Geburtstagssause

Sein Geburtstag war inzwischen eigentlich schon längst wieder Geschichte, aber auf die mehrfach verschobene Geburtstagssause wollte Toni trotzdem nicht verzichten. Das war auch gut so. Wir bekamen einiges an spannenden Weinen ins Glas, denn jeder von uns hatte tief in seinem Keller gegraben.

Erstaunlich offen und zugänglich trotz straffer Mineralität der 2012 Scharzhofberger von Van Volxem aus der Magnum, aber da kommt noch mehr – WT92+. Das 2009 Kirchspiel GG von Keller war aus der Doppelmagnum zwar noch blutjung, aber auch elegant und finessig, machte schon viel Spaß – WT93+. Der 2014 Steinacker Riesling von Rings hatte eine etwas polierte, duftige Nase, sehr gute, steinige Mineralität und war schon recht zugänglich – WT90.

Der 2014 Karthäuserhofberg Kabinett von Tyrell war ein feiner, mineralischer Sauf-Kabinett mit wenig Alkohol – WT88. Heute dürfte es solche „Eiswein-Sparausgaben“ nicht mehr geben. Als Mindestgewicht ist BA vorgegeben. Der 1971 Trittenheimer Apotheke Spätlese Eiswein vom Weingut Oswald Ahl war in der Nase leicht maderisiert, in der Farbe sehr reif, am Gaumen durchaus spannend mit malziger Süße und etwas Überreife – WT89. Wie Orange-Wein sah die Farbe des 1979 Rabaud-Promis aus, ein absolut stimmiger, perfekt balancierter Sauternes mit verhaltener Süße und Orangen-Bittermarmelade am Gaumen – WT94. Für das eigentlich schwache Sauternesjahr eine echte Überraschung.

Sehr fein und elegant mit kalkiger Mineralität der nachhaltige 2004 Egly-Ouriet Brut Grand Cru – WT95. Würze, Kraft, Fülle und Länge zeigte der 2011 Meursault Porusot von Lucien Le Moine, aber auch viel Holz – WT93. Zu dick, zu süß, zuwenig Säure beim 2008 Graacher Domprobst Kabinett von Willi Schäfer, eher Typ runtergestufte Auslese, als Kabinett daneben – WT84.

Der rote 2011 Chassagne Montrachet von Ramonet aus der Magnum war ein feiner, eleganter Wein ohne die Substanz der Weißen – WT87. Keine Veranstaltung bei Toni ohne einen griechischen Wein. Diesmal war es ein 2011 Ramnista von Kyr-Yianni, der mit toller Nase und superber Frucht punktete, am Gaumen noch deutliche Tannine, dürfte noch zulegen – WT90+.

Etwas schwierig zu Anfang der 1979 Barolo Borgogno Riserva mit einer leicht brettigen, animalischen Nase, am Gaumen Kraft und schöne Süße. Doch der brauchte einfach viel Zeit und Luft. Immer mehr wurde daraus ein sehr feiner, klassischer, lakritziger Barolo mit burgundischen Anklängen – WT91. Kein Alter beim 1979 Ausone, der mit einer kräuterigen Nase, feinem, würzigem Schmelz und irrem Tiefgang und Länge überzeugte – WT94. Auf den setzte der fantastische 1979 Volcanic Hill von Diamond Creek noch mal richt eins drauf. Blutjung, auch in der Farbe, sehr mineralisch, kräftig, dicht und lang mit superber Statur und Struktur – WT96.

Süße Frucht, viel Kräuter, feiner Schmelz, aber auch eine kernige Persönlichkeit beim 2011 Isabelle Pinot Noir von Au Bon Climat – WT92. Eher enttäuschend die beiden Burgunder. Viel Brett in der Nase hatte der 2007 Clos Vougeot von Jadot, war kräftig und etwas korpulent am Gaumen, Finesse fehlanzeige – WT89. Der 2007 Clos St. Denis von Jadot hatte eine feine Frucht, ebenfalls viel Kraft und auch hier haperte es mit der Finesse – WT91.

Petrolig, reif und deutlich über den Höhepunkt weg war die 1988 Leiwener Klostergarten Auslese trocken vom St. Urbans-Hof – WT81.

Ein Traum war die 1989 Wachenheimer Gerümpel Auslese von Bürklin-Wolf mit Kraft, Säure und Länge – WT95. Auch die sehr würzige, kräftige 1976 Forster Pechstein Auslese von Bürklin-Wolf konnte mit schöner Fülle überzeugen – WT92.