September 2019

Der Tag davor

Nur die Harten kommen in den Garten, hieß es. Unsere Vorprobe zur großen Probe haben wir in kleiner Runde gut eingepackt bei prächtiger Abendstimmung auf der schon frühherbstlich kühlen Terrasse des Berens am Kai mit feinstem Verwöhnaroma durch Barbara und Holger genossen.

Gelungener Start der inzwischen etwas reifere, cremige 1990 Taittinger Comtes de Champagne mit immer noch gutem Mousseux und viel Brioche – WT96. Spannender Vergleich die immer noch jugendlich wirkenden Helden 1999 Schlossberg von Breuer und 1999 Hermannshöhle Spätlese trocken von Dönnhoff, die wir auf sehr hohem Niveau blind beide verwechselten. Die sehr straffe, mineralische Hermannshöhle mit ihrem feinen Petrolton schoben wir ins Rheingau, den Schlossberg mit etwas mehr fruchtiger Fülle an die Nahe. Beides grandiose Weine auf WT96 Niveau mit immer noch guter Zukunft. Großartig der 2016 Monteverro Chardonnay, der mineralische Präzision mit feinstem, burgundischem Schmelz verband und sich noch feiner als in den Vorjahren zeigte – WT96. Blutjung und messerscharf präzise mit intensiver, steiniger Mineralität der 2010 Chablis Les Clos von Fevre, der noch zulegen dürfte und im Moment nach begleitendem Essen schreit (der Wunsch wurde erfüllt) – WT95. Im nächsten Dreierflight ein eleganter, schmelziger Traum der 1959 Chapelle Chambertin von Bouchard mit feiner Kirschfrucht. Legte im Glas immer mehr zu und entwickelte diese wunderbare Pracht und Fülle gereifter Burgunder „von damals“, macht es in dieser Form sicher noch 10 Jahre – WT96. Da kam der leicht schwächelnde, noch etwas verschlossen und auch tanning wirkende, edel rustikale 1959 Montrose aus einer optisch perfekten, belgischen Händlerabfüllung nicht mit. Der braucht wohl noch etwas und dürfte nicht neben einem großen Burgunder stehen – WT92+. Ein absolutes Hammerteil der 1947 Croix de Gay VDM, kraftvolle, altersfreie Fülle in bester Vandermeulen Art mit hedonistischer, süßer Frucht und traumhafter Länge am Gaumen – WT97. Der Vandermeulen Croix de Gay aus 1947 ist leider auch ein Lieblingswein der Fälscher, die damit z.B. 1947 Petrus basten. Nur den Croix de Gay selbst kann man nicht fälschen, allenfalls mit Petrus. Da konnten sich sowohl Martha Gantenbein und Jörg Müller mit ihren Geburtsjahren freuen. Im nächsten Dreierflight wechselte die Favoritenrolle mehrfach. Einfach Mouton vom Feinsten der wiedererwachte 1993 Mouton Rothschild. In seiner Jugend habe ich diesen Wein mit der großen Röstaromen-Oper geliebt. Gegen Mitte des letzten Jahrzehnts verschloss er sich dann zusehens und tauchte ab. Jetzt ist er wieder da, aber als erwachsener, klassischer Mouton mit Cassis, viel Minze, Sattelleder und der Bleistift-Mineralität – WT94. Überragend der 1989 Heitz Marthas Vineyard, der einfach sehr viel Luft und Zeit brauchte. Ging hier erst nach einer Weile auf die Überholspur. Mit 1989 war bei Heitz endlich die Zeit der alten Fässer vorbei. Der 89er hat wieder die Strahlkraft der Weine aus den 70ern. Herrliche, blitzsaubere Frucht ohne Altfasstinker, viel Minze und Eukalyptus, die typische Cola-Note, soviel Druck, Kraft und Länge, wird sich über die nächsten 20 Jahre weiterentwickeln und sicher noch zulegen – WT96+. Und am Ende der Star der schlichtweg perfekte 1959 Lafite Rotschild. Der brauchte noch deutlich länger als der Heitz und war aus dieser Flasche noch so jugendlich. Aber was für ein druckvoller Gigant mit Mega-Potential, superbe Frucht, enorme Statur und Länge, der Bleistift von Mouton und die unnachahmliche Eleganz klassischer Lafites – WT97+.

Ach ja, Freitag den 13. hatten wir auch im Glas, 1959 La Mission in einer französichen Händlerabfüllung von Jean Nony mit WOTN Potential, aber üblem Kork.

Kleine Blindprobe

Bei und mit Michelangelo im Saittavini trafen wir uns vor der großen Probe für eine erste Grundlage mit fantastischen Antipasti. Dazu ein furztrockener, rassig präziser, schlanker und mineralischer 2016 Scharzhofberger GG von Kesselstatt, der sicher noch zulegen wird, an den großen Vorläufer aus 2015 aber nicht dran kommt – WT90+. Als kleine Blindprobe gab es danach den 2015 Monteverro Chardonnay aus der Magnum. Deutlich kräftiger und mit mehr Holz als der feinere 2016er vom Vortag, aber sehr gelungen auf WT95 Niveau. Und dem Winzer hat er (blind) auch sehr gut gefallen. So muss es sein.

Der Tag danach

Ein kleines Häufchen Übriggebliebener labte sich bei allerfeinstem Sommerwetter auf der Terrasse des Landhaus Mönchenwerth an übriggebliebenen Reserveflaschen. Aber was heißt hier Reserve. Die hätten voll am Vorabend mitspielen können zunächst starteten wir aus Sascha Bürgels Fundus mit einem noch so unglaublich jugendlichen, straffen, aber sehr überzeugenden 2016 Erdener Prälat Alte Reben. Puristisch schöne Frucht, kühle, aber sehr nachdrückliche Eleganz, flüssige Felsen mit feiner Salzkruste und ein Mörderpotential – WT95+. Da freu ich mich schon auf die Reserve. Ein perfekter Pirat für eine Blindprobe wäre der großartige 1949 Royal Saint-Emilion Grand Cru von der Union des Producteurs de St. Emilion aus der 1999 neu verkorkten Magnum. So seidig und elegant mit traumhaftem Schmelz in durchaus Cheval Blanc Qualität, legte im Glas über lange Zeit immer mehr zu. Ich habe konservative WT95 gegeben. Genial und immer noch so frisch auch der 1969 Mondavi Cabernet Sauvignon, mit Schwarzer Johannisbeere viel Minze und auch Eukalyptus, sehr druckvolle Aromatik und guter Extrakt mit aus heutiger Sicht geradezu lächerlichen 12% Alkohol. Das war leider eine Einzelflasche in allerdings sehr gutem Zustand, die deutlich zeigte, dass damals in Kalifornien die besseren Bordeaux entstanden Da hätte ich gerne ein paar Kisten von – WT95. In Bordeaux selbst war 1969 im Gegensatz z.B. zu Burgund kein guter Jahrgang. Wobei eigentlich La Mission Haut Brion fast in jedem Jahr gut war, so auch hier als 1969er. Ein feiner, reifer, aber nicht alter La Mission, eher auf der etwas leichteren Seite, elegant, mit nur noch dezenter Frucht, aber deutlich der klassischen Cigar Box Aromatik, mit Leder und erdiger Mineralität – WT92.