American Beauty die Zehnte

Unsere Jubiläums-Beauty war das. Vor zehn Jahren fand die erste American Beauty statt, als Best Bottle nur für kalifornische Weine. Im Adler in Nebikon trafen wir uns in 12er Runde mit dem besten, was unsere Keller zum Thema Kalifornien hergaben. Mit dem nie wieder erreichten Punkteschnitt von 99,3/100 kam damals der unsterbliche 1994 Harlan aufs Siegertreppchen. Wer es nachlesen möchte, findet die komplette Probe im Wineterminator-Archiv.

Jetzt waren wir also wieder zusammen, diesmal und hoffentlich für die nächsten 20 Jahre bei werni Tobler in der Bacchus Genussmanufaktur in Hildisrieden. Baschi Schwander, der dankenswerterweise als einer der Gründerväter diese Best Bottle seit Anfang in vorbildlicher Art und Weise sehr engagiert organisiert, hatte wieder dafür gesorgt, dass wir alle richtig Gutes Zeugs mitbringen.

Blind haben wir verkostet, und die Punkte sind natürlich wie immer nur Momentaufnahmen. Es ist ohnehin nicht einfach, Weine zu vergleichen, die aus zwölf verschiedenen Kellern kommen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den unterschiedlichsten Quellen kommen. Ein seinerzeit in Subskription gekaufter und bei 10 Grad perfekt gelagerter Wein ist natürlich einem frisch auf Winebid erworbenen und danach unterm Bett gelagerten Schätzchen klar überlegen.

Mit drei großen Weißen als Vorprogramm legten wir los. Ein tiefes Goldgelb hatte der 2007 Kistler Parmalee Hill Stone Flat Vinyard Chardonnay und wirkte damit reifer, als er sich in Nase und Gaumen zeigte. Reife, gelbe Früchte, erstaunlich gute Säure, feinster burgundischer Schmelz, gebrannte Mandeln, gute Mineralität, cremige Textur und bemerkenswerte Frische, ein echtes Meisterstück – WT97. Deutlich älter wirkte aus gleichem Jahr der 2007 Kistler Durell Vineyard Chardonnay, der vor allem in der Nase verhaltener wirkte. Am Gaumen baute er aus und wurde schmelziger mit feiner Holznote – WT94. Eine sehr helle Farbe hatte der 2013 Grgich Hills Miljenko´s Selection Chardonnay, der ohne Malo mit natürlichen Hefen im großen Holzfass vergoren wurde. Wirkte erst ungewöhnlich wie ein Sauvignon Blanc aus dem Holzfass mit floralen Noten, entwickelte feine, würzige Kräuternoten, blieb schlank mit präziser Struktur und braucht sicher noch etliche Jahre, um sein volles Potential zu zeigen – WT93+.

Grandioser Start dann mit vier Top-Weinen aus dem großen Jahrgang 1994 und einem 95er. Sehr elegant und finessig der 1994 Opus One mit scöner, rotbeeriger Frucht und feiner Minze, mineralisch und im positiven Sinne schlank und geradezu edel mit guter Länge – WT94. Ungewöhnlich und auf hohem Niveau etwas schwierig der 1994 Dominus, der sich derzeit wohl in einer Art Übergangsstadium befindet. In der Nase Vanillepudding mit Himbeersyrup (hatte ich bei Dominus noch nie), mit der Zeit wurde die Nase mineralischer, schlanker, am Gaumen würzig mit feiner Herbe – Wt96+. Aber keine Sorge, der kommt wieder. Die volle Kalifornien-Dröhnung gab es dann beim herausragenden 1994 Les Pavots von Peter Michael. Minze, Eukalyptus, süße, volle Frucht, enormer Druck am Gaumen mit entsprechender Länge, machte einfach unglaublichen Spaß und wirkte sehr sexy, ohne irgendwie überladen zu sein – WT99. Der 1994 Abreu Madrona Vineyard wirkte wie die etwas kühlere Variante des Les Pavots ohne Eukalyptus, dafür mit feiner Kirschfrucht, sehr stimmig und balanciert mit guter Länge – WT97. Mit viel Dill in der Nase erinnerte der 1995 Colgin Herb Lamb an Silver Oak, viel süße, reife Frucht und Schmelz, ein großer Candy Store für Erwachsene, aber auf hohem Niveau auch etwas offensichtlich, um nicht zu sagen nuttig, aber riesigen, unkomplizierten Spaß machte er trotzdem, odergerade deshalb – WT96.

Und dann kam ein großes Eisele-Fest mit unerwartetem Ausgang. Schon 1880 wurde der berühmte Eisele Vineyard erstmals bepflanzt. Doch erst 1971 wurde von Paul Draper als 1971 Ridge Cabernet Sauvignin Eisele der erste, inzwischen legendäre Wein unter diesem Namen produziert. 1974 gab es einen Eisele von Conn Creek. 1975 bis 1991 entstanden dann bei Phelps legendäre, hochklassige Eiseles, wobei sich den 1991er Eisele Phelps bereits mit Araujo teilen musste. Danach war es ausschließlich Araujo, die mit Eisele Vineyards Cabernets Furore machten. Und nachdem 2013 die Chateau Latour Inhaber Pinault das Gut kauften, wurde es schließlich in Eisele Vineyrd umbenannt.

Wir starteten mit drei Araujos aus großen Jahren. 1996 Araujo Eisele hatte eine Traumnase, ein sehr feiner, eleganter, stimmiger Wein mit guter Kirschfrucht und Mineralität, viel Druck am Gaumen und sicher noch lange Zukunft – WT96. Ohne die etwas schwierige, leicht dumpfe Nase wäre der sonst so wunderbare, stimmige 1995 Araujo mit seiner betörenden Frucht und dieser unendlichen Eleganz sicher richtig abgegangen – WT97. Und was war mit 1994 Araujo Eisele los, diesem einstigen Highflyer? Der hatte eine schwierige, leicht oxidative Nase und war am Gaumen zwar genießbar, aber auch hier mit schon eigentlich unfassbarer Reife – WT90. Da war der geradezu spektakuläre 1991 Phelps Eisele ein ganz anderes Kaliber. Supernase, geniale Statur, einfach riesengroßer, zeitloser, perfekt gereifter Kalifornier, hatte ich noch nie so gut im Glas und erinnerte an die beiden perfekten Legenden aus 1975 und 1978. Ich habe diesen Wein, der sich unglaublich entwickelte, mehrfach hoch gesetzt – WT98. Faszinierend auf der völlig andere, aber so tiefgründige 1985 Phelps Eisele. In der Nase kleine Beeren, Korinthen, Kirschfrucht, am Gaumen Lakritz, Teesatz, Tabak, etwas Malz, so unglaublich stimmig und elegant – WT97.

Was dann kam, hätte der Top-Flight der Probe sein müssen, war aber leider ein Kopfschüttle-Flight. Das lag weniger am 1987 Dunn Howell Mountain, der einfach noch zu jung war und sicher 5 Stunden früher in eine Karaffe gehört hätte. Ein sehr dichtes, junges Konzentrat mit der dazugehörigen, tief tintigen Farbe und unbändiger Kraft, die Frucht noch verhalren, dafür erstaunlich viel Eukalyptus und Minze und das Begleitkonzert immer noch mächtiger Tannine und hoher Säure – WT94+. 2014 war er noch der Siegerwein der American Beauty gewesen, dieser 1975 Heitz Martha´s Vineyard. Damals angestellt von Harlan Boss Don Weaver, der seinerzeit diesen Wein als verantwortlicher Winemaker bei Heitz vinifiziert hatte. Und jetzt, diese unsaubere Muffnase, die über allem schwebte. Eigentlich eine Affenschande, denn dieser 1975 ist sonst ein noch so blutjunger Gigant, der nur darauf wartet, die Nachfolge des 74ers antreten zu können. Das hätte er heute haben können, denn diese 1974 Heitz Martha´s Vineyard Flasche mit ‚ms’ und sehr reifer Farbe, die da ins andere Glas kam, war es leider nicht. Wie bei einem gebrauchten Porsche mit 15 Vorbesitzern konnte man noch deutlich erkennen, was es sein sollte. Man spürte die ehemalige Größe und das deutlich bröckelnde Monument. Aber mehr eben leider auch nicht. Eigentlich nicht seriös bewertbar. Zweimal habe ich in 2017 diesen eigentlich geradezu unsterblichen Wein auf klarem 100-Punkte-Niveau noch aus Magnums trinken dürfen. Da vergesse ich diese Flasche hier besser ganz schnell. Als viertes und als Ersatz wurde dann vom Einlieferer hier noch eine 1978 Heitz Martha´s Vineyard angestellt, die gewaltiges Potential zeigte, aber mangels Zeit und Luft keine Chance hatte, sich richtig zu entfalten – WT96+. Kann eigentlich deutlich mehr und ist ein Martha´s mit großer Zukunft.

Damit kamen wir zum vorletzten Flight, 5mal Dalla Valle Maya. Eigentlich ein Ruf wie Donnerhall. In früheren Jahren war ich mal großer Maya-Fan. Den legendären 91er habe ich 1995 an drei Abenden hintereinander mit meinen ausländischen Partnern im Spago in Las Vegas getrunken. Für alle drei Flaschen galt: schwarz wie Ägyptens Nächte, intensive Fruchtsüße, bissige, aber durch den hohen Extrakt gut maskierte Tannine, ein perfekter Zwilling des 86 Mouton aus besten Tagen 100/100. Auch in der Sylter Sansibar habe ich damals mit Michael Hamann etliche, sensationelle Mayas getrunken und geschwelgt. Those were the days.

Mit 1992 Maya begann dieser Flight, der einstigen Parker100 Legende. Immer noch eine wunderbare Nase, ein sehr schöner, stimmiger Wein, dem aber die frühere Dramatik völlig abgeht – WT95. Das ist das Maya Dilemma, das dieser Wein mit vielen anderen Superstars aus Kalifornien teilt (ganz klare Ausnahme: Harlan). In ihrer Jugend sind sie einfach bombastisch mit überbordender Frucht. Man kriegt vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Und wenn dann der jugendliche Lack ab ist, sind sie plötzlich „nur noch guter Wein“. Nehmen wir den nächsten Wein, 1994 Maya. Auch der einst legandär und spektakulär. Heute ist der gut gereift, elegant, baut enorm im Glas aus, zeigt erstaunliche Länge. Muss man über einen WT94 Wein meckern? Natürlich nicht. Wenn da nur nicht dieser Name, dieser Ruf wäre. Erste Reifetöne zeigte auch der ansonsten sehr schöne, elegante 1995 Maya, bei dem mir besonders die gute Frucht gefiel – WT94. Auf ein anderes Niveau begaben wir uns da bei 1996 Maya, der mir in diesem Flight am besten gefiel. Der zeigte Eleganz und Finesse, aber auch noch frische Frucht, war sehr druckvoll am Gaumen und mit enormer Länge. Erinnerte mich am meisten an glorreiche, alte Maya-Tage – WT97. Und von einer weiteren Legende, dem 1997 Maya (Parker: the potentially perfect 1997 Maya…99/100) ist nur noch enorme Kraft am Gaumen geblieben, Eleganz oder irgendwelcher Schmelz Fehlanzeige – WT94.

Damit kamen wir zum letzen Flight, in dem sich auch der spätere Siegerwein befand.

Einfach sexy wieder dieser 2001 Caymus Special Selection mit dieser begeisternden, jugendlichen Frucht, Cassis in seiner schönsten Form und Hedonismus pur, aber auch mit beeindruckender Kraft, Fülle, Dichte und Länge. Hatte ich noch nie auch nur ansatzweise so gut im Glas. Aber das ist ein klassisches Caymus-Phänomen. Jung sind diese Weine im Gegensatz zu dem, was bei den Kalis Standard ist, enttäuschend, brauchen 10 Jahre und mehr, um alles zu zeigen. Diesen 2001er hatte ich 2005 bei der Mövenpick-Arrivage mit nur WT92 für dieses große Jahr quasi abgeschrieben. Jetzt und hier für diese Flasche habe ich ihm WT98 verpasst, womit er auf dem Niveau des 92ers wäre. Und ich habe nix, keine einzige Flasche im Keller. Extrem jung noch der 2001 Ridge Monte Bello, Traumstoff mit genialer Struktur und für Monte Bello geradezu dekadent süßer Frucht. Enorme Statur und Mörder-Potential. Dürfte wohl die 30. American Beauty 2037 gewinnen. Jetzt hier und heute locker WT97+. Etwas zurückhaltend präsentierte sich auf hohem Niveau der 2001 Shafer Hillside Select, als ob er kurz Luft holen wollte. Aber da ist soviel Kraft, soviel Substanz, der kommt in ein paar Jahren wieder – WT96+. Offener, dichter, kräftiger und länger zeigt sich momentan der 2002 Shafer Hillside Select, eine absolut präzise Granate – WT99. Und dann kam im fünften Glas des letzten Flights absolute Perfektion ins Glas, der 2001 Cabernet Sauvignon To Kalon Reserve von Robert Mondavi – WT100. Da stimmte einfach alles, keine überbordende Fruchtbombe, sondern die neuzeitliche Version des 74er Mondavi Reserve mit junger Frucht, einfach groß mit sehr langer Zukunft.

Der Siegerwein stammte übrigens von Thomas Krieg, der für ein Mitglied der American Beauty Stammcrew einsprang, das etwas besseres vor hatte. Bleibt zu hoffen, dass der das auch 2018 wieder hat. Denn Thomas mit seinem Siegerhändchen (er hat zusätzlich auch mit 2002 Hillside den drittplazierten gestellt) und seinen intimen Kalifornier-Kenntnissen gehört einfach in diese Runde.